Mittlerweile dürften jedem Ophthalmologen die wissenschaftlichen Hintergründe des trockenen Auges bekannt sein. Bei der unter dem Begriff „trockenes Auge“ zusammengefassten multifaktoriellen Erkrankung der Augenoberfläche hat sich zur Vereinfachung die Einteilung entsprechend den beiden Hauptfaktoren bewährt [1]: einerseits die seltenere, hypovolämische Form mit einem quantitativen Tränenmangel infolge verminderter Produktion der wässrig muzinösen Tränenbestandteile, d. h. ein mehr oder weniger „absolut“ trockenes Auge; andererseits die in der Praxis häufigste Form, das (hyper)evaporative trockene Auge mit einer (ggf. exzessiv) gesteigerten Tränenflüssigkeitssekretion infolge erhöhter Tränenfilmverdunstung, also dem „wässrigen trockenen Auge“. Übereinstimmend wird in der internationalen Literatur von der herausragenden Häufigkeit von 75–87 % des hyperevaporativen trockenen Auges berichtet [8, 9, 24].

Volumenersatz oder Lipidsubstitution?

Die Lipidschicht des Tränenfilms ist der wichtigste Verdunstungsschutz für die Tränenflüssigkeit. Während unter normalen Bedingungen ca. 40 % der Tränenflüssigkeit durch Verdunstung verloren gehen, kann dieser Wert beim evaporativ „wässrigen“ trockenen Auge auf über 98 % ansteigen [14]. Dies manifestiert sich klinisch durch eine erheblich verkürzte Tränenfilmaufrisszeit („break up time“, BUT).

Tränenersatzpräparate auf der Basis von Hyaluronsäure (Natriumhyaluronat) sind seit Langem Bestandteil der Therapie beim trockenen Auge, wobei ihr Stellenwert besonders beim „absolut“ trockenen, hypovolämischen Auge liegt, wo der quantitative Tränenersatz im Vordergrund steht.

Die Verwendung von Hyaluronsäure-Tränenersatzmitteln speziell bei der evaporativ wässrigen Form des trockenen Auges ist nicht zweckmäßig: Es liegt ein qualitativer Mangel der Lipidschicht vor, der durch den quantitativen Ersatz der wässrigen Phase durch Hyaluronsäure nicht ausgeglichen wird.

Beim hyperevaporativen, „wässrigen“ trockenen Auge ist zur nachhaltigen Therapie die Stabilisierung der Lipidschicht wichtig.

Besonders anwendungsfreundlich ist ein Augenspray auf Basis von Phospholipid-Liposomen (Tears Again, Optima GmbH, Deutschland), das auf die geschlossenen Augenlider appliziert wird. Der Nachweis der grundsätzlichen Wirksamkeit des Therapieprinzips des Phospholipid-Liposomen-Augensprays wurde bereits überzeugend erbracht [13].

Um ein Verständnis des Therapieprinzips mit Phospholipid-Liposomen zu entwickeln, lohnt sich zunächst ein genauer Blick auf die Struktur und Zusammensetzung der Lipidphase: Nach dem heutigen Verständnis ist die Lipidphase als äußerste Schicht des Tränenfilms selbst zweigeteilt [15]. Der äußere Teil besteht aus langkettigen Neutralfetten/-ölen, während der innere Teil aus polaren Lipiden (vor allem Phospholipiden) gebildet ist und durch weitere Bestandteile des Tränenfilms ergänzt wird, wie z. B. durch verschiedene Proteine.

Den Phospholipiden als wichtigster Fraktion der polaren Lipiden kommt eine ganz besondere Bedeutung für die Stabilität der Lipidphase und somit des gesamten Tränenfilms zu. Zum einen senken die Phospholipide die Oberflächenspannung und begünstigen dadurch die Benetzung der Augenoberfläche bzw. der Kontaktlinsenoberfläche mit der Tränenflüssigkeit. Zum anderen haben die Phospholipide sowohl einen hydro- als auch einen lipophilen Bestandteil, sodass sie sich auf der Tränenflüssigkeit ausbreiten und dadurch eine Grundlage für die Neutralfette/-öle bilden.

Neutralfette/-öle und Wasser stoßen sich bekanntlich voneinander ab und bilden bei Aufeinandertreffen die kleinstmögliche gemeinsame Fläche. Nur aufgrund der Phospholipide ist es im Tränenfilm möglich, dass sich die Neutralfette/-öle überhaupt auf der Tränenflüssigkeit gleichmäßig ausbreiten [15].

