Trotz aller Fortschritte der Schmerzforschung in hochentwickelten Ländern ist die Behandlung von Schmerzpatienten auch dort weiterhin defizitär. Dies ist wissenschaftliche Realität: So konnte ein europäischer Survey eine Rate von 50% nicht adäquat behandelter chronischer bzw. chronifizierter Schmerzkranker aufzeigen [1]. Im Bereich des Tumor- und Akutschmerzes liegen die Zahlen in einem ähnlichen Bereich [2, 3].

Umso bedeutsamer sind diese Erkenntnisse, als Schmerz ein wichtiges gesundheitliches Problem darstellt, welches neben dem subjektiven Leidensaspekt eine erhebliche sozioökonomische Bedeutung impliziert [4].

Arztbezogene Gründe für diese Unterbehandlung liegen u. a. in einer mangelhaften Schmerzdiagnostik, in Vorbehalten und Ängsten bzgl. Nebenwirkungen von Analgetika oder (kosten-)regulativen Bestimmungen [5].

Umso unverständlicher ist vor diesem Hintergrund, dass Schmerztherapie in der Approbationsordnung immer noch keine Rolle spielt und somit Studenten und junge Ärzte in der Weiterbildung Schmerztherapie eigentlich nur im Selbststudium wirklich kontrolliert erlernen können. Geradezu symptomatisch für die Ausbildungsmisere sind die Kenntnisse approbierter Ärzte, die im Rahmen von Notarztweiterbildungen befragt wurden [6].

Geradezu gegensätzlich verhält sich die Tatsache, dass Schmerztherapie an deutschen Universitäten offiziell weder Lehrgegenstand, geschweige denn Prüfungsfach ist. Obwohl doch jeder ehemals selbst Studierende weiß, dass in aller Regel nur das ernsthaft gepaukt, was auch geprüft wird. Angesichts des interdisziplinären Charakters der Schmerztherapie wäre ein geregelter Ausbildungsgang, z. B. als Querschnittsbereich, einfach umzusetzen gewesen. Diese Chance wurde am 10. Juli 2009 vertan, als der Gesetzgeber in der Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung die Schmerztherapie bzw. -medizin nicht in den Katalog der obligaten Prüfungsinhalte aufnahm, obwohl dies für die Palliativmedizin als Ziffer 13 gelang. Glücklicherweise führte dies nicht zu einer Polarisierung dieser beiden Fachgebiete, zumal die vertretenden Fachgesellschaften einen freundschaftlichen und transparenten Umgang pflegen und häufig Schmerztherapeuten die Weiterbildung Palliativmedizin aufweisen und vice versa [7].

Wie kann man das Ausbildungsproblem in der Schmerztherapie konstruktiv lösen? In Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften hat die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) ein Lehrcurriculum entwickelt. Dieses hat Lehrpläne der International Association for the Study of Pain (IASP), der European Federation of ISAP Chapters (EFIC) bzw. eines kanadischen Curriculums nach Aspekten der praktischen Umsetzbarkeit neu geordnet. Es sieht 14 Unterrichtseinheiten vor, die variabel nach den Bedürfnissen vor Ort modifiziert oder ergänzt werden können. Nach Vorstellung an den 33 deutschen Lehrstätten wurde es bislang an 19 in die Lehre eingeführt, wovon 5 Dozentenschulungen durchführen [8].

Somit sind wir thematisch bei der aktuellen Publikation von Kirsten Gehlhar, Diethard Tauschel, Eberhard Albert Lux und Uwe Junker, die in ihrer Untersuchung die Umsetzung des DGSS-Kerncurriculums in Form einer Blockveranstaltung an der Universität Witten/Herdecke evaluiert haben. Diese Schmerzwoche beinhaltete die Aufarbeitung der DGSS-Lernziele in Form von Seminarveranstaltungen und praxisorientierter Kleingruppenarbeit im Klinikbereich. Die Autoren konnten zeigen, dass diese curriculare Lehrveranstaltung zu einem signifikanten Wissenszuwachs mit Relevanz für die spätere Berufsausübung führt. Wesentlich für den Lern- und Lehrerfolg war die enge Verzahnung von theoretischem Unterricht mit „bedside teaching“ in den beteiligten Einrichtungen.

Somit weisen die Autoren einen Weg auf, wie man trotz politischer Versäumnisse einen pragmatischen Weg zur Verbesserung der Lehre finden kann.

Diese Erkenntnis steht im Einklang mit einer 2005 publizierten Münsteraner Umfrage unter Studierenden, die die fakultative Vorlesung „Der Schmerz“ besucht hatten. Hier konnte u. a. gezeigt werden, dass diese Aktivität sowohl im weiteren Studium als auch im Verlauf der späteren ärztlichen Berufstätigkeit zu einer stärkeren Beschäftigung mit schmerztherapeutischen Fragestellungen führen kann. Anderseits beurteilten die Autoren die Curricula der IASP und der EFIC als zu umfangreich und als zu theoretisch [9].

Hieß es 2005 noch,

„fakultative Lehrveranstaltungen zur Schmerztherapie sollten die ermittelten Wünsche der Studierenden in der Themenauswahl und den didaktischen Methoden berücksichtigen“,

so sollte die Botschaft 2011 lauten: Aufnahme der Schmerzmedizin in den Katalog der obligaten Prüfungsinhalte der Approbationsordnung, gleichberechtigt oder in Kooperation mit der Palliativmedizin.

U. Junker

S. Wirz