Die „alternde Gesellschaft“ ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Gegenstand öffentlichen Interesses geworden – und damit auch zu einem beliebten Bezugspunkt politischer Kontroversen. Malen die einen die Folgen der mit dem demographischen Wandel eintretenden „Überalterung“ der Gesellschaft in den düstersten Farben aus, entdecken die anderen ungeahnte „Potenziale“ des Alters und knüpfen daran intensive Bemühungen um die gesellschaftliche Verbreitung eines positiven Altersbildes. Beide Positionen treffen sich allerdings in gewisser Weise dort, wo sie der auch in fachwissenschaftlichen Debatten gängigen „Zweiteilung“ des Alters das Wort reden (oder jedenfalls nicht widersprechen). Die wissenschaftliche Unterscheidung eines auf Kindes- bzw. Jugend- und Erwachsenen- bzw. Erwerbstätigenalter folgenden „dritten“ und „vierten“ Lebensalters scheint auch im gesellschaftlichen Alltagswissen fest verankert zu sein: Da stehen auf der einen Seite die gesunden, mobilen und aktiven, auf der anderen die gebrechlichen, hilfsbedürftigen und leidenden Alten. Und während die (eigentlich) „jungen“ Alten symbolisch dafür stehen, wie sich die alternde Gesellschaft womöglich doch noch am eigenen Schopf aus dem demographischen Sumpf ziehen könnte, dienen die (wirklich) „alten“ Alten als Projektionsfläche persönlicher wie gesamtgesellschaftlicher Alternsängste gleichermaßen.

So plausibel eine solch skizzenhafte Darstellung der altersbezogenen Selbstdeutungen (in) einer alternden Gesellschaft auf Anhieb auch erscheinen mag: Ob sich entsprechende Unterscheidungen, Zuschreibungen und Orientierungen auch empirisch finden lassen und alltagspraktisch bestätigen, ist eine weitgehend offene Frage. Nehmen die Menschen tatsächlich eine eindeutige Trennung von „zweitem“, „drittem“ und „viertem“ Lebensalter vor – für sich selbst und/oder für andere? Gibt es in den Konstruktionen und Rekonstruktionen individueller Lebensläufe identifizierbare, klar konturierte Übergänge von der Erwerbsphase in den Ruhestand, vom Nacherwerbsleben in die Höchstaltrigkeit? Welche Auswirkungen hat die Existenz – oder aber Abwesenheit – solcher Übergangserfahrungen und -erwartungen auf die subjektiven Deutungen des Älterwerdens, auf die individuelle Lebensgestaltung im Alter, auf persönliche Lebenspläne und Lebenszufriedenheit?

Das in den vergangenen 3 Jahren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Fachhochschule St. Gallen durchgeführte Forschungsprojekt „Zonen des Übergangs – Dimensionen und Deutungsmuster des Alterns bei jungen, älteren und alten Menschen“ hat aus interdisziplinärer Perspektive nach Antworten auf diese Fragen gesucht. Die auf einem multimethodischen – quantitativen wie qualitativen – Design beruhende Befragung von Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu ihren subjektiven Alters- und Altersübergangsbildern war dabei von zwei leitenden Annahmen getragen: Zum einen erwarteten wir, statt eindeutiger, ereignisbezogener Abgrenzungen aufeinanderfolgender Lebensalter eher amorph anmutende und prozesshaft bestimmte lebenszeitliche „Zonen“ des Altersübergangs ausmachen zu können. Zum anderen gingen wir davon aus, dass im Zuge der Pluralisierung von Lebensformen und Lebensführungsmustern sich auch die Übergänge vom „zweiten“ ins „dritte“ und sodann ins „vierte“ Lebensalter ausdifferenzieren. Nicht nur die gewissermaßen klassischen Dimensionen der Erwerbsarbeit einerseits, der Gesundheit (bzw. Pflegebedürftigkeit) andererseits, sondern auch weitere und weiter gespannte Lebensbereiche wie Engagement und Konsum, Wohnen und soziale Netzwerke würden demnach inhaltlich differente „Altersübergangszonen“ im späteren Leben markieren.

In 4 Beiträgen geben wir einen Überblick über die – komplementär zu verstehenden – Befunde zu den subjektiven Wahrnehmungen von Altersübergängen, die im Rahmen des Projekts aus soziologischer und erziehungswissenschaftlicher, psychologischer und psychosozialer Perspektive gewonnen wurden.

Dabei zeigt sich zum einen, dass sich durchaus lebensbereichsspezifische Altersbilder und -stereotype nachweisen und voneinander abgrenzen lassen. Im Zuge eines schleichenden Internalisierungsprozesses prägen diese allgemeinen altersbezogenen Erwartungen wiederum persönliche Vorstellungen des eigenen Alters und Alterns. Hierüber vermittelt zeigen sich auch Einflüsse auf das Selbstkonzept älterer Menschen, auf ihre altersbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen (etwa in Bezug auf Vorsorgehandeln) sowie auf ihre Lebenszufriedenheit in den einzelnen Bereichen (s. Beitrag von Kornadt u. Rothermund). Zum anderen lässt sich aber auch konstatieren, dass die Selbstwahrnehmung als „alter“ Mensch im individuellen Lebensverlauf tendenziell in die Zukunft projiziert und somit konsequent „vertagt“ wird. Übergangsartige Erfahrungen der Veränderung von Lebensumständen und Gestaltungsmöglichkeiten werden in diesem Sinne in die Selbstbeschreibung eines verlängerten Erwachsenen(da)seins integriert – und von den Befragten explizit nicht als Altersphänomene eingeordnet (s. Beitrag von Graefe et al.). In diesem Zusammenhang erweist sich die spezifische Erfahrungsdimension des Wohnens als aufschlussreich: Auch hier wird der Übergang ins Alter konsequent in die Zukunft verlagert, indem er mit dem „irgendwann“ drohenden Umzug aus den eigenen vier Wänden in die Unbehaustheit des Alten(pflege)heims in Verbindung gebracht wird – ein prospektives Ereignis, dem allerdings durch bestimmte Formen des „Wohnhandelns“ zumindest subjektiv vorgebeugt werden kann (s. Beitrag von Hochheim u. Otto). Aus Sicht der psychosozialen Medizin spielt gerade der Übergang in die Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit – und dessen Bewältigung – eine zentrale Rolle für das emotionale Wohlbefinden älterer Menschen. Die Möglichkeiten und Grenzen einer erfolgreichen Lebensgestaltung im hohen Alter, insbesondere hinsichtlich der dabei auftretenden Autonomieverluste, wurden im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprojektes mit Blick auf die Bewältigungsdisposition der Resilienz untersucht (s. Beitrag von Leppert u. Strauß).

Wir möchten an dieser Stelle Herausgeber(inne)n und Redaktion der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie für die Möglichkeit danken, unsere Ergebnisse einem breiten alter(n)swissenschaftlichen Fachpublikum präsentieren zu können. Unser Dank gilt dabei insbesondere Clemens Tesch-Römer für seine hilfreichen kritischen Kommentare zu einer ersten Fassung der hier publizierten Beiträge. Die Forschungen unserer Arbeitsgruppe wurden durch die VolkswagenStiftung im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms „Individuelle und gesellschaftliche Perspektiven des Alterns“ gefördert.