Geschichte und gesetzliche Rahmenbedingungen

Versuche der Anwendung von autologem, allogenem oder gar xenogenem Material reichen bis in die Antike zurück. Nach Einzelfallanwendungen am Beginn der Neuzeit häufen sich erfolgreiche Berichte zu Ende des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1915 erschien das erste Standardwerk der Knochentransplantationschirurgie durch Fred H. Albee in New York [2], was zu einer breiteren routinemäßige Anwendung führte. Die anfänglichen großen Unterschiede in der Prozessierung von gewonnenem Knochen (Aufbereitung, Testung und Lagerung) wurden als Folge der Kenntnis über die Übertragbarkeit von Erkrankungen wie HIV und Hepatitis durch Blutbestandteile im Knochen in den 1990er-Jahren vereinheitlicht und professionalisiert. Beginnend mit einer EU-Direktive 2004/23 und zahlreichen weiteren EU-Beschlüssen und nationalen Gesetzgebungen wurde die gesetzliche Handhabe betreffend Knochen und anderer Gewebe in den folgenden Jahren beschlossen. Unterschiedliche nationale Gesetzgebungen haben zur Folge, dass z. B. klassische allogene Knochentransplantate an einer Stelle klar als Medizinprodukt angesehen werden, aber andernorts als Arzneimittel qualifiziert werden (Tab. 1). Als gemeinsamer Nenner innerhalb der EU (ausgenommen Deutschland) wurde definiert, dass nur von den nationalen Aufsichtsbehörden lizensierte Gewebebanken Gewebeprodukte in Verkehr bringen dürfen. Das betrifft sowohl Materialien, die direkt im jeweiligen Land hergestellt werden, als auch Produkte als importierte Ware. Die importierende Gewebebank trägt im vollen Umfang die Haftung und ist somit in jedem Fall der erste Ansprechpartner für Behörden. Allerdings werden zu keinem Zeitpunkt Studien über die Qualität von Sterilisationsmaßnahmen oder klinische Wirksamkeit der Produkte verlangt. Seriöse Gewebebanken haben solche meist auf Ersuchen vorliegend (z. B. Paul-Ehrlich-Institut [PEI]). Bei deutschen Gewebebanken und Import nach Deutschland wird (außer bei sehr lange bestehenden deutschen Einrichtungen, die gesetzliche Übergangsregeln nutzen konnten) sehr wohl ein solcher Nachweis im Sinne einer Arzneimittelzulassung verlangt. Ein Sonderfall stellen die auf Basis der EU-Verordnung 1394/2007 definierten Advanced Therapies Regulations dar. Durch die neuen Vorgaben wurde die aufkeimende Hoffnung in viele regenerative Verfahren (z. B. Knorpelzüchtung) quasi regulatorisch beendet. Da durch die neuen Vorgaben die Kosten neben den legistischen Anforderungen explodierten, können diese derzeit nicht auf breiter Front durch das Gesundheitssystem getragen werden.

Tab. 1 Aufsichtsbehörden und Gesetze/Verordnungen

Mit dem Beginn der extremitätenerhaltenden Tumorchirurgie wurden bereits in den 1970er-Jahren allogene Knochentransplantate für die Rekonstruktion artikulärer Defekte herangezogen [4]. Im Besonderen vor Aufschwung der endoprothetischen Ära wurden diese Transplantate in einigen Zentren bevorzugt eingesetzt, um große Defekte, vorwiegend nach Tumorresektionen, zu rekonstruieren. Obwohl in einigen Zentren hervorragende Ergebnisse mit dieser Rekonstruktionsform erzielt werden konnten, waren diese Erfolge von vielen anderen nicht nachvollziehbar. In zahlreichen Studien wurde mit zunehmendem Beobachtungszeitraum über eine steigende Komplikationsrate berichtet, die in erster Linie Frakturen, Pseudarthrosen sowie Infektionen beinhaltete und mit Revisionsoperationen verbunden war. In der größten Langzeitstudie von Mankin et al. [5] wurde festgehalten, dass die häufigsten Komplikationen in den ersten 3 Jahren nach Implantation auftraten. Die einzige Studie, die diese Rekonstruktionsform über 20 Jahre nachuntersucht hat, stammt von Oglivie (2009) und zeigte hingegen, dass Komplikationen nach osteoartikulären Knochentransplantaten bis zum 20. postoperativen Jahr auftreten können und in 60 % zu einer Entfernung der Transplantate führten [7].

