Ziel dieser Übersichtsarbeit ist eine Darstellung und Interpretation wichtiger klinischer Studien der neurologischen Notfall- und Intensivmedizin im Zeitraum 2020/21.

Neues zum ischämischen Schlaganfall prähospital und in der Notaufnahme

In einem systematischen Review mit Metaanalyse wurden Maßnahmen zur Optimierung der prähospitalen Arbeitsabläufe der Schlaganfallversorgung untersucht [3]: Verbesserung der Früherkennung von Patienten mit Verschlüssen großer Gefäße („large vessel occlusion“, LVO) durch Trainieren des Personals, Anwendung von Skalen oder Telemedizin, Reduktion der Zeit bis zur Vorstellung an einem Stroke-Zentrum durch Verbesserung des Anmelde- und Triageprozesses, direkte Vorstellung an Stroke-Zentren oder Empfang des Patienten im CT-Raum und in Mobile-Stroke-Units (MSU). In der Metaanalyse wurden signifikante Effekte einiger der genannten Maßnahmen bei i.v. Lysetherapieraten, Zeiten von Symptombeginn bis Beginn der Therapie, Vorstellung bis Beginn der Therapie oder Vorstellung bis Wiederherstellung der Perfusion demonstriert. Eine Verbesserung des funktionalen Outcomes konnte aufgrund der Heterogenität der Studien sowie Patientenzahl nicht gezeigt werden.

In einer prospektiven, multizentrischen, observationalen Kohortenstudie (PRESTO-Studie) wurden acht Stroke-Skalen durch den Rettungsdienst erhoben und hinsichtlich Sensitivität und Spezifität in der Detektion von Schlaganfällen mit LVO an 1039 Patienten (davon 120 mit LVO) untersucht [6]. Dabei erreichten die Skalen Rapid Arterial oCclusion Evaluation (RACE), Gaze-Face-Speech-Time (G-FAST) und Conveniently-Grasped Field Assessment Stroke Triage (CG-FAST) die besten Werte in der Receiver-operating-characteristic(ROC)-Analyse und näherten sich der Sensitivität der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS-Skala) erhoben durch den Neurologen in der Notaufnahme. Die oben genannten Skalen scheinen jedoch in der Detektion weiter distaler Verschlüsse (distaler M1-Verschluss oder M2-Veschluss) eine niedrigere Sensitivität zu erreichen laut einer Post-hoc-Analyse von Daten von 3021 Patienten aus dem MR-CLEAN-Register [5]. Trotz der vielversprechenden Ergebnisse fehlen outcomeorientierte Studien mit Einsatz der Skalen in prähospitalen Triageentscheidungen.

Da der Nutzen der Skalen in der Detektion von Patienten, die von einer raschen Intervention profitieren würden, von der Lokalisation, Kollateralkreisläufen und demzufolge Ausprägung der Symptome abhängig ist, wird die Evaluation von Point-of-care(POC)-Geräten umso wichtiger. Ein systematisches Review mit Einschluss von 19 Arbeiten untersuchte die Sensitivität von Microwave-Technologie, Elektroenzephalographie (EEG), Ultraschall, „near-infrared spectroscopy“ (NIRS), mobilen MRT-Geräten, „volumetric impedance phase-shift spectroscopy“ (VIPS) und „eddy current damping“ (ECD) in der Detektion eines Schlaganfalls und der Diskriminierung zwischen ischämischen oder hämorrhagischen Infarkten im prähospitalen Setting [24]. Microwave-Technologie, EEG, MRT und ECD zeigten vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Diskriminierungskraft zwischen ischämischen oder hämorrhagischen Infarkten. Zudem waren mobile MRT-Geräte und VIPS sensitiv in der Detektion von LVO-Infarkten. Jedoch mangelt es weiterhin an prospektiven randomisierten Studien zur Untersuchung dieser Technologien im akuten Setting.

