Nicht vom Beginn an enthüllten die Götter den Sterblichen alles, Aber im Laufe der Zeit finden wir suchend das Bessere.

Xenophanes von Kolophon, um 500 v.Chr.

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in Deutschland stand in den letzten Jahren kein Teilbereich der Radiologie so im fachlichen und öffentlichen Diskurs wie die Mammadiagnostik.

Die dual organisierten Versorgungsstrukturen von Screeninginstitutionen einerseits und universitär gebundener Versorgungs- und Forschungsleistung andererseits scheinen strukturelle Antinomien zu sein. In Bezug auf das gemeinsame Ziel der Mortalitätssenkung des Mammakarzinoms können sie aber ebensogut als komplementäre, synergistische Systeme betrachtet werden.

Die Herausforderungen des europaweit größten flächendeckenden Screeningprogramms werden von Bock et al. aufgezeigt. Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität werden hier unter epidemiologischen Gesichtspunkten betrachtet. Die Ansprüche an eine moderne Früherkennungsdiagnostik und ihre technischen Innovationen müssen deshalb einer konservativ ausgerichteten, screeningbezogenen Prüfung standhalten. Die Tomosynthese ist hierfür ein aktuelles Beispiel.

Demgegenüber steht der Wunsch nach einer optimierten, individuellen Diagnostik für jeden abzuklärenden Befund. Die technischen Innovationen aus den drei Teilbereichen der komplementären Mammadiagnostik werden in diesem Heft als ausgewählte Themen referiert:

Rjosk et al. beschreiben die unterschiedlichen Verfahren auf dem Gebiet der Elastographie und geben einen Überblick über das diagnostische Potenzial dieser Zusatzmodalität ergänzend zum konventionellen Hochfrequenzultraschall der Brust.

Aufbauend auf die digitale Vollfeldmammographie sind in den letzten Jahren unterschiedliche dreidimensionale Modalitäten entwickelt worden. Neben den Möglichkeiten der Bildnachverarbeitung und der computerassistierten Diagnostik werden zunehmend auch neuartige Modalitätenkombinationen genutzt. Schulz-Wendtland et al. geben einen Ausblick auf zukünftige digitale Applikationen.

Auf dem Gebiet der Mamma-MRT kann die diffusionsgewichtete Bildgebung als standardisierte Zusatzmodalität in Routineprotokolle implementiert werden. Welche Tips und Tricks es zu beachten gilt, damit Bildakquisition und - auswertung scanneradaptiert gelingt und welche diagnostischen Vorteile hiervon abzuleiten sind, diese Fragen werden von Wenkel et al. fundiert beantwortet und mit eindrücklichen Beispielen belegt.

Die Molekulardiagnostik rückt in den letzten Jahren zunehmend die spezielle molekularbiologische Signatur eines Tumors in den Fokus. Adiuvante und neoadiuvante Therapien werden mittlerweile tumoradaptiert ausgewählt und angepasst. Auch für die tumorspezifische Bildgebung wird molekularbiologisches Wissen nutzbar gemacht.

Die Responsebildgebung hat in den letzten Jahren über das Monitoring der Tumorgröße und -morphologie hinaus funktionelle Bildparameter evaluiert. Dieser Entwicklung ist ein Beitrag von Grandl et al. gewidmet. Die moderne MRT- und PET-Bildgebung, die Entwicklung tumorspezifischer Tracer sowie aktuelle methodische Ansätze der molekularbasierten Bildgebung werden von Pinker et al. umfassend dargestellt.

Die Phasenkontrastbildgebung ist ein röntgenbasiertes Verfahren, das nicht Absorptionsunterschiede sondern Phasenverschiebungen zur Bildgebung nutzt. Sie ist ein Beispiel aus der Grundlagenforschung, das aufzeigt, auf welche Weise neue methodische Ansätze entstehen, kreativ umgesetzt und in Richtung klinische Implementierbarkeit weiterentwickelt werden. Hierzu informiert ein Überblick von Grandl et al.

Die Mission „Mortalitätssenkung der häufigsten Krebserkrankung der Frau“ verlangt qualitätsgesicherte Versorgung, Innovationsbereitschaft und kreatives Potenzial bei der Entwicklung neuer Modalitäten. In diesem Sinne möchten wir Sie zu einer spannenden Lektüre in diesem mammadiagnostischen Themenheft einladen.

Ihre

Dr. Karin Hellerhoff

Prof. Dr. Maximilian F. Reiser