Zusammenfassung
Hintergrund
Aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Auswirkungen werden Männer zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, Pflege und Beruf zu vereinbaren. Statistische Daten bestätigen, dass der Anteil häuslich pflegender Männer zunimmt. Sie bewegen sich durch die Pflegeübernahme in einer weiblich konnotierten Sphäre, die für sie eher ungewohnt ist. Welche Handlungsstrategien sie dabei nutzen, ist bisher ein rudimentär bearbeitetes Forschungsfeld.
Ziel der Arbeit und Fragestellung
Die Studie verfolgt das Ziel, zu einer differenzierten Betrachtungsweise männlichen Pflegeverhaltens beizutragen. Die Teilauswertung befasst sich mit der Fragestellung, wie berufstätige Männer ihre Pflegearrangements gestalten und welches Pflegeverhalten sie aufweisen.
Material und Methode
Basis der vorliegenden Teilauswertung sind 18 biografisch-narrative Interviews mit berufstätigen, häuslich pflegenden Männern. Die Interviews wurden anhand der Theoretical-Sampling-Strategie eingebunden und mithilfe eines typologischen Verfahrens in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
Aus dem Datenmaterial wurde eine Typologie zur Pflegetätigkeit häuslich pflegender Männer entwickelt. Die Ergebnisse indizieren, dass sich das Pflegeverhalten erwerbstätiger Männer bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wesentlich heterogener gestaltet, als in bisherigen Studien konstatiert. Die Spannbreite variiert von der Erhaltung der bisherigen Lebensgestaltung und Wahrung der Distanz zur Pflegesituation bis hin zu einer kompletten Veränderung der beruflichen und privaten Sphäre.
Abstract
Background
Due to demographic changes and the associated consequences, men are increasingly being confronted with the challenge to reconcile caregiving and profession. Statistical data confirm that the proportion of male caregivers is continuously increasing. These men operate in a field of specifically female connotation, with which they are not too familiar. The investigation of action strategies of male caregivers has long been neglected in scientific research.
Objective
This study aimed to provide a differentiated approach to a male caregiving behavior. This part of the evaluation deals with the research question: how do working men organize their caregiving arrangements and which caregiving behavior do they exhibit?
Material and methods
The analysis is based on 18 biographical narrative interviews with professionally employed men with domestic caregiving duties. The interviewees were chosen by a theoretical sampling strategy and evaluated via typological processing in accordance with the qualitative content analysis.
Results and conclusion
Based on the empirical data material, a typology of the domestic caregiving work of men has been developed. The results indicate that the caregiving behavior of employed men dealing with reconciliation of caregiving and occupation is far more heterogeneous than indicated by previous studies. The extent ranges from maintenance of the previous way of life and self-distancing from the caregiving situation to a complete change in the professional and private life.
Notes
Die Bezeichnung „männlich“ wird im Sinne des Konzeptes von „Doing Gender“ nach West und Zimmermann (1987) [24] verstanden, in dem Geschlecht sozial konstruiert bzw. erzeugt und in zwischenmenschlichen Interaktionen hergestellt wird. Auch der Begriff „Produzentenstolz“ ist im Rahmen dieses Ansatzes zu verstehen.
In der Gesamtstudie werden gendertheoretische Erklärungsansätze zu dem Pflegeverhalten häuslich pflegender Männer im erwerbsfähigen Alter diskutiert.
Die Gesamtstudie bezieht biografische Aspekte, beispielsweise die biografische Beziehung zur gepflegten Person, Motive und biographische Faktoren der Pflegeübernahme mit ein.
Typ 4 beinhaltet in der Gesamtauswertung insgesamt 2 pflegende Männer: einen Erwerbstätigen, der in dieser Teilauswertung behandelt wird, und einen Nichterwerbstätigen.
Die Bezeichnung „männlich“ wird im Sinne des Konzeptes von „Doing Gender“ nach West und Zimmermann (1987) [24] verstanden, in dem Geschlecht sozial konstruiert bzw. erzeugt und in zwischenmenschlichen Interaktionen hergestellt wird. Auch der Begriff „Produzentenstolz“ ist im Rahmen dieses Ansatzes zu verstehen.
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Interessenkonflikt
E.C. Dosch gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Studie wurde im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt. Von allen beteiligten Personen liegt eine Einverständniserklärung vor und die Interviews wurden anonymisiert.
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Der Titel des vorliegenden Beitrags wurde in Anlehnung an das Lied „Neue Männer braucht das Land“ von Ina Deter aus dem Jahr 1982 gewählt.
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Dosch, E.C. „Neue Männer hat das Land“. Z Gerontol Geriat 49, 679–684 (2016). https://doi.org/10.1007/s00391-016-1145-7
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