Wenn die Überzeugung besteht, unter einer schweren körperlichen Krankheit zu leiden, auch wenn keine ausreichenden organischen Ursachen für die erlebten körperlichen Symptome identifiziert werden, liegt möglicherweise eine hypochondrische Störung vor. Krankheitsängsten kommt jedoch im Gesundheitssystem noch eine wesentlich umfassendere Bedeutung bei, da sie auch – oder sogar noch häufiger – als Begleitsymptomatik anderer Problematiken auftreten und deren Verlauf beeinflussen, zu einer weiteren Beeinträchtigung des Befindens beitragen und das individuelle Krankheitsverhalten wesentlich beeinflussen. In den verschiedenen Beiträgen zu dem Themenschwerpunkt Krankheitsangst in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Psychotherapeut wird aktuellen Entwicklungen zum Störungswissen, aktuellen diagnostischen Aspekten und ihrer Behandlung nachgegangen.

Eine wesentliche und umfassende Neuerung hinsichtlich der Klassifikation von klinisch relevanten Krankheitsängsten ergibt sich aus der 5. Revision des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), das in diesem Jahr von der American Psychiatric Association (2013) publiziert wurde. Die frühere Kategorie der somatoformen Störungen wurde zum einen umbenannt in „somatic symptom and related disorders“ und sieht in ihrer radikalen Neuordnung eine Aufteilung der Hypochondriediagnose in 2 Störungen („illness anxiety disorder“ und „somatic symptom disorder“; die offiziellen Übersetzungen in die deutsche Sprache stehen noch aus) je nach Vorhandensein weiterer beeinträchtigender Körperbeschwerden vor. In 2 Beiträgen dieses Themenhefts (Lau et al. sowie Weck) wird der neue Klassifikationsvorschlag aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt und kritisch reflektiert. In der Übersicht von Weck werden die bisherigen Hypochondriekriterien den neuen DSM-5-Kriterien der Illness anxiety disorder gegenübergestellt. Neben der kategorialen Klassifikation gibt der Beitrag einen umfassenden Überblick über dimensionale Erhebungsinstrumente, die bei Krankheitsängsten zum Screening, zur Schweregradbestimmung, zur Erfassung assoziierter Merkmale wie z. B. des Krankheitsverhaltens und störungsrelevanter Kognitionen eingesetzt werden können. Insbesondere für die Behandlungsplanung und Erfolgskontrolle in der psychotherapeutischen Praxis ist es bedeutsam, dass inzwischen eine Reihe psychometrisch fundierter Verfahren in deutscher Sprache verfügbar ist.

Aus dem Beitrag von Lau et al. wird ersichtlich, dass übermäßige Gedanken über die Ernsthaftigkeit der eigenen Beschwerden und ein hohes Maß an Krankheitsangst auch zentrale Symptome der neu im DSM-5 etablierten Kategorie der Somatic symptom disorder darstellen. Es werden damit psychologische Symptome in der Klassifikation somatoformer Syndrome stärker als in früheren Auflagen des Diagnosesystems betont. In ihrer Studie zum Vergleich von DSM-5 ähnlichen Gruppen finden Lau et al. dysfunktionale Einstellungen wie beispielsweise die Katastrophisierung von Körperbeschwerden oder die subjektive Intoleranz von Körperbeschwerden bei allen somatoformen Störungsgruppen, jedoch am stärksten ausgeprägt bei Personen, die unter Krankheitsangst leiden – ob mit oder ohne körperliche Begleitsymptomatik.

Der neue Klassifikationsvorschlag wird jedoch durchaus kontrovers diskutiert (z. B. Rief u. Martin 2014), u. a. da nun unter der Störungseinheit Somatic symptom disorder sowohl Störungen mit multiplen (somatoformen) Körpersymptomen und Krankheitsängsten als auch chronische Schmerzstörungen ebenso wie Beschwerdebilder mit organisch erklärter Beschwerdelast, solange sie mit den beschriebenen kognitiven und affektiven Auffälligkeiten einhergehen, subsumiert werden können. Es bleibt abzuwarten, wie dieser Klassifikationsansatz tatsächlich in Forschung und Praxis angenommen wird – und ebenso, welche Revision der somatoformen Störungen in der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems-11 (ICD-11) vorgenommen wird.

Von zentraler Bedeutung für eine theoriegeleitete Neuordnung des Phänomens Krankheitsangst/Hypochondrie erscheint nicht zuletzt ein besseres Verständnis störungsrelevanter Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung. Die beiden Originalbeiträge von Bailer et al. sowie Barenbrügge et al. beschäftigen sich in dieser Hinsicht mit zentralen kognitiven Mechanismen. Anhand einer eindrucksvollen Stichprobe von 88 Patienten mit klinisch relevanten Krankheitsängsten können Bailer et al. zeigen, dass insbesondere ein somatischer Attributionsstil von körperlichen Beschwerden spezifisch mit der Diagnose Hypochondrie (im Vergleich zur Diagnose einer affektiven Störung) einhergeht und sich ebenfalls als bedeutsamer Prädiktor für die Zahl konsultierter Ärzte erweist. Diese Ergebnisse implizieren, dass eine gezielte therapeutische Veränderung somatischer Attributionsstile bei Patienten mit schweren Krankheitsängsten von zentraler Bedeutung ist, um das individuelle Ausmaß der Krankheitsangst und ärztliches Inanspruchnahmeverhalten nachhaltig zu reduzieren.

Auch der Beitrag von Barenbrügge et al. beschäftigt sich mit der Bedeutung dysfunktionaler kognitiver Prozesse im Rahmen der Krankheitsangst und nimmt hierbei eine transdiagnostische Perspektive ein. Ausgehend von phänomenologischen Parallelen zwischen pathologischen Krankheitsängsten bei Hypochondrie und Sorgenprozessen im Rahmen der generalisierten Angststörung entwickeln und erproben die Autoren zunächst 2 Skalen für die Erfassung von positiven und negativen Metakognitionen speziell bei Krankheitsangst. Anschließend werden bedeutsame positive Zusammenhänge zwischen beiden Formen der Metakognitionen und der Intensität von Krankheitsängsten gezeigt. Auch wenn eine kausale Prüfung der Rolle von Metakognitionen, streng genommen, noch aussteht, legen die Befunde und Überlegungen von Barenbrügge et al. nahe, dass gegenwärtige Behandlungsangebote der Krankheitsangst von einer stärkeren Berücksichtigung positiver und negativer krankheitsangstbezogener Metakognitionen profitieren könnten.

Mit Krankheitsängsten im Zusammenhang mit umweltbezogenen Körperbeschwerden befasst sich die Übersicht von Hausteiner-Wiehle. Auf der einen Seite werden in öffentlichen Medien die Auswirkungen von Umweltverschmutzung, Exposition an toxische Chemikalien oder physikalische Bedingungen (bzw. Strahlung durch Mobilnetze, Stromnetze) im Hinblick auf ihre gesundheitlichen Folgen kontrovers diskutiert. Die „modernen Gesundheitssorgen“, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind, spiegeln inhaltlich den jeweiligen Zeitgeist wider. Bei einem Teil der Bevölkerung treten jedoch nicht nur mehr oder weniger diffuse Gesundheitssorgen auf, sondern manifeste Körperbeschwerden, die auf unterschiedliche Quellen in der Umwelt zurückgeführt werden. Der Beitrag gibt nicht nur einen Überblick über typische umweltbezogene Ängste, ihre Bedingungsfaktoren und Folgen, sondern beschreibt auch die psychotherapeutische Behandlung sowie die damit verbundenen Besonderheiten.

Ausgeprägte und anhaltende Krankheitsängste im Rahmen einer hypochondrischen Störung, aber ebenso im Rahmen anderer somatoformer Störungen oder bei beeinträchtigenden Körperbeschwerden stellen klare Indikationen für eine psychotherapeutische Behandlung dar. Darauf weisen gleich 2 aktuelle, in diesem Jahr publizierte Therapieleitlinien hin (Hausteiner-Wiehle et al. 2013; Martin et al. 2013). Auf Basis der zwischenzeitlich verfügbaren empirischen Evidenz wird die kognitive Verhaltenstherapie als psychotherapeutisches Verfahren der 1. Wahl empfohlen (Martin et al. 2013). Bei durchschnittlich relativ kurzer Therapiedauer (unter Studienbedingungen: 6 bis 19 Einzelsitzungen) verbessern sich sowohl die Kernsymptomatik der Hypochondrie als auch Depressivität und Ängstlichkeit. In ihrem Beitrag geben Gropalis u. Witthöft einen genauen Einblick in die Anwendung kognitiv-verhaltenstherapeutischer Standardmethoden. Anhand eines konkreten Fallbeispiels weisen sie jedoch auf die Herausforderung hin, bei den Betroffenen eine uneingeschränkte Akzeptanz ihrer Ängste und eine eindeutige Entscheidung für die Durchführung von Expositionsmethoden zur Überwindung der Ängste zu erlangen. Kritisch reflektiert werden auch Potenzial und Risiken primär kognitiver Techniken, z. B. zur Reattribution der eigenen Beschwerden. An dem konkreten Fall wird die Dialektik von Akzeptanz und Veränderung (mit ihren jeweiligen spezifischen Interventionen) im Rahmen des psychotherapeutischen Veränderungsprozesses sehr gut illustriert.

Die gegenwärtige Befundlage lässt einerseits den optimistischen Schluss zu, dass Hypochondrie und abnorme Krankheitsängste wirksam behandelt werden können. Zugleich besteht die Notwendigkeit fort, die therapeutischen Konzepte – ggf. durch stärkere Anpassung an die individuellen Bedingungskonstellationen – weiterzuentwickeln, um klinisch-relevante Verbesserungen der Beschwerden und ein angemessenes Funktionsniveau für die Betroffenen sicherzustellen.