Die gesetzliche Anerkennung der klinischen Obduktion als Qualitätssicherungsmaßnahme im Krankenhausstrukturgesetz 2016 und die damit verbundene Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten stellt einen lange erarbeiteten Fortschritt in der klinischen Versorgung dar. Neben der Zufriedenheit über diesen Fortschritt sollte aber nicht vergessen werden, dass die reale Versorgung insbesondere von Krebspatienten in den letzten Jahren zunehmend von sog. untergesetzlichen Regularien (also Festlegungen der Selbstverwaltung oder von Dachgesellschaften unterhalb der Bundes- und Landesgesetzgebung) gesteuert wird. Prominentestes Beispiel dafür ist das onkologische Zertifizierungskonzept der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe e. V., die die Versorgungsrealität bei vielen Tumorerkrankungen entscheidend verändert haben. Daneben gibt es weitere Fachgesellschaften, die wirksame strukturelle und prozedurale Vorgaben für die Versorgungsqualität geben. Einen weiteren wichtigen Faktor wird sicherlich der Aufbau flächendeckender klinischer Krebsregister im Rahmen des Krebsfrüherkennungs- und Registergesetzes darstellen. Dieses stellt ausdrücklich die Analyse und die Verbesserung der Qualität der Versorgung in den Mittelpunkt. Es soll in dieser Übersicht geprüft werden, ob in diesen qualitätsorientierten Entwicklungen Raum gegeben ist für eine neu strukturierte klinische Obduktion und welche Maßnahmen evtl. zu ergreifen sind, um der Obduktion wieder einen angemessenen Platz im Qualitätsmanagement zu geben. Nur wenn die Obduktion in die neu entstandenen Strukturen des Qualitätsmanagements eingebunden ist, wird sie langfristig als qualitätssichernde Maßnahme erhalten bleiben.

Frühere Regelungen zur Förderung der Obduktionsfrequenz

Akademische Lehrkrankenhäuser, Tumorzentren und Weiterbildung

In der Approbationsordnung für Ärzte ist im § 4 Abs. 2 neben anderen Strukturvorgaben das Vorhandensein eines „Sektionsraums“ gefordert, nicht die tatsächliche Durchführung von Obduktionen. Nach eigener Wahrnehmung wurden diese Einrichtungen jedoch in den letzten Jahren vielfach abgebaut. Die dadurch bedingte Notwendigkeit der Beauftragung von klinischen Obduktionen an auswärtige pathologische Einrichtungen reduziert zwangsläufig die Obduktionsfrequenz. Auch in der ursprünglichen Definition von Tumorzentren durch das Memorandum der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) aus dem Jahr 1979 wird der klinischen Obduktion Platz eingeräumt und der Befund der Autopsie war in die Basisdokumentation des klinischen Krebsregisters eingebunden [10]. Im aktuellen Memorandum der ADT finden sich diese Hinweise nicht mehr und der fehlende (oder sehr versteckte) Bezug im Basisdatensatz von ADT und der Gesellschaft der Epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID, [1]), der dem aktuellen Krebsregistergesetz (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz, KFRG, [4]) zugrunde liegt, wird unten zu besprechen sein. Ein weiteres förderndes Element für das Verständnis der klinischen Obduktion bei den klinischen Fachvertretern war die empfohlene und geübte Praxis der Absolvierung des Gegenfachs v. a. von jungen Kollegen insbesondere aus den operativen Fächern. Diese Praxis ist verloren gegangen und führt dazu, dass diese später in leitenden Positionen nicht das notwendige Verständnis für den Wert der klinischen Obduktion entfalten.

Zertifizierungsvorgaben der onkologischen Fachgesellschaften

Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) und die Deutsche Krebshilfe e. V. haben in den letzten Jahren ein umfassendes Zertifizierungsprogramm für onkologische Versorgungsstrukturen (Organkrebszentren, onkologische Zentren und Spitzenzentren) aufgelegt, das die Versorgungsrealität entscheidend verändert hat. In aufwändiger interdisziplinärer Arbeit wurden auf der Basis des Leitlinienprogramms Struktur- und Prozessvorgaben erarbeitet, die in regelmäßigen Audits geprüft und dokumentiert werden. Die kontinuierliche Aktualisierung dieser Erhebungsbögen stellt eine beachtenswerte Leistung der Fach- und Dachgesellschaften dar. Dankenswerterweise wurden die Anforderungen für das Querschnittsfach Pathologie in einen „organübergreifenden Erhebungsbogen Pathologie“ [2] zusammengefasst, um zu vermeiden, dass die entsprechenden pathologischen Einrichtungen, die ja in der Regel in mehrere zertifizierte Zentren als Kooperationspartner eingebunden sind, vielfach im Jahr Audits ausgesetzt sind. Dieser Erhebungsbogen gilt für Organkrebszentren und/oder auch für onkologische Zentren und er wird laufend aktualisiert. Die klinische Obduktion wird in einem kleinen Abschnitt erwähnt. Der erste organübergreifende Erhebungsbogen „Pathologie“ wurde 2011 erstellt und sah für die klinische Obduktion vor: „Obduktionen: Innerhalb des OZ muss die uneingeschränkte Möglichkeit zur Durchführung von Obduktionen bestehen. Ein Obduktionsraum ist nachzuweisen.“

In der gegenwärtig gültigen Fassung [3] lautet der Abschnitt Obduktion: „Innerhalb des Zentrums muss die uneingeschränkte Möglichkeit zur Durchführung von Obduktionen bestehen und bei HZ/PZ gefördert werden. Ein Obduktionsraum ist nachzuweisen (ggf. in Kooperation).“ Quantitative Nachweise („Kennzahlbogen“) über die Zahl der durchgeführten Obduktionen werden, im Gegensatz zu anderen qualitätssichernden Maßnahmen, nicht gefordert.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) bietet ein umfassendes Zertifizierungskonzept für onkologische Zentren an. Naturgemäß ist die Pathologie obligates Mitglied des Zentrums und Teilnehmer der Tumorkonferenz, die klinische Obduktion wird nicht erwähnt. Im Kapitel „Dokumentation“ ist ein Abschlussbericht vorgesehen („Abschlussbericht nach dem Tode des Patienten mit Zeitpunkt, Ursache und relevanten Hinweisen“), auch hier ohne Bezug zu einer klinischen Obduktion [5]. Gleiches gilt für die Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie [9].

Ein weiteres Feld, in dem man eine Rolle der klinischen Obduktion erwarten würde, ist die Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz (M + M‑Konferenz). Sie wird in den Erhebungsbögen der DKG auch durchwegs gefordert, in den Lungenkrebs- und Prostatakrebszentren allerdings nur als Morbiditätskonferenz. Die Pathologie ist Teilnehmerin insofern, als sie auch obligate Teilnehmerin der Tumorkonferenz ist (Ausnahme: Hautzentrum). Weitere Erwähnung findet die klinische Obduktion aber auch hier nicht. Dies entspricht aber auch der aktuellen Darstellung der Bundesärztekammer in ihrem Leitfaden Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz, der neben einer umfassenden Literaturrecherche auch die Obduktionskonferenzen der Pathologie als „Bestandteil einer frühen Form der Qualitätssicherung und der Fort- und Weiterbildung in der Medizin vor allem bis in die 1970er-Jahre“ beurteilt, die klinische Obduktion in ihren konkreten Empfehlungen für die qualitätsorientierte M + M‑Konferenz aber nicht dezidiert erwähnt [7].

Klinisches Krebsregister und klinische Obduktion

Durch das KFRG werden zurzeit in allen Bundesländern flächendeckend klinische Krebsregister aufgebaut. Die Anregung zu diesem Prozess erfolgte durch den Nationalen Krebsplan. Die Anschubfinanzierung der Register erfolgt überwiegend durch die Deutsche Krebshilfe e. V., die Dauerfinanzierung des Betriebs durch die privaten und gesetzlichen Krankenkassen. Diese Register werden die Krebspatienten von der Erstdiagnose über die Therapie und Nachsorge bis zur Heilung bzw. dem Tod begleiten. Nach dem zugrunde liegenden Zielepapier des Nationales Krebsplans sollen die Register dazu dienen, Transparenz über die Versorgung zu schaffen für Leistungserbringer, Entscheider und Betroffene [8]. Damit sind sie integraler Teil der Versorgung und sollen deren Verbesserung dienen. Die klinischen Krebsregister sind nur in einem engen Zusammenhang mit den hochwertigen Leitlinien und den Zertifizierungs- und Qualitätsmanagementprozessen (s. oben) zu verstehen und können nur in diesem Zusammenhang Wirkung entfalten.

Den klinischen Krebsregistern zugrunde liegt ein einheitlicher Basisdatensatz [1], der von ADT und GEKID in enger Abstimmung mit den Fachgesellschaften erstellt wurde und kontinuierlich gepflegt wird. Zusätzlich wurden einzelne organspezifische Module erarbeitet, insbesondere um die Dokumentationsarbeit der Versorgungszentren zu unterstützen und Doppeldokumentationen zu vermeiden. Die Intention der Module ist auch, den Basisdatensatz schlank zu halten. Der Datensatz wird gesetzlich wirksam durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger, seine Benutzung ist Voraussetzung für die Förderung der Register durch die Kostenträger. Den Begriff „Obduktion“ findet man unter den Hauptkapiteln, die neben den Patienten- bzw. Melderstammdaten die wichtigsten Tumoreigenschaften und Therapiemodalitäten abgreifen, nicht. Die Autopsie ist lediglich erwähnt bei der Feldbezeichnung „Diagnosesicherung“: Hier bezieht sich der Datensatz auf die ICD-O-3 [6], bei der der Autopsie ohne histologische Untersuchung die Diagnosesicherheit 2, mit histologischer Untersuchung 7, also die höchste Stufe zugeordnet wird. Bei der Feldbezeichnung „Tod“ wird neben dem Sterbedatum auch eingegeben, ob der Tod durch den Tumor verursacht wurde und die Todesursache, nicht jedoch, ob diese Angaben auf einer klinischen Obduktion erfolgten, ja sogar nicht, ob eine solche durchgeführt wurde.

Fazit für die Praxis

  • Die Anerkennung der klinischen Obduktion als Instrument der Qualitätssicherung im Sozialgesetzbuch V stellt einen großen Fortschritt dar. Dieser wird jedoch nur spürbar werden, wenn die klinische Obduktion auch in den untergesetzlichen Instrumenten des Qualitätsmanagements (Zertifizierungsprogramme für Versorgungstrukturen und Zentren) sowie in der klinischen Krebsregistrierung positioniert wird. Dazu ist eine Standardisierung und Verbesserung der Qualität der klinischen Obduktion notwendig.

  • Wesentliche Elemente dafür stellen die regelmäßige Präsentation der Befunde im Kontext mit den klinischen Daten und die zeitnahe und standardisierte Übermittlung der Endbefunde dar.

  • Darüber hinaus ist das Interesse der klinischen Kollegenschaft an der klinischen Obduktion (neu) zu erwecken: Dies kann erfolgen durch stärkere Berücksichtigung im Medizinstudium, aber auch durch Einbringen der Thematik in den Gremien der Bundesärztekammer und den Fortbildungsakademien der Landesärztekammern.