Die erweiterte Bildgebung hat sich in einer Reihe von Studien als Voraussetzung für die Indikationsstellung einer akuten Therapie (systemische Lysetherapie oder endovaskuläre Therapie) bei ischämischem Schlaganfall etabliert. Jedoch sind die Durchführung und Auswertung nicht immer möglich und führen oft zu Verzögerungen. In einer multizentrischen Kohortenstudie (CT for Late Endovascular Reperfusion, CLEAR) wurde bei 1604 eingeschlossenen Patienten das funktionelle Outcome sowie die Mortalität untersucht abhängig davon, ob die Indikation zur Akuttherapie (endovaskuläre Therapie) mittels nativem CT und CT-Angiographie im Vergleich zu MRT oder CT-Perfusionsbildgebung gestellt wurde [21]. Im funktionellen Outcome nach 90 Tagen, Mortalität sowie Blutungskomplikationen zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Modalitäten. Die MRT-selektierten Patienten waren bezüglich des funktionellen Outcomes und der Rate mit Wiederherstellung der Perfusion leicht benachteiligt. Eine Bestätigung dieser Daten in prospektiven randomisierten Studien könnte in Zukunft die Selektion von Patienten einfacher und schneller machen.

Neues zur Thrombektomie der anterioren Zirkulation

Die derzeit gültige Praxis sieht bei Patienten mit akut-ischämischem Schlaganfall innerhalb eines Zeitfensters von 4,5 h und nachgewiesenem LVO eine kombinierte intravenöse Thrombolyse (TL) mit rt-PA und mechanischer Thrombektomie (TE) vor. Ob die zusätzlich zur TE verabreichte TL das Outcome der Patienten verbessert, ist derzeit Gegenstand zahlreicher Studien. Theoretische Überlegungen zugunsten der additiven TL umfassen den früher möglichen Therapiebeginn, eine mögliche Rekanalisation bereits durch die TL sowie eine Verbesserung der Mikrozirkulation. Befürworter einer alleinigen TE führen ein möglicherweise erhöhtes Blutungsrisiko bei Kombination mit rt-PA, eine mögliche Fragmentierung des Thrombus mit Propagation in distale, der TE nicht zugängliche Gefäße, niedrige Rekanalisationsraten durch rt-PA bei LVO, einen möglichen Zeitverlust bis zum Beginn der TE durch Einleitung einer TL sowie ökonomische Erwägungen an.

Seit Ende 2020 wurden vier multizentrische Studien mit dieser Fragestellung publiziert. DIRECT-MT (n = 654) und DEVT (n = 234) wurden in China initiiert [27, 28]. Hypothese war die Nichtunterlegenheit in Bezug auf das funktionelle Outcome nach 90 Tagen der alleinigen TE. Einschlusskriterien für DIRECT-MT waren ein Verschluss der intrakraniellen A. carotis interna (ICA) oder des M1- oder M2-Segments der A. cerebri media (MCA), während bei DEVT M2-Verschlüsse nicht eingeschlossen werden konnten. Die Ergebnisse beider Studien erfüllten die jeweiligen prädefinierten Kriterien der Nichtunterlegenheit, allerdings lassen sich die Studienergebnisse nicht unkritisch auf ein europäisches Patientenkollektiv übertragen. Neben ethnischen Differenzen lag die mediane „door-to-needle time“ (DNT) in beiden Studien bei ca. 60 min, während die mediane DNT laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie angesichts des zeitabhängigen Effekts von rt-PA bei 30 min liegen sollte. Die japanische SKIP-Studie mit 204 Patienten mit intrakraniellem ACI- oder M1-Verschluss konnte hingegen die Nichtunterlegenheit der TE nicht nachweisen [25]. Auch hier ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse problematisch (rt-PA Dosis 0,6 mg/kg, lange Prozesszeiten). Auch in der europäischen MR-CLEAN-NO-IV-Studie (n = 539) konnte weder eine Überlegenheit noch eine Nichtunterlegenheit der TE alleine aufgezeigt werden, wobei hier die Prozesszeiten mit einer DNT von 31 min und einer „door-to-groin time“ (DGT) von 64 min im empfohlenen Rahmen lagen [18]. Die vorläufigen Ergebnisse der europäischen SWIFT-DIRECT-Studie (n = 408) wurden auf der European Stroke Conference 2021 vorgestellt. Eine Nichtunterlegenheit der TE allein konnte nicht nachgewiesen werden, allerdings waren symptomatische Blutungen (sICH) im Gegensatz zu den Ergebnissen der bisherigen Studien im kombinierten TL/TE-Arm bei absolut niedrigen Raten häufiger. Eingeschlossen werden konnten allerdings Patienten bis zu einem Alberta Stroke Program Early CT Score (ASPECTS) von 4, wobei explorative Ergebnisse (n = 2002) aus dem BEYOND-SWIFT-Register [15] nahelegen, dass das Risiko einer sICH unter TL plus TE mit abnehmendem ASPECTS signifikant steigt. Zusammenfassend reicht die aktuelle Evidenz daher nicht aus, um bei LVO der anterioren Zirkulation auf eine zusätzlich zur TE durchzuführende TL zu verzichten.