Das Phospholipid-Liposomen-Augenspray ist erste Wahl bei verkürzter Tränenfilmaufrisszeit

Das Phospholipid-Liposomen-Augenspray ist heute als fester Bestandteil der Sicca-Therapie etabliert [10, 25] und wird als erste Wahl bei verkürzter Tränenfilmaufrisszeit empfohlen [3]. Dazu beigetragen hat u. a. eine randomisierte prospektive Vergleichsstudie des Phospholipid-Liposomen-Augensprays (Tears Again, Optima GmbH) mit einem hyaluronsäurehaltigen Tränenersatzmittel (Vis-med light, 0,1 % Hyaluronsäure, TRB Chemedica AG), in der sich ein deutlicher Vorteil für die Phospholipide in Form des Augensprays ergab – sowohl nach objektiven Kriterien als auch nach der subjektiven Beurteilung der Patienten [12]. In diese bizentrische Studie wurden insgesamt 216 Patienten mit evaporativem trockenem Auge eingeschlossen. Von den eingeschlossenen Patienten waren 167 weiblich und 49 männlich. Hinsichtlich der Altersstruktur waren beide Geschlechter gleichermaßen repräsentiert. Die Patienten wurden randomisiert in 2 Behandlungsgruppen aufgeteilt und entweder mit dem Hyaluronsäure-Tränenersatzmittel oder dem Phospholipid-Liposomen-Augenspray jeweils über 3 Monate behandelt mit täglich mindestens 3-maliger Applikation entsprechend den Herstellerempfehlungen. Die Untersuchungen wurden zu Beginn der Studie (vor Wirkstoffgabe) sowie 4 und 12 Wochen nach Behandlungsbeginn durchgeführt und erfassten objektive Parameter (lidkantenparallele konjunktivale Falten, nichtinvasive Tränenfilmaufrisszeit, Schirmer-Test, Inspektion der Lider hinsichtlich Entzündungen) und die subjektive Patientenbeurteilung mittels Fragebogen. Hinsichtlich des Lidkantenentzündungsgrades hatte die Augenspraygruppe bereits 4 Wochen nach Behandlungsbeginn einen 3-mal stärkeren Rückgang der Entzündung (p < 0,002), der auch nach 12 Wochen immer noch doppelt so groß war wie bei der Tränenersatzmittelgruppe. In Bezug auf die Tränenfilmaufreißzeit (NIBUT) unterschieden sich die Ergebnisse beider Gruppen im Gesamtverlauf hoch signifikant voneinander (p < 0,003): Die Tränenfilmaufrisszeit verlängerte sich in der Augenspraygruppe um mehr als das Doppelte im Vergleich zur Tränenersatzmittelgruppe.

Diese objektiven Ergebnisse spiegelten sich auch in der subjektiven Beurteilung durch die Patienten mittels Schulnoten wider: Die Augenspraygruppe bewertete im Durchschnitt die Verträglichkeit mit einer Note von 1,7 („gut“) und die Wirksamkeit der Therapie mit der Note 2,1 („gut“). Die Hyaluronsäure-Therapiegruppe bewertete hingegen die Verträglichkeit im Durchschnitt mit der Note 2,6 („befriedigend“) und die Wirksamkeit mit 3,0 („befriedigend“).

Der beobachtete deskriptive Unterschied war statistisch signifikant: Die Wirksamkeit und die Verträglichkeit des Augensprays wurden signifikant besser eingeschätzt im Vergleich zur Therapie mit dem Hyaluronsäure-Tränenersatzmittel. Die Autoren leiteten daraus ab, dass das Phospholipid-Liposomen-Augenspray geeignet ist, der Tränenfilminstabilität als einem der zentralen Problemkreise der Tränenfilmdysfunktion zu begegnen [12]. Durch die erzielte Normalisierung der Tränenfilmstabilität kann auch die exzessive Verdunstung wieder auf Normalwerte geführt werden, sodass sich langfristig das gesamte System des natürlichen Tränenfilms regenerieren kann.

Festgehalten werden kann:

  • Die Verwendung des Augensprays sollte beim evaporativ wässrigen trockenen Auge als erste Wahl erfolgen.

  • Wenn die evaporative Form und quantitativer Tränenflüssigkeitsmangel zusammen auftreten (so z. B. beim Sjögren-Syndrom) ist die Therapiekombination bestehend aus einem konventionellen Tränenersatzmittel und dem Phospholipid-Liposomen-Augenspray als therapeutischer „Goldstandard“ zu empfehlen.

