Das hepatozelluläre Karzinom

Das humane hepatozelluläre Karzinom („hepatocellular carcinoma“, HCC) ist weltweit der fünft häufigste maligne Tumor und die dritt häufigste Todesursache bei Krebserkrankungen [21]. Die Zahl der Neuerkrankungen weltweit liegt bei 500.000 bis 1 Mio. pro Jahr. Allein in der Bundesrepublik Deutschland werden in jedem Jahr 4000 bis 6000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Darüber hinaus belegen neueste Studien eine Zunahme der HCC-Inzidenz auch in europäischen Industrienationen und den USA. Die meisten HCC (>80%) treten in Zentralafrika und Südostasien auf, wobei allein in China mehr als 50% aller HCC diagnostiziert werden [11].

Die Hepatokarzinogenese ist ein meist jahrzehntelanger und mehrstufiger Prozess, welcher sich in der Regel auf der Basis einer chronischen Leberschädigung entwickelt (Abb. 1). Die zugrunde liegende Ätiologie ist zumeist bekannt. Hauptrisikofaktoren stellen chronische Infektionen mit Hepatitis-B-Virus (HBV) oder HCV, chronische Alkoholschädigung, Kontaminationen von Lebensmitteln durch Mykotoxine oder hereditäre Stoffwechselerkrankungen dar [11].

Abb. 1
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Schematische Darstellung der humanen Hepatokarzinogenese. Stadien der Karzinogenese, einwirkende Stimuli und zugrunde liegende molekulare Mechanismen

Das HCC ist ein aggressiver maligner Tumor, und unbehandelt oder in inoperablem Zustand ist seine Prognose infaust. Potenziell kurative Therapien sind lediglich die Leberteilresektion und in ausgewählten Fällen die Lebertransplantation. Aufgrund des häufig bereits fortgeschrittenen Tumorstadiums und der hohen Komorbiditätsrate mit gleichzeitig vorliegender Leberinsuffizienz infolge Leberzirrhose sind operative Verfahren jedoch nur bei 5–10% aller HCC-Patienten möglich. Zwischen 1974 und 1996 konnten in den USA sogar nur weniger als 1% der Patienten radikal operiert werden. Die Einjahresüberlebensrate nach Diagnose eines HCC liegt bei 17–44%, die 3-Jahres-Überlebensrate bei 8–17% und die 5-Jahres-Überlebensrate unter 5%.

Palliative Therapien umfassen die ultraschallgesteuerte perkutane Ethanolinjektion, die Radiofrequenz-, die Mikrowellen- und die Laserablation [11].

Zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei vielen Patienten ein fortgeschrittenes Tumorstadium vor, so dass eine Transplantation oder Teilresektion nicht durchgeführt werden kann. Eine wirkungsvolle Chemotherapie des HCC existiert zurzeit nicht, obwohl umfassende Studien die Wirksamkeit verschiedener Substanzen getestet haben. Erste Erfolge konnten jüngst mit dem Multikinaseinhibitor Sorafenib (Nexavar®) erzielt werden. So verlängert die alleinige Behandlung mit Sorafenib das durchschnittliche Überleben von HCC-Patienten um etwa 3 Monate [17].

Somit gehört das HCC zu den aggressiven Malignomen mit ansteigender Inzidenz, weitgehend infauster Prognose und bislang geringen therapeutischen Interventionsmöglichkeiten. Das Ziel klinisch orientierter Forschungsansätze muss es daher sein, die zentralen molekularen Initiations- und Progressionsmechanismen der Hepatokarzinogenese zu charakterisieren und neue therapeutische Zielstrukturen zu definieren.

Wachstumsfaktor-Signalwege im HCC

Die Dysregulationen von Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren haben einen zentralen Einfluss auf die Progression des HCC. Wachstumsfaktor-Signalwege regulieren über eine para- und autokrine Aktivierung der entsprechenden Signalkaskaden Proliferation, Neoangiogenese, Motilität sowie Chemosensitivität von Tumorzellen und stellen somit potenzielle therapeutische Zielstrukturen dar [6]. Zu den wichtigsten alterierten Wachstumsfaktor-Signalwegen in der humanen Hepatokarzinogenese gehören die des „insulin-like growth factor“ (IGF/IGF-1R), des „hepatocyte growth factor“ (HGF/MET), des „wingless“ (WNT/FZD/β-Catenin) sowie des „epidermal growth factor/transforming-growth factor α“ (EGF/TGFα). Bemerkenswert ist, dass die verschiedenen Signalwege auf unterschiedlichen, aber definierten Ebenen aktiviert vorliegen (z. B. Überexpression von Liganden, Rezeptoren oder zytoplasmatischen Signalwegskomponenten; [6]).

Der IGF-Signalweg und seine Dysregulation in der Hepatokarzinogenese

Der IGF-Signalweg vermittelt seine biologischen Effekte durch Ligandenbindung (IGF-I und IGF-II) an die signaltransduzierenden Rezeptoren IGF-1-Rezeptor (IGF-1R) und Insulinrezeptor (IR). Die Bioverfügbarkeit der sezernierten Wachstumsfaktoren wird sowohl durch transkriptionelle Regulation als auch durch Interaktion mit IGF-bindenden Proteinen (IGFBP-1 bis -6) und durch IGF-2R- (Mannose-6-Phosphat-Rezeptor/M6PR-) vermittelte Internalisierung und Degradation moduliert. Nach Bindung der Liganden erfolgt die Konformationsänderung und Autophosphorylierung von IGF-1R/IR sowie die sich anschließende Phosphorylierung/Aktivierung von spezifischen zytoplasmatischen Effektoren wie IR-Substrat (IRS-1, -2 und -3) und Proteinkinase B (PKB/AKT). Die nachfolgende Induktion von IGF-Zielgenen (u. a. p27, Cyclin B und c-MYC) vermittelt sowohl mitogene als auch antiapoptotische Effekte. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Dysregulation von Komponenten des IGF-Signalwegs an der Entstehung und Progression zahlreicher Tumorentitäten beteiligt ist.

Die aberrante Aktivierung des IGF-Signalwegs in der Hepatokarzinogenese beruht vor allem auf einer erhöhten Bioverfügbarkeit von IGF-II. Dieser Ligand liegt in bis zu 40% aller humanen HCC, aber auch in prämalignen Läsionen, HCC-Zelllinien und verschiedenen HCC-Tiermodellen deutlich überexprimiert vor [8, 18, 23]. Diese gesteigerte IGF-II-Expression in HCC-Zellen basiert maßgeblich auf transkriptioneller Aktivierung durch den Verlust des igf-II-Promoter-spezifischen „Imprinting“ [23]. Darüber hinaus kann die Bioverfügbarkeit von IGF-II durch den Funktionsverlust von IGF-2R (z. B. durch verringerte Expression und inaktivierende Mutationen) oder durch die Reduktion der IGFBP-Expression erhöht werden.

Ergebnisse

Analyse der funktionellen Relevanz von IGF-II in HCC-Zellen

Die im Rahmen von umfassenden cDNA-Microarray-Analysen detektierte hohe Expression von IGF-II in primären HCC und den entsprechenden HCC-Modellsystemen wurde mittels „Northern-Blotting“ und semiquantitativer „Real-time-Polymerase-Ketten-Reaktion“ überprüft. Diese molekularbiologischen Analysen belegten, dass alle analysierten HCC-Zelllinien sehr hohe Mengen zweier IGF-II-mRNA-Splice-Varianten (6,0 und 4,8 kB) aufwiesen, wohingegen Tumorzelllinien anderen Ursprungs (z. B. Glioblastom und Mammakarzinom) keine IGF-II-Expression zeigten. Darüber hinaus bestätigte sich die erhöhte Expression von IGF-II in bis zu 40% aller HCC. In gesundem Lebergewebe konnten nur geringe Mengen an IGF-II-mRNA nachgewiesen werden (Daten nicht gezeigt). Unabhängige Studien verdeutlichen aber, dass neben der Überexpression von IGF-II auch andere Komponenten dieses Signalwegs dysreguliert vorliegen können (Tab. 1).

Tab. 1 Dysregulierte Komponenten des IGF-II-Signalwegs im HCC

Für funktionelle Analysen wurde die IGF-II-Expression nach transienter Transfektion mit IGF-II-spezifischer siRNA inhibiert. Die sich anschließende Experimente verdeutlichten, dass diese Inhibierung zu einer signifikanten Reduktion der Tumorzellvitalität führte (Abb. 2 a), was auf die Verringerung der Proliferation (Abb. 2 b) und eine moderate Induktion der Tumorzellapoptose (Abb. 2 c) zurückzuführen war. Die Inhibierung von IGF-1R und IGF-1R/IR führte zu vergleichbaren biologischen Effekten (Abb. 2 a–c). Die siRNA-vermittelte Verringerung der IR-Expression hingegen zeigte keine signifikanten Effekte im Vergleich zu den entsprechenden Kontrollen, obwohl die Funktionalität des IR-Signalwegs in einem unabhängigen Experiment nachgewiesen wurde (Daten nicht gezeigt: Phosphorylierung von AKT nach Insulingabe). Diese Daten deuteten auf eine IR-Unabhängigkeit des IGF-II-Signalwegs in HCC-Zellen hin und wurden durch Analysen des Aktivierungsstatus von typischen IGF-II-Signalwegskomponenten bestätigt. Die Phosphorylierung/Aktivierung von IGF-1R und AKT konnte nach der Inhibierung von IGF-II oder IGF-1R deutlich verringert werden, wohingegen eine Reduktion von IR keine erkennbaren Effekte hervorrief (Daten nicht gezeigt).

Abb. 2
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Funktionelle Effekte der Inhibierung des IGF-II-Signalwegs in HCC-Zellen. Der Einfluss der jeweiligen Inhibierung von IGF-II, IR, IGF-1R und IR/IGF-1R auf a Zellvitalität, b Proliferation und c Apoptose wurde 3 Tage nach Transfektion der genspezifischen siRNAs vorgenommen (Statistik: Mann-Whitney-U-Test; n.s. nicht signifikant, # statistischer Vergleichswert). (Mod. nach [20]; mit freundlicher Genehmigung von John Wiley & Sons)

Darüber hinaus belegten „Time-lapse“-mikroskopische Untersuchungen, dass in den analysierten HCC-Modellsystemen etwa 10% aller Tumorzellen eine Migrationsgeschwindigkeit von ungefähr 6 µm/Stunde aufwiesen (Abb. 3 a). Sowohl die Anzahl migrierender Zellen als auch die Geschwindigkeit der HCC-Zellen verringerte sich signifikant nach IGF-II- (Anzahl: −44%, Geschwindigkeit: −26%) und IGF-1R- (Anzahl: −89%, Geschwindigkeit: −18%) Inhibierung bei gleichzeitiger Stimulation mit HGF. Eine mechanistische und funktionelle Kooperation zwischen dem IGF/IGF-1R- und dem HGF/MET-Signalweg wurde bereits in der Literatur beschrieben [3].

Da HGF ein starker Induktor für die HCC-Zellmigration darstellt, wurde eine potenzielle kooperative Wirkung beider Signalwege hinsichtlich der Regulation von Motilität in einem 2-D-Migrations-Assay untersucht (Scratch-Assay). Die HGF-Stimulation führte zu einer deutlichen Induktion der HCC-Zellmigration, wohingegen die gleichzeitige Inhibierung von IGF-II (−53%) oder IGF-1R (−77%) mit einer signifikanten Verringerung der Motilität assoziiert war (Abb. 3 b). Wie schon für Proliferation und Apoptose beobachtet, übte die IR-Inhibierung in den HCC-Zellen keine signifikanten Effekte hinsichtlich der Tumorzellmotilität aus.

Abb. 3
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Effekte von IGF-II auf die Motilität von HCC-Zellen. a Mithilfe der „Time-lapse“-Mikroskopie wurde die Anzahl motiler HCC-Zellen (Balken) und deren Geschwindigkeit (Kreise) nach Inhibierung von IGF-Signalwegskomponenten gemessen. b „Scratch-Migrations-Assay“. Nach Stimulation der Migration mit HGF wurden die zellfreien Areale vor und nach 18 Stunden digital dokumentiert und ausgewertet. Repräsentative „Scratches“ sind abgebildet (Statistik: Mann-Whitney-U-Test; Balken: 100 µm). (Mod. nach [20], mit freundlicher Genehmigung von John Wiley & Sons)

Inhibierung des IGF-II-Signalwegs mittels selektiver niedermolekularer Substanzen

Die ermittelten funktionellen Resultate nach Inhibierung von IGF-II und IGF-1R verdeutlichten das hohe therapeutische Potenzial dieses Signalwegs bei der Behandlung des HCC. Da jedoch die Applikation genspezifischer siRNA mittelfristig keine therapeutische Anwendbarkeit erreichen wird, stellen hochselektive Tyrosinkinaseinhibitoren eine effektive Möglichkeit dar, die Aktivität von Wachstumsfaktor-Signalwegen zu reduzieren. Nach umfangreicher Testung mehrerer beschriebener IGF-1R-spezifischer Inhibitoren mit unterschiedlichen chemischen Strukturen [z. B. AG1024/I-OMeAG538, Substanzklasse der Tyrphostine; NVP-AEW541, ein Pyrrolo-(2,3-d)pyrimidinderivat], wurde aufgrund der hohen Rezeptorspezifität für weiterführende Analysen die Substanz Picropodophyllin (PPP; Substanzklasse der Cyclolignane) verwendet [12].

Wie erwartet, konnte die IGF-II-Stimulierung von HCC-Zellen mit steigenden PPP-Konzentrationen effizient reduziert werden. Die PPP-vermittelte Inhibierung der IGF-II-abhängigen Signaltransduktion führte konzentrationsabhängig zu einer Reduktion der Tumorzellvitalität, die auf einer Verringerung der Proliferation und der Induktion von Tumorzellapoptosen basierte. Wie für die genspezifische Inhibierung mit siRNA beobachtet, führte auch die Behandlung von HCC-Zellen mit PPP konzentrationsabhängig zu einer signifikanten Reduktion der Motilität nach HGF-Stimulation (Daten nicht gezeigt; [20]).

Um die therapeutische Relevanz der PPP-vermittelten Inhibierung des IGF-II-Signalwegs in einer In-vivo-Situation zu verifizieren, wurde ein Xenograft-Transplantationsmodell verwendet. Hierzu wurden immundefizienten BALB/C-Mäusen HuH-7-Zellen subkutan injiziert und das Wachstum der Tumoren nach PPP-Behandlung bzw. in der Kontrollgruppe (Injektion des Lösungsmittels) täglich dokumentiert. Die intraperitoneale Injektion von PPP führte zu einer signifikanten Reduktion des Tumorwachstums im Vergleich zur Kontrollgruppe (Abb. 4 a–c). Übersichtsfärbungen aller entnommenen Tumorgewebe aus PPP-behandelten Tieren und Kontrolltieren belegten, dass die Masse an vitalem Tumorgewebe nach PPP-Behandlung signifikant reduziert vorlag (Daten nicht gezeigt).

Abb. 4
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Effekte des IGF-1R-Inhibitors PPP auf das Wachstum von Tumorzellen im Xenograft Mausmodell. a Strukturformel von Picropodophyllin (PPP). b Wachstum subkutaner Tumoren nach Injektion von PPP oder der Trägersubstanz. c Vergleichende Darstellung der entnommenen Tumoren aus den Kontrolltieren und PPP-behandelten Tieren. (Mod. nach [20], mit freundlicher Genehmigung von John Wiley & Sons)

Diskussion

Die Überexpression von IGF-II und die autokrine Stimulation von IGF-1R ist ein häufiges protumorigenes Ereignis in der Hepatokarzinogenese. Die Regulation der IGF-II-Überexpression geschieht vorwiegend auf Ebene der Transkription, basierend auf der aberranten Aktivierung der epigenetisch regulierten igf-II-Promotoren P1–P4 [26]. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass in Tumoren die erhöhte Expression von IGF-II mit der Rekonstitution des fetalen Expressionsmusters von IGF-II-Transkripten korreliert, was auf den Verlust des promoterspezifischen „Imprintings“ und der Hypomethylierung entsprechender CpG-Regionen zurückzuführen ist [16].

Neben den Daten zur Expression von IGF-II in HCC-Zelllinien und humanen HCC bestätigen auch zahlreiche unabhängige Tiermodelle die protumorigene Relevanz des IGF-II/IGF-1R-Signalwegs in der Hepatokarzinogenese. So entwickeln IGF-II-exprimierende transgene Mäuse (20- bis 30-fache Überexpression) sehr häufig Lebertumoren. Identische Effekte wurden bei Tieren beobachtet, welche c-MYC und TGF-α exprimieren oder p53-defizient sind und die ebenfalls Lebertumoren entwickeln (zusammengefasst in [7]). In all diesen Modellen waren hohe Konzentrationen von IGF-II nachweisbar. Kreuzungsexperimente verdeutlichten darüber hinaus die Relevanz der IGF-II-Überexpression in der Hepatokarzinogenese: Die Verpaarung IGF-II-defizienter Mäusen mit SV-40T-Ag-transgenen Tieren führte zu einer signifikanten Reduktion der HCC-Frequenz [14]. Letztendlich belegen diese Resultate, dass der IGF-II/IGF-1R-Signalweg in mechanistisch verschiedenen (Hepato-) Karzinogenesemodellen aktiviert vorliegt, was eine zentrale progressionsrelevante Funktion nahelegt.

Die IGF-II-induzierte Rezeptoraktivierung ist komplex; neben IGF-1R wurde auch IR (hier insbesondere die Isoform A, IR-A) als protumorigener Mediator für IGF-II in unterschiedlichen Zelltypen diskutiert [24]. Obwohl eine hochaffine Bindung von IGF-II (aber nicht IGF-I) zu IR-A beschrieben wurde, können IR-B-vermittelte Effekte nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund wurde in dieser Studie die funktionelle Relevanz beider Isoformen in den HCC-Zelllinien analysiert (IR-A: ohne Exon 11; IR-B: mit Exon 11), indem siRNAs verwendet wurden, welche die Transkripte beider Isoformen erkennen. Überraschenderweise führte die effiziente Reduktion von IR nicht zu signifikanten biologischen Effekten in HCC-Zellen. Diese Daten verdeutlichen die IR-Unabhängigkeit der Tumorzellen bei der Induktion IGF-II-abhängiger Effekte. Doch was sind die molekularen Grundlagen dieses beobachteten Phänomens? Die Stimulation mit Insulin führte wie erwartet zur Expression typischer Zielgene, was auf die Integrität des IR-Signalwegs hindeutet. Eine Erklärungsmöglichkeit stellt die differenzielle Expression von IR-interagierenden Proteinen in HCC-Zellen dar. So wird z. B. das Integrin αVβ3, welches phosphoryliertes IR bindet und dessen biologische Aktivität verändert, nur in geringen Mengen in HCC-Zellen exprimiert, während deutliche Mengen in Hepatozyten nachweisbar sind [27].

Neben der funktionellen Relevanz von IGF-II hinsichtlich der Prozesse Proliferation und (Anti-)Apoptose wird auch die HCC-Zellmotilität signifikant stimuliert, was auf eine Rolle dieses Signalwegs bei Invasion und Dissemination der HCC-Zellen schließen lässt. Dies wird durch Daten bestätigt, die zeigen, dass IGF-II in Mamma-, Blasen-, Ovarialkarzinom- und Melanomzellen Migration und Invasivität stimuliert. Die IGF-II-vermittelte Motilität weist jedoch in HCC-Zellen Besonderheiten auf. Ohne eine zusätzliche Stimulation ist die basale Migrationskapazität gering, was darauf hindeutet, dass IGF-II nicht der entscheidende Faktor für die Induktion von Migration und Invasion darstellt. Eigene und fremde Daten belegen jedoch eine synergistische Wirkung der Signalwege IGF-II/IGF-1R und HGF/MET bei der Regulation der Tumorzellmotilität [3]. Tatsächlich interagieren beide Signalwege mit identischen Adapterproteinen (z. B. Gab-1) und aktivieren dieselben Signalkaskaden (z. B. AKT und „mitogen-activated protein kinase“/MAPK; [1]). Die kooperative Aktivität beider Signalwege bei der Aktivierung von „urokinase plasminogen activator“ (uPA)/“uPA receptor“ (uPAR) während der Migration und Invasion von Kolon- und Pankreaskarzinomzellen wurde bereits in der Literatur diskutiert [2, 3]. Der HGF-Rezeptor MET wird nachweislich auf HCC-Zellen exprimiert, wohingegen HGF selbst nicht von den Tumorzellen, sondern von den tumorassoziierten Stromazellen sezerniert wird. Da die meisten HCC-Patienten an einer chronischen Leberschädigung leiden, sind häufig hohe HGF-Konzentrationen im Lebergewebe und im Serum der Patienten nachweisbar [13]. Somit integrieren HCC-Zellen hinsichtlich ihrer Motilität autokrine und parakrine Stimuli. Diese Schlussfolgerung wird durch die Tatsache gestützt, dass die Expression von IGF-II mit extrahepatischer Metastasierung in Tumorpatienten korreliert [10].

Fazit für die Praxis

Da der IGF-II/IGF-1R-Signalweg verschiedene protumorigene Prozesse positiv beeinflusst und die Expression von IGF-II unter physiologischen Bedingungen in der Embryogenese, aber nicht im Erwachsenen von zentraler Relevanz ist, stellt dieser Signalweg eine viel versprechende therapeutische Zielstruktur dar. Unterschiedliche Ansätze für die spezifische Modulation des IGF-1R-Signalwegs wurden bereits beschrieben. Diese umfassen die Neoexpression von Rezeptorantagonisten, die Applikation von neutralisierenden Antikörpern oder die Inhibierung mittels Oligonukleotiden und siRNAs. All diese Strategien sind jedoch nur schwer auf die humane Therapiesituation zu übertragen und müssen die Bioverfügbarkeit sehr hoher IGF-II-Mengen berücksichtigen. Niedermolekulare Tyrosinkinaseinhibitoren können jedoch Rezeptorkinasen auch in niedrigsten Konzentrationen effizient in vitro und in vivo inhibieren und werden bereits bei der spezifischen Behandlung zahlreicher Tumorerkrankungen klinisch verwendet (z. B. Sorafenib beim HCC, Gefitinib beim NSCLC/“non-small cell lung cancer“). Präklinische Studien haben bereits das therapeutische Potenzial von IGF-1R-selektiven Kinaseinhibitoren bei der Behandlung des HCC belegt [15]. Insbesondere mit Hinblick auf die Bioaktivität von IR sind somit diabetogene Effekte bei der Applikation eines spezifischen Inhibitors nicht zu erwarten. In-vivo-Studien belegen, dass nach PPP-Gabe die Glukose- und Albuminmengen in Mäusen unverändert sind, was auf eine gute Verträglichkeit der Substanz hindeutet [19]. Daneben scheint PPP nur in sehr geringem Maße die Resistenzentwicklung in Tumorzellen zu induzieren [22].