Neues zur Thrombektomie der posterioren Zirkulation

Bei akuten Ischämien durch Verschluss der A. basilaris (BA) wird der Nutzen einer TE diskutiert. In den multizentrischen Studien BEST [19] und BASICS [17] wurden Patienten mit akutem BA-Verschluss innerhalb eines 4,5-h-Zeitfensters in eine Gruppe mit Standardtherapie (TL zulässig, aber nicht obligatorisch) und eine Interventionsgruppe (TE) randomisiert. Mit zunehmender Evidenz zum Nutzen der TE in der anterioren Zirkulation hatten beide Studien erhebliche Rekrutierungsprobleme. Die mit 344 Patienten geplante BEST-Studie musste nach Einschluss von 131 Patienten aufgrund langsamer Rekrutierung und hoher Crossover-Rate (22 %) im Standardtherapiearm vorzeitig beendet werden. Während sich in der Intention-to-treat-Analyse kein signifikanter Gruppenunterschied in Bezug auf das funktionelle Outcome (mRS 0–3 nach 90 Tagen) zeigte, war die adjustierte Odds Ratio (OR) für ein gutes Outcome in der Per-protocol- und der As-treated-Auswertung in der TE-Gruppe signifikant höher. Die BASICS-Studie konnte nach Ausweitung der Einschlusskriterien ihr Rekrutierungsziel von 300 Patienten erreichen. Auch hier war der primäre Endpunkt (mRS 0–3 nach 90 Tagen) negativ. In den Subgruppenanalysen ergaben sich Hinweise auf einen Vorteil der TE bei klinisch schwer betroffenen Patienten, allerdings war die Studie hierfür unterpowert. Kritisch gewertet müssen zudem der Einschluss von nur 70 % der geeigneten Patienten gemäß Screening Log sowie eine Crossover-Rate von 5 % im Standardtherapiearm. Analog zum Vorgehen bei LVO der anterioren Zirkulation sollte in der Praxis bei Verschlüssen der A. basilaris also nicht auf eine TE verzichtet werden.

Infobox 1 Zusammenfassung zum ischämischen Schlaganfall prähospital und in der Notaufnahme

  • Bisher konnte nicht überzeugend nachgewiesen werden, dass bei Patienten mit akut-ischämischem Schlaganfall und Großgefäßverschluss eine mechanische Thrombektomie alleine dem aktuellen Behandlungsstandard mit Kombination aus intravenöser Thrombolyse und Thrombektomie gleichwertig ist.

  • Die Optimierung prähospitaler Arbeitsabläufe führt zu einer Verkürzung von Prozesszeiten, ein Einfluss auf den klinischen Nutzen ist bisher noch nicht belegt.

  • Die Erhebung von Stroke-Skalen durch den Rettungsdienst hat eine gute Sensitivität für Schlaganfallsyndrome durch proximale Gefäßverschlüsse, weniger durch distale Gefäßverschlüsse.

  • Bei Patienten mit einem akuten Verschluss der A. basilaris ist eine mechanische Thrombektomie analog zu Verschlüssen der anterioren Zirkulation insbesondere bei schwer betroffenen Patienten wahrscheinlich sinnvoll.

Neues zum Monitoring der aneurysmatischen Subarachnoidalblutung

Bei Patienten mit schwerer aneurysmatischer Subarachnoidalblutung (SAB) treten häufig Komplikationen wie Hirndruckkrisen, Vasospasmen und verzögerte zerebrale Ischämien („delayed cerebral ischemia“, DCI) auf, die das neurologische Outcome negativ beeinflussen. Die Messung des intrakraniellen Drucks („intracranial pressure“, ICP) stellt bei diesen Patienten im Gegensatz zur Messung der Oxygenierung im Hirngewebe („brain tissue oxygenation“, PbtO2) ein Standardverfahren zum Monitoring dar. Aus Studien zum Schädel-Hirn-Trauma und der SAB ist bekannt, dass die PbtO2-Messung eine kritische Ischämie bereits frühzeitig und zumindest fokal um die Sonde erkennen kann. Unklar ist allerdings, ob therapeutische Maßnahmen, die sich aus dem PbtO2-Monitoring ableiten, zu einer Verbesserung des klinischen Outcomes führen. In einer monozentrischen retrospektiven Studie wurden Maßnahmen, Komplikationen und Outcome verglichen zwischen einer ICP-gesteuerten Therapie (n = 48) und einer ICP/PbtO2-gesteuerten Therapie (n = 54; [9]). Ein Großteil (87 %) der Patienten mit PbtO2-Sonde wiesen mindestens eine detektierte hypoxische Phase auf. Die daraus abgeleiteten therapeutischen Maßnahmen zur Erreichung von Zielwerten des PbtO2 von über 20 mm Hg (wie bspw. induzierte Hypertonie, Spasmolyse) waren in einer sekundären Analyse assoziiert mit einer signifikanten Verbesserung des klinischen Outcomes nach 6 Monaten im Vergleich zur ICP-gesteuerten Gruppe. Möglicherweise stellen die Hinzunahme der PbtO2-Messung und daraus abzuleitende therapeutische Maßnahmen einen wichtigen Baustein im SAB-Management dar und sollten in prospektiven Studien untersucht werden.