Besonderheiten bei Kontaktlinsenträgern

Symptome des trockenen Auges treten bei ca. 50 % der Kontaktlinsenträger auf [1]. Diese typischen Beschwerden sind der Hauptgrund für Kontaktlinsenunverträglichkeiten, die langfristig häufig zum Ausstieg aus der Kontaktlinsenanwendung führen [20]. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Kontaktlinsenträger die Symptome des trockenen Auges auftreten, ist 12-mal höher als bei Nichtanwendern [17].

Zahlreiche Studien wurden bisher bereits veröffentlicht [18, 22], die sich mit den Ursachen für diese Beschwerden beschäftigten und die Besonderheiten des trockenen Auges bei Kontaktlinsenträgern unterstrichen: Im Gegensatz zu den aus der augenärztlichen Praxis wohl bekannten ‚‚altersassoziierten’‘ Sicca-Beschwerden sind die Kontaktlinsenträger mit trockenem Auge wesentlich jünger, zeigen keine Geschlechterpräferenz und beklagen ihre Beschwerden fast ausschließlich nach (längerem) Kontaktlinsentragen.

Hervorhebenswert ist eine Therapiestudie von Bischoff et al. [4], bei der ausschließlich für Sicca-Beschwerden symptomatische Kontaktlinsenträger mittels des Phospholipid-Augensprays behandelt wurden. Bei der Erstuntersuchung sowie der Kontrolluntersuchung nach 6 Wochen erfolgte u. a. die Messung der Tränenosmolarität mithilfe des TearLabTM (bon Optic GmbH, Lübeck). Der vom internationalen Dry Eye WorkShop empfohlenen Messung der Tränenosmolarität wird ein hoher Stellenwert eingeräumt und gelegentlich schon als möglicher neuer Goldstandard bezeichnet [16]. Die Messung der Osmolarität ergab, dass zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung eine durchschnittliche Osmolarität von 325,92 mOsmol/l vorlag (SD = 24.435). Normwerte für die Tränenfilmosmolarität werden in der Literatur im Bereich von 300–315 mOsmol/l angegeben.

Bei symptomatischen Kontaktlinsenträgern konnte eine Hyperosmolarität des Tränenfilms nachgewiesen werden.

Als zugrunde liegender Pathomechanismus wird in der Literatur eine multifaktorielle Genese des kontaktlinsenassoziierten trockenen Auges vermutet: Neben den bereits bekannten Faktoren wie dem Sauerstoffmangel infolge von Kontaktlinsenmaterialien mit relativ geringer Sauerstoffdurchlässigkeit [6, 19, 21, 23] und der Dehydratisierung der Augenoberfläche durch hydrophile Kontaktlinsenmaterialien spielt die mechanische Wirkung der Kontaktlinsen an den Kontaktflächen des Auges eine Rolle. Durch kontaktlinsenbedingte mechanische chronische Irritation der Lidkanten entsteht eine Lidkantenmetaplasie bzw. Schädigung der Meibom-Drüsen. So konnten mittels vergleichender Infrarotaufnahmen bei Kontaktlinsenträgern und einer Kontrollgruppe signifikante morphologische Veränderungen im Bereich der Meibom-Drüsen bei den untersuchten Kontaktlinsenträgern nachgewiesen werden [2]. Die Veränderungen, d. h. vor allem eine Verkürzung der Meibom-Drüsen an den Oberlidern, nahmen mit der Dauer der Kontaktlinsenanwendung zu.

Für diese Hypothese spricht auch, dass vor allem langjährige Kontaktlinsenträger über ein zunehmendes Trockenheitsgefühl klagen und dieses Trockenheitsgefühl auch nach Abbruch der Kontaktlinsenanwendung häufig anhält und weiterhin therapiert werden muss. Andererseits berichten auch solche Kontaktlinsenanwender früher über Trockenheitsbeschwerden, die ihre Kontaktlinsen täglich über 6 h ununterbrochen tragen: Neben dem dann ggf. vorliegenden relativen kornealen Sauerstoffmangel kann wiederum ein kontaktlinsenbedingter mechanischer Metaplasiereiz an den Lidkanten in Kombination mit einer durch die lange tägliche Tragezeit bedingten verkürzten Regenerierungsphase der Lidkantenepithelien zu entsprechend protrahierten Umbauvorgängen und schließlich einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion führen.

Therapie des trockenen Auges bei Kontaktlinsenträgern

Bei Kontaktlinsenträgern mit Beschwerden des trockenen Auges liegt mehrheitlich eine gestörte Meibom-Drüsen-Funktion vor, die eine Verminderung der Lipidphase des Tränenfilms zur Folge hat [1]. Die damit assoziierte, erheblich erhöhte Verdunstung der wässrigen Tränenfilmteile bedingt die messbare Hyperosmolarität des zurückbleibenden ‚‚denaturierten’‘ Tränenfilms. Eine konsekutive inflammatorische Reaktion der Augenoberfläche kann dann zum bekannten Circulus vitiosus des trockenen Auges führen [1].

Die bisher gängige Therapiepraxis, Kontaktlinsenträger mit Sicca-Beschwerden einseitig mit Hyaluronsäure-Tränenersatzmitteln zu behandeln, ist fragwürdig. Unsere klinischen Erfahrungen zeigen, dass diese Therapieansätze die Beschwerden oftmals nur kurzfristig lindern. So hält z. B. die Verbesserung der Tränenfilmaufrisszeit nach der Verwendung von wässrigen Tränenersatzmitteln bei Kontaktlinsenträgern weniger als 5 min an [7].

Über die Behandlung des kontaktlinsenbedingten trockenen Auges mit dem Phospholipid-Liposomen-Augenspray wurden verschiedene Studienergebnisse veröffentlicht, die Vorteile dieser Therapieoption im Vergleich mit herkömmlichen Tränenersatzmitteln zeigen [10, 11]. Auch bei Kontaktlinsenträgern wurde festgestellt, dass die exogene Substitution von Phospholipidliposomen mittels eines Augensprays zu signifikanter Verbesserung der Lipidschicht und signifikanter Verbesserung der Tränenfilmstabilität führt [5].

Schlussfolgerung

Die eigentlich für die Differenzierung der beiden Hauptkategorien des trockenen Auges (einerseits quantitatives Tränenmangelsyndrom, andererseits qualitatives hyperevaporatives Tränenfilmsyndrom) notwendigen umfangreichen Untersuchungen sind zeitaufwendig und damit kostenintensiv. Sie werden von den Krankenkassen unzureichend honoriert und sind zum Teil auch für die Patienten unangenehm. Aus den genannten Gründen wird man sich in der Realität auf die Anamnese und z. B. eine Inspektion der Augenoberfläche und Lidränder mit der Spaltlampe beschränken müssen, bei der man sich auch einen Eindruck von der Tränenfilmaufrisszeit verschaffen kann.

Folgende Vorgehensweise kann bei der Behandlung empfohlen werden:

  • Um der Dehydrierung durch das Kontaktlinsenmaterial vorzubeugen, sind phosphatfreie, unkonservierte wässrige Tränenersatzmittel sinnvoll.

  • Wird eine verkürzte Tränenfilmaufrisszeit festgestellt, so ist bei der Therapie eine zusätzliche Supplementierung der Lipide (z. B. mit Phospholipid-Augenspray) erforderlich.

  • Im Falle einer assoziierten Blepharitis ist die zusätzliche regelmäßige Lidrandhygiene mit einer phospholiposomalen Reinigungslösung therapeutisch sinnvoll und der Lidrandreinigung mit Babyshampoo überlegen [11].

  • Bei stärkeren Verlaufsformen kann schließlich für die Nacht eine zusätzliche Salbe oder ein Augengel hilfreich sein.

Die beschriebene Kombinationstherapie bietet die Sicherheit, beide Aspekte – exzessive Verdunstung und Flüssigkeitsmangel – adäquat zu behandeln. Die scheinbar höhere Kostenbelastung für den Patienten relativiert sich innerhalb der Therapie schnell durch den Umstand, dass der Patient die einzelnen Produkte insgesamt sparsamer anwendet und damit auch länger mit einer Packung auskommt, was dem Patienten eingangs erläutert werden sollte.

Die tatsächliche Gewichtung der beiden Präparate innerhalb der Therapie wird sich in jedem Einzelfall automatisch nach dem persönlichen Empfinden und – unbewusst – auch nach dem Umstand ausrichten, welche der beiden Formen konkret im Vordergrund steht.

Fazit für die Praxis

  • Bei Kontaktlinsenträgern mit Beschwerden des trockenen Auges liegt mehrheitlich eine gestörte Meibom-Drüsen-Funktion vor, die eine Verminderung der Lipidphase des Tränenfilms zur Folge hat.

  • Um der Dehydrierung durch das Kontaktlinsenmaterial vorzubeugen, sind phosphatfreie, unkonservierte wässrige Tränenersatzmittel sinnvoll.

  • Wird eine verkürzte Tränenfilmaufrisszeit festgestellt, so ist bei der Therapie die Supplementierung der Lipide erforderlich.

  • Im Falle einer assoziierten Blepharitis ist die zusätzliche regelmäßige Lidrandhygiene mit einer phospholiposomalen Reinigungslösung therapeutisch sinnvoll.