Dies und der Aufschwung sowie die Verlässlichkeit der modularen Resektionsendoprothetik haben dazu geführt, dass allogene Knochentransplantate bei großen Knochendefekten, sei es nach Tumor, Trauma oder Infektion, nur noch in Ausnahmefällen Anwendung finden. Im Besonderen werden komplette osteoartikuläre Transplantate nur noch in Ausnahmeindikationen verwendet, die hier im Kontext der allgemeinen Indikationsstellung ausgearbeitet werden sollen.

Allogene Knochentransplantate werden bei großen Knochendefekten nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt

Zur besseren Übersichtlichkeit der Versorgungsmöglichkeiten sollen die Knochendefekte nach der in der Tab. 2 dargestellten Gliederung aufgearbeitet werden.

Tab. 2 Einteilung der Knochendefekte nach Tumorresektion oder Endoprothesenrevisionen

Rekonstruktionsmöglichkeiten

Für die biologische Rekonstruktion von Knochendefekten wird häufig eine Kombination von allogenen und autogenen Knochentransplantaten verwendet. Autologe Knochentransplantate können entweder in Form von strukturellen oder spongiösen Transplantaten verwendet werden. Die osteogene Potenz von autologer Spongiosa ist hinlänglich bekannt und gilt nach wie vor als Goldstandard in Bezug auf Osteoinduktion und Remodellierung [6].

Strukturelle Transplantate wie Fibula oder trikortikale Beckenkammspäne können entweder frei, d. h. nicht vaskularisiert, oder aber vaskularisiert mit Anastomosierung der Gefäße transplantiert werden. Die Differenzialindikation zu dem einen oder anderen Verfahren hängt sicherlich von der Länge des Transplantates ab, wobei 10 cm als Grenze für nicht vaskularisierte Transplantate immer wieder Erwähnung finden. Bei der Indikationsstellung sind jedoch andere Faktoren wie Alter, Lokalisation, Vaskularisierung im Bereich des Knochendefektes, Belastbarkeit und andere zu berücksichtigen. Auch wenn bei vaskularisiertem Transfer die Knochenheilungen an den Osteotomien rascher und häufiger (75 %) erfolgen, ist dennoch nicht von einer Hypertrophie des vaskularisierten Transplantates, wie sie bei Kleinkindern mitunter zu beobachten ist, auszugehen [10]. Bei Erwachsenen sollte bei größeren Knochendefekten und Querschnitten wie Femur oder proximale Tibia ein doppeltes Fibulatransplantat verwendet werden, wobei auch bei dieser Methode ein vaskulärer Transfer möglich ist. Bei sehr großen Defekten findet häufig eine Kombination aus allogener Knochentransplantation und gefäßgestieltem Fibulatransfer Anwendung, wobei hier die Fibula in das U‑förmig eröffnete, zylindrische allogene Transplantat eingepasst wird (s. unten).

Durch 3‑D-Printing wurden allogene Transplantate zurückgedrängt

Allogene Knochentransplantate können ebenso spongiös oder strukturell verwendet werden. Bei den strukturellen Transplantaten unterscheidet man interkaläre Transplantate zwischen den Gelenkenden, die einerseits als inkomplette oder komplette Transplantate je nach Defektgröße zur Anwendung kommen. Bei den osteoartikulären, strukturellen Transplantaten wird ebenso zwischen inkompletten und kompletten Transplantaten unterschieden, wobei diese Definition auf einen Gelenkpartner, z. B. proximale Tibia oder distales Femur respektive Patellafemoralgelenk, zutrifft. Komplette Transplantationen von Gelenken inklusive Gelenkkapsel haben sich aufgrund der komplett fehlenden Propriozeption nicht bewährt und führen in kurzer Zeit zu Veränderungen, die einem Charcot-Gelenk gleichkommen. Im Gegensatz dazu haben sich im Laufe der Zeit erfolgreiche Indikationen für inkomplette und vereinzelt komplette Transplantationen von Gelenkpartnern entwickelt, die im Folgenden erörtert werden sollen.

Eine Ausnahmesituation bilden sog. kombinierte allogene und endoprothetische Rekonstruktionen, die bei bestimmten Indikationen hervorragende Ergebnisse erwarten lassen, allerdings durch den vermehrten Aufwand mit einer deutlichen Kostensteigerung einhergehen.

In der Revisionsendoprothetik hat sich durch die Einführung trabekulärer Metalle als dauerhaft stabile Platzhalter die Verwendung von allogenen Knochentransplantaten im Wesentlichen auf das Impaktionsgraft reduziert. Durch 3‑D-Printing und der damit verbundenen individualisierten angepassten Rekonstruktion wurden allogene Transplantate zurückgedrängt. Im Bereich der Rekonstruktion azetabulärer Defekte wurde schon sehr früh die Fehleranfälligkeit bei der Verwendung von allogenen Transplantaten bei Defekten über 50 % des Azetabulums herausgearbeitet und damit verlassen.

Geschlossene kavitäre Defekte

Darunter fällt die große Anzahl an zystischen Veränderungen, die bei benignen Tumoren oder in Form von Abriebosteolysen bei der Revisionsendoprothetik auftreten und nach Kürettage mittels homologer Spongiosaplastik aufgefüllt werden. Sehr häufig wird der Knochendeckel, der beim Zugang freigelegt wird, nach Abfräsen der Innenseite als autologes Transplantat wieder verwendet, um die Heilung der Kortikalis und damit die Wiederherstellung der röhrenförmigen Knochenstruktur zu beschleunigen (Abb. 1). Der Vorteil homologer Transplantate ist die nahezu unlimitierte Verfügbarkeit, mit der auch größte Höhlen aufgefüllt werden können. Der Durchbau und die Remodellierung des Knochens sind vom Alter des Empfängers abhängig, die Belastbarkeit wird in erster Linie von der Remodellierung im Röntgen und Wiederherstellung der kortikalen Strukturen abhängig gemacht.

Abb. 1
figure 1

Geschlossener Defekt mit Allograft und anzerklierter Defektdeckelung. a Präoperativer Situs bei fibröser Dysplasie. b Postoperativer Situs. c 4,5 Jahre postoperativ. d Kürretierte Kavität. e Zustand nach Herdausräumung- und -auffüllung

In diese Gruppe fallen auch große kavitäre Defekte, die als Abriebosteolysen bei gelockerten Endoprothesen anfallen und mittels Impaktionsgrafting ideal rekonstruiert werden können (Abb. 2). Diese geschlossenen kavitären Knochendefekte bei gelockerten Pfannen, aber auch Femurschaftprothesen respektive Knieprothesen stellen in Form des Impaktionsgraftings eine der wenigen verbliebenen Indikationen im Endoprothetikbereich dar [12]. Bei allen anderen nicht geschlossenen segmentalen, aber auch kavitären Defekten kommen in erster Linie Metallblöcke mit trabekulärer Struktur zur Anwendung, mit denen es auch gelingt, größere Defekte stabil wieder herzustellen. Ähnlich dem Wandel, der durch die Tumorendoprothetik eingeleitet wurde, hat sich in der Wiederherstellung segmentaler Knochendefekte bei Gelenkendoprothesen durch die steigende Verfügbarkeit dieser Metallimplantate, die Rekonstruktion mit Allograft auf ein Minimum reduziert und wird heutzutage nur noch bei kleinen Defekten mit geringgradigem Anteil an Lastübertragung angewendet.

Abb. 2
figure 2

a Azetabulärer Defekt nach Pfannenmigration beidseits. b Postoperativer Zustand nach Impaktionsgraft und Schneider-Burch-Pfannenrekonstruktion rechts unmittelbar postoperativ. c Postoperativer Zustand nach Impaktionsgraft und Schneider-Burch-Pfannenrekonstruktion links unmittelbar postoperativ und rechts nach 1 Jahr. d Zustand nach Rekonstruktion links nach 5 und rechts nach 6 Jahren

Offene kavitäre Defekte

Hierbei handelt es sich um Höhlen nach Tumorentfernung oder bei Abriebosteolysen, bei denen die Kortikalis entweder zerstört ist oder durch Entfernung eines ausgedehnten Knochendeckels entsteht. Während es bei kleinen kortikalen Defekten ausreichend ist, die Spongiosa zu impaktieren, empfiehlt es sich bei größeren Defekten, für die an sich keine einheitliche Definition existiert, die Kortikalis mit autologen oder homologen Knochen zu rekonstruieren (Abb. 3). Dies kann einerseits durch Impaktieren eines trikortikalen oder bikortikalen Beckenspans erfolgen oder aber bei sehr ausgedehnten Defekten durch die Applikation eines homologen Knochenspans, eines sog. Strut-Graft. Durch die biomechanische stabile Verankerung dieser kortikalen Rekonstruktion sind auch ein rascher Durchbau und eine Wiederherstellung der knöchernen Röhrenstruktur gewährleistet. Homologe Strut-Grafts werden in der Regel mit Cerclagen fixiert, können jedoch auch mittels Schraubenosteosynthese stabil verankert werden. Diese Methode kann dann angewendet werden, wenn nicht mehr als ein Drittel der kortikalen Zirkumferenz erfasst ist, da bei Rekonstruktion größerer Defektquerschnitte mit einfachen, flachen Strut-Grafts eine Reduktion des gesamten rekonstruierten Querschnittes einhergeht. Im Besonderen ist bei der Verwendung allogener Strut-Grafts auf eine ausreichende Vaskularisation der Umgebung zu achten, denn nur unter diesen Voraussetzungen kann eine Integration an den Knochenenden stattfinden. Somit sollte in diesen Fällen die Indikation zu einer lokal gestielten oder freien Muskellappenplastik großzügig gestellt werden.

Abb. 3
figure 3

a Interkalärer inkompletter Defekt nach Resektion einer osteofibrösen Dysplasie, b verplattet, c mit strukturellem Allograft. d, e Röntgen a.-p. und seitlich (6 Monate postoperativ), f nach 2 Jahren, g nach 9 Jahren

Inkomplette interkaläre Defekte

Ist mehr als ein Drittel des Knochenquerschnittes betroffen, bedarf es einer strukturellen Rekonstruktion, die bei kleineren Defekten mit autologen Knochen durchgeführt werden kann. Die Verfügbarkeit von trikortikalen Knochenspänen aus dem Beckenkamm ist allerdings limitiert, ebenso wie die Gewinnung von anderen Körperstellen. Lediglich bei großen Knochenquerschnitten kann eine autologe Fibula in vaskularisierter oder nicht vaskularisierter Form für die Rekonstruktion herangezogen werden. Alternativ besteht v. a. bei jüngeren Patienten und Kindern aufgrund der günstigeren biologischen Voraussetzungen die Möglichkeit, größere Defekte mittels eines strukturellen Allografts zu überbrücken, da eine Inkorporation und Umbau des Transplantates erwartet werden kann. Voraussetzung für einen guten Heilungserfolg ist die exakte Anpassung des Transplantates an den Knochendefekt, um an den Kontaktstellen den Durchbau zu beschleunigen. Der durch das allogene Transplantat abgedeckte Markraum sollte ebenso mit allogener Spongiosa aufgefüllt werden, um den Durchbau zu stimulieren.

Komplette interkaläre Knochendefekte

Bei kompletter zylindrischer Resektion eines Röhrenknochens stehen alternativ zu Knochentransport mittels Distraktionsosteogenese die Rekonstruktion mit autologem Knochen bzw. Rekonstruktion mittels einer Kombination aus autologem Knochen und Allograft zur Verfügung [11]. Die Interposition von nicht vaskularisierten autologen Knochen wie Fibulatransplantate oder Beckenkammspäne eignet sich für kleinere Defektgrößen und v. a. dann, wenn ausreichend Vaskularisation durch die Umgebung gewährleistet ist. Bei größeren Defekten empfiehlt sich der vaskularisierte Transfer von Fibula oder Beckenkammtransplantaten, um eine rasche Inkorporation zu gewährleisten. Vaskularisierte Fibulatransplantate können auch doppelläufig verwendet werden, wobei das Ausmaß der Defektrekonstruktion durch die Länge des vorhandenen autologen Transplantates limitiert ist.

Eine Alternative zu diesen autologen Rekonstruktionsmöglichkeiten ist die Kombination von allogenen Knochentransplantaten in Form eines kompletten Diaphysenstückes, das passgenau in den Defekt eingebracht und mittels Plattenosteosynthese stabilisiert wird (Abb. 4). Zuvor wird in das Transplantat ein Längsschlitz, der etwa ein Drittel der Knochenzirkumferenz umfasst, zur Aufnahme des vaskularisierten Fibulatransplantates gesetzt. Chronologisch erfolgt zuerst die Stabilisierung des Defektes mittels Plattenosteosynthese und anschließend die exakte Einpassung des entsprechenden präparierten allogenen Transplantates, das monokortikal an die Platte fixiert wird. Danach wird das freie vaskularisierte Fibulatransplantat in den Schlitz des Allografts eingepasst, und – wenn möglich – werden die Enden in den Markraum versenkt (Abb. 5). Die Einpassung erfolgt in der Regel durch Einpfalzung, um eine Kraftaufnahme des autologen Transplantates zu gewährleisten. Erst nach kompletter Stabilisierung ist die Mikroanastomisierung durch den plastischen Chirurgen möglich, sodass ein entsprechendes Zeitmanagement im Hinblick auf die Ischämiezeit zu berücksichtigen ist. Diese erstmals von Capanna et al. [3] beschriebene, anfangs aufgrund der verlängerten Operationszeit umstrittene, Kombination zweier Grafts zeigt selbst nach 10 Jahren noch eine Erfolgsrate von über 90 % und eine geringe Frakturrate von 13 %. In einer großen Anzahl von Studien zeigt sich ein deutlich besseres Graftüberleben kurz/langfristig von 70 %/53 % auf annähernd 100 %/80 % mit kombiniertem Graft als nur Allograft [8].

Abb. 4
figure 4

a Präoperatives a.-p.-Röntgen und Computertomographie (CT) eines bioptisch verifizierten Adamantinoms. b Kompletter interkalärer Defekt mit strukturellem Allograft und Platte. c Postoperative CT nach 3 Jahren. d Resektat mit Hautinsel und präpariertes Allograft

Abb. 5
figure 5

Kompletter interkalärer Defekt (Ewing-Sarkom) mit Fibulaautograft und Allograft. a Eingezeichnete Resektionsgrenzen. b Temporäre interne Fixation vor Resektion. c Interkalärer Defekt. d Hemidiaphysäres Allograft. e Röntgen a.-p. und seitlich mit Allograft und eingefalztem gefäßgestieltem Fibulaautograft

Bei größeren Defekten empfiehlt sich der vaskularisierte Transfer von Fibula oder Beckenkammtransplantaten

Bei sehr kleinem Knochendurchmesser wie an der distalen Tibia ist die zusätzliche Implantation eines autologen Fibulagrafts oft nicht möglich, da eine Schlitzung des allogenen Transplantates durch den Durchmesser limitiert ist. In diesen Fällen kann der Markraum des Allografts mit Methylmetacrylat aufgefüllt werden, wodurch nicht nur die Stabilität erhöht, sondern auch durch Minimierung des Totraumes die Infektanfälligkeit reduziert wird. Lediglich im Bereich der Osteotomieenden bzw. der Kontaktzonen zwischen Allograft und Empfängerkochen ist die Zementauffüllung fernzuhalten, um den Einbau des Allografts an den Enden zu gewährleisten. Da aus histologischen Untersuchungen von Explantaten bekannt ist, dass im Langzeitverlauf im Besonderen bei Erwachsenen strukturelle allogene Knochentransplantate nur zu einem geringen Prozentsatz von eigenen Knochen umgebaut werden und Verbindungen lediglich im Bereich der Anschlussstücke entstehen, muss das allogene Transplantat dauerhaft als Kraftträger in Kombination mit einer Plattenosteosynthese fungieren.

Inkomplette osteoartikuläre Defekte

Eine geeignete Indikation für osteoartikuläre Transplantate ist dann gegeben, wenn größere Defekte in der Metaphyse entstehen und kleine Anteile des Gelenks mit betroffen sind. Im Kniegelenkbereich, wo diese Rekonstruktionsform am häufigsten zur Anwendung kommt, sind es Gelenkdefekte, die deutlich kleiner als ein Hemikondyl sind. Wenn auch Transplantationen von Hemikondylen in der Literatur erfolgreich beschrieben sind, so ist doch die exakte Übereinstimmung des Transplantates mit dem entfernten Gelenkteil essenziell, um einen Langzeiterfolg zu gewährleisten. Auch bei allen übrigen Rekonstruktionen ist auf die Wiederherstellung der Gelenkanatomie besonderes Augenmerk zu legen (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Inkompletter osteoartikulärer Defekt mit osteoartikulärem Allograft. a Chondrosarkom in der präoperativen Magnetresonanztomographie. b Intraoperativer Situs nach Resektion. c Resektat. d Defektkongruentes Allograft. e Postoperatives Röntgen a.-p./seitlich. f Computertomographische Verlaufskontrolle mit guter Integration des Allografts

Komplette osteoartikuläre Defekte

Die komplette Transplantation eines Gelenkpartners kommt nur in Ausnahmesituationen infrage und betrifft in erster Linie den distalen Radius sowie die Patella in Form eines osteoligamentären Transplantates. Defekte des distalen Radius kommen bei Resektion von rezidivierenden Riesenzelltumoren im Stadium 3 oder aber primär malignen Tumoren wie dem Osteosarkom vor. Bei der Rekonstruktion ist auf die Bestellung eines Transplantates mit Kapselstrukturen oder Bandansätzen zu achten, um die Gelenkkapsel stabiler rekonstruieren zu können. Die Osteotomie im proximalen Bereich bedarf einer mindestens 6‑wöchigen Ruhigstellung in einem Oberarmgipsverband, um die Pseudarthrosenrate gering zu halten. Z‑förmige Osteotomien bewirken eine Vergrößerung der Kontaktfläche und damit Verbesserung der Knochenheilungschancen. Die Osteosynthese erfolgt mit einer ventralen distalen Radiusplatte, die bei langen Transplantaten ggf. als Sonderanfertigung zu bestellen ist. Der Vorteil der Rekonstruktion mit dem osteoartikulären Allograft im Vergleich zur Arthrodese besteht in dem guten funktionellen Ergebnis, das je nach Tätigkeitsprofil von mehr oder minder großer Bedeutung ist und zudem die Möglichkeit bietet, bei Versagen der Rekonstruktion sekundär auf eine Handgelenkarthrodese zu wechseln ([9]; Abb. 7).

Vorteil der Rekonstruktion mit dem osteoartikulären Allograft ist das gute funktionelle Ergebnis

Abb. 7
figure 7

a Osteolytische Läsion im Bereich des distalen Radius. b Zustand nach Resektion und Rekonstruktion mittels osteoartikulärem Allograft und Platte 11 Monate postoperativ. c Röntgen a.-p./seitlich 62 Monate postoperativ. d, e Postoperative Mobilität

Auch der Ersatz der Patella in Kombination mit der Reinsertion des Lig. patellae bzw. der Quadrizepssehne hat sich in zahlreichen Studien als verlässliche Option erwiesen, wenngleich die etwas erhöhte Infektanfälligkeit bei mangelnder Weichteildeckung oder ausgiebiger Vernarbung nach zahlreichen Voroperationen zu erwähnen ist. Die Auffüllung der Patella mit Methylmethacrylat kann zur Erhöhung der Stabilität in Erwägung gezogen werden.

Kombinierte allogene endoprothetische Rekonstruktionen

In Einzelfällen bieten kombinierte Rekonstruktionen aus Allograft und Endoprothese die Vorteile der sicheren Lastübertragung und dauerhaften Rekonstruktion durch die Endoprothese sowie der Möglichkeit der Weichteilinsertion des Allografts. Rekonstruktionen dieser Art werden v. a. am proximalen Humerus sowie an der proximalen Tibia angewendet. In beiden Fällen erfolgt die Rekonstruktion des Gelenkpartners mit einem langstieligen Implantat, das im Empfängerknochen distal mittels Zement oder zementfrei verankert wird. Der Stiel der Prothese wird in das strukturelle Allograft einzementiert, wobei im Kontaktbereich zwischen Empfängerknochen und Allograft ein unmittelbarer Knochenkontakt gegeben sein muss. Bei der Bestellung ist darauf zu achten, die Allografts mittels Bandansatz zu bestellen, um einerseits die Rotatorenmanschette im Bereich des proximalen Humerus oder aber das Lig. patellae an der proximalen Tibia direkt an die Allograftsehne inserieren zu können. Die Ergebnisse dieser Rekonstruktionen sind äußerst zufriedenstellend, v. a. dann, wenn im Bereich des proximalen Humerus die Innervation des M. deltoideus komplett erhalten werden kann [1].

Fazit für die Praxis

  • Für die biologische Rekonstruktion von Knochendefekten wird häufig eine Kombination von allogenen und autogenen Knochentransplantaten verwendet.

  • Autologe Knochentransplantate können entweder in Form von strukturellen oder spongiösen Transplantaten verwendet werden.

  • Allogene Knochentransplantate können ebenso spongiös oder strukturell verwendet werden.

  • In der Revisionsendoprothetik hat sich durch die Einführung trabekulärer Metalle als dauerhaft stabile Platzhalter die Verwendung von allogenen Knochentransplantaten im Wesentlichen auf das Impaktionsgraft reduziert.

  • Durch 3‑D-Printing und die damit verbundene individualisierte angepasste Rekonstruktion wurden allogene Transplantate zurückgedrängt.