Infobox 2 Zusammenfassung zum Monitoring der aneurysmatischen Subarachnoidalblutung

  • Die Messung der Oxygenierung im Hirngewebe stellt eine erweitere Möglichkeit zum Monitoring nach schwerer SAB dar.

  • Therapeutische Maßnahmen, die sich aus einem verminderten PbtO2 ableiten, können mit einem verbesserten Outcome vergesellschaftet sein.

Neues zur Behandlung des Status epilepticus

Obwohl der Status epilepticus (SE) einen lebensbedrohlichen Notfall darstellt, kommt es regelhaft im Management des SE zu Verzögerungen. Passend dazu zeigte eine Beobachtungsstudie bei Patienten (n = 50) mit SE außerhalb des Krankenhauses, dass es im Mittel 1,3 h bis zum Eintreffen des Notfallteams dauert sowie 2,8 h bis zum Erreichen des Krankenhauses [11]. Die Patienten (n = 76) wurden erst nach 4,3 h vom Neurologen gesehen, die Therapie nach 4,5 h begonnen. Die mittlere Zeit bis zur suffizienten Kontrolle des SE betrug 24 h. Rein statistisch kam es durch jede Stunde einer Therapieverzögerung zu einer Verlängerung des SE, welche in dieser Analyse assoziiert war mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität. Diese Daten zeigen die Notwendigkeit eines strukturierten Behandlungsalgorithmus bei SE.

Die initiale Dosierung der Benzodiazepine spielt in der Therapie des SE eine wichtige Rolle. Neben zwei retrospektiven Studien, die beide eine signifikante Benzodiazepin-Unterdosierung in der ersten Stufe der Status-epilepticus-Therapie dokumentierten [20, 26], untersuchte eine retrospektive Querschnittsanalyse mit Einschluss von 2494 (prähospital diagnostizierten) Status-epilepticus-Patienten den Einfluss einer adäquaten prähospitalen Midazolam-Therapie auf den Therapieerfolg [10]. Nur 62 % der Patienten wurden mit Benzodiazepinen (Midazolam stand als einziges Benzodiazepin zur Verfügung) behandelt und 18 % mussten im Verlauf eine weitere Dosis erhalten. Nach der lokalen Leitlinie (empfohlene Dosis von 10 mg) war die Behandlung bei 100 % der Patienten unterdosiert. Eine höhere initiale Dosierung hat in der Analyse eines Regressionsmodels die Wahrscheinlichkeit einer invasiven Beatmung leicht reduziert (OR 0,9, 95 %-Konfidenzintervall 0,8–1,0). Zusammenfassend scheint die initiale Verabreichung von Benzodiazepinen oft unzureichend zu sein, sodass klare SOPs für die prähospitale und initiale Notfallversorgung erforderlich sind.

Unsicherheit besteht hinsichtlich der Nebenwirkungen und insbesondere des Blutdruckabfalles bei dem außerhalb von Deutschland eingesetztem Fosphenytoin [16]. Ein Reviewartikel mit Metaanalyse und Einschluss von 11 prospektiv randomisierten Studien und insgesamt 2140 Patienten konnte die gleichwertige Wirksamkeit von (Fos)phenytoin und Levetiracetam bestätigen [7]. Allerdings war in der gepoolte Analyse Levetiracetam signifikant sicherer insbesondere gegenüber Fosphenytoin (im Gegensatz zu Phenytoin), was invasive Beatmung, Atemdepression und akute Hypotension betrifft [11]. Die Verabreichung von Levetiracetam als Bolusinjektion (in Dosierungen bis 4,5 g) mutete sich auch in einer retrospektiven Kohortenstudie mit Einschluss von 953 Patienten, die 8561 Verabreichungen von Levetiracetam bekommen hatten, als sicher an [12]. Zusammenfassend scheinen (Fos)phenytoin und Levetiracetam ähnlich wirksam zu sein, wobei sich Levetiracetam als sicherer erweist, insbesondere im Hinblick auf Hypotonie.

Infobox 3 Neues zum Status epilepticus

  • Die Diagnosestellung bei extrahospital auftretendem Status epilepticus erfolgt unverändert häufig erst verzögert.

  • Benzodiazepine werden häufig unterdosiert. Fosphenytoin und Levetiracetam scheinen gleichermaßen effektiv bei besserem Sicherheitsprofil von Levetiracetam, insbesondere was die Hypotension betrifft.

  • „Time is brain“ gilt auch beim SE.

  • Klare Diagnostik- und Therapiealgorithmen sollten fester Bestandteil des präklinischen und klinischen Managements sein.

Neues zum Temperaturmanagement nach Herz-Kreislauf-Stillstand

Zielgerichtetes Temperaturmanagement („targeted temperature management“ [TTM], therapeutische Hypothermie [TH]) ist ein wesentlicher Bestandteil der Leitlinien zur Behandlung von Patienten, die nach einem „out-of-hospital cardiac arrest“ (OHCA) oder „in-hospital cardiac arrest“ (IHCA) komatös bleiben [14, 22]. Entsprechend den aktuellen Leitlinien sollte dabei die Körperkerntemperatur mindestens für die ersten 24 h im Bereich zwischen 32 und 36 °C liegen und Fieber für mindestens 72 h nach Rückkehr eines Spontankreislaufs („return of spontaneous circulation“, ROSC) vermieden oder behandelt werden. Aufgrund der inhomogenen Datenlage und eingeschränkter Studienqualität früherer Studien wird der Empfehlungsgrad des TTM gering eingeschätzt [14, 22]. Für die weitere Diskussion und Studien sind die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten TTM-2-Studie wichtig [4]. Diese untersuchte bei 1900 Erwachsenen mit Koma nach ROSC die Effekte einer TTM-Behandlung mit 33 °C für 28 h plus Wiedererwärmung über 12 h sowie einer Normothermiegruppe (Zieltemperatur ≤ 37,5 °C). Beide Gruppen erhielten ein zusätzliches 32-stündiges Fiebermanagement. Weder im primären Outcomeparameter (Tod nach 6 Monaten) noch im neurologischen Outcome (mRS nach 6 Monaten) unterschieden sich die beiden Therapiegruppen voneinander. TTM führte aber zu einer signifikant erhöhten Rate von Arrhythmien. Die TTM-2-Studie wies eine hohe Rate von Patienten mit beobachtetem CA (ca. 91 %) und sofortiger Laienreanimation (ca. 80 %) auf. Im Mittel waren die Zeitspannen von CA bis Randomisierung (im Mittel 135 min) und Zeit von Beginn der Intervention bis 34 °C (im Mittel 180 min) recht lang. Aus den Daten von TTM‑2 lässt sich ableiten, dass für ein ähnliches Patientenkollektiv mit wahrscheinlich kardialer Ursache des CA und früher Reanimation die aktive Kontrolle zu Normothermie (inkl. spezifischer Sedierungs- und Prognostizierungsprotokolle sowie aktive Temperaturkontrolle) eine sinnvolle Behandlungsmethode darstellt. Ob therapeutische Hypothermie wirklich Mortalität und funktionelles Outcome nach CA verbessert und überlegen zu einer kontrollierten Normothermie ist, bleibt weiterhin offen. Möglicherweise profitieren aber andere Patientenkohorten von TH wie z. B. bei nichtschockbaren Rhythmen, nichtkardialer Ursache oder längerer „down-time“.

Zusammenfassend sollte TTM im Sinne einer kontrollierten Normothermie und Fiebervermeidung nach der Veröffentlichung von TTM‑2 Bestandteil der Therapie nach CA sein.

Infobox 4 Neues zum Temperaturmanagement nach Herz-Kreislauf-Stillstand

Für die Behandlung nach CA ist ein standardisierter Behandlungsalgorithmus zu etablieren, der klar und praktisch umsetzbar Temperaturmanagement inkl. Fiebervermeidung und Fieberbehandlung, Sedierungsprotokolle und Prognostizierungsabläufe definiert.

Neues zur Bildgebung nach Herz-Kreislauf-Stillstand

In einen reliablen Prognostizierungsalgorithmus nach CA geht eine Vielzahl wichtiger Parameter ein: klinischer Untersuchungsbefund, somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP), elektroenzephalographische Befunde, Ausmaß der Erhöhung der neuronenspezifischen Enolase (NSE) im Serum und die kraniale Bildgebung. Unklar ist, welche prognostische Aussagekraft eine frühe Bildgebung mittels kranialer Computertomographie nach CA hat. Eine retrospektive Studie untersuchte deshalb, wie sich die Analyse einer frühen CT-Bildgebung innerhalb von 6 h nach CA auf therapeutische Entscheidungen auswirkte [1]. Dabei beurteilten Neurointensivmediziner die CTs hinsichtlich einer möglichen hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung („hypoxic ischemic brain injury“, HIBI). Bei 182 nach CA komatösen Patienten (60 % der Gesamtkohorte, n = 302) wurden bei 25 % (n = 37) die kranialen CTs als pathologisch interpretiert. Bei 47 % der Patienten dieser Kohorte wurde die Therapie auf Grundlage der Bildgebung modifiziert in Richtung Änderung der Temperaturmanagements, Deeskalation der Maßnahmen sowie palliatives Therapiekonzept. Wesentlicher Punkt dieser Studie war, dass sich die radiologische Diagnose einer HIBI in der Befundung zwischen Radiologen und Neurointensivmedizinern bez. der Interratervariabilität (IRR) ganz wesentlich unterschied und somit eine exakte Diagnose einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung in dieser frühen Phase nach CA kaum möglich ist.

Ganz ähnliche Ergebnisse finden sich in einer Studie, bei der 20 früh nach ROSC angefertigte kraniale CTs von unterschiedlichen Fachgruppen (Radiologe, Neuroradiologe, Intensivmediziner, Neurointensivmediziner, Notfallmediziner) bez. einer möglichen HIBI analysiert wurden [2]. Bei den für die klinischen Befunde geblindeten Ärzte fand sich eine mittlere Übereinstimmung nahe der Ratewahrscheinlichkeit (mittlerer κ‑Koeffizienten nach Cohen 0,13–0,66). Das frühe CT sollte nach wie vor zur Differenzialdiagnose konkurrierender Ursachen wie bspw. einer Subarachnoidalblutung angefertigt werden. Für die Aussagekraft bez. HIBI kann die Grey White Matter Ratio (GWR) bestimmt werden. Eine GWR von unter 1,10 hat dabei einen hohen prädikativen Wert für ein schlechtes Outcome. Da sich die GWR über die Zeit nach CA bei Patienten nach CA vermindert, ist die Sensitivität zu späteren Zeitpunkten deutlich höher als zu früheren [25]. Zusammenfassend sollte eine reliable Prognostizierung nach ROCS strukturiert erfolgen und sich an aktuellen Leitlinien anlehnen, welche eine Bildgebung nach 72 h nach ROSC empfehlen [13]. Eine frühe CT-Bildgebung ist hilfreich zur Differenzialdiagnose konkurrierender Ursachen, sollte aber nur im Kontext einer strukturierten multimodalen Diagnostik zur Prognostizierung verwendet werden.

Infobox 5 Prognostizierung nach CA

  • In eine verlässliche Prognostizierung nach CA sollten in aller Regel eingehen: klinischer Untersuchungsbefund, somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP), elektroenzephalographische Befunde, Höhe der neuronenspezifischen Enolase (NSA) im Serum und die kraniale Bildgebung.

  • Eine frühe Bildgebung nach CA ist sinnvoll zur Differenzialdiagnose.

  • Bei der Interpretation der CT-Untersuchung sind Zeitpunkt und GWR wichtige Parameter.

  • Eine CT-Bildgebung als Bestandteil der Prognostizierung sollte vorzugsweise am 3. Tag nach CA oder später durchgeführt werden.

Neues zur Critical-illness-Polyneuropathie-Myopathie nach COVID-19-Erkrankung

Obwohl es intensivmedizinisch durch eine Coronavirus-disease-19(COVID-19)-Erkrankung häufig zu prolongierten Verläufen mit einer langen Beatmungsnotwendigkeit kommt, ist die Critical-illness-Polyneuropathie-Myopathie (CIPNM) nur unzureichend in diesem Patientenkollektiv untersucht. Patienten mit einem „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) allein (n = 21) und ARDS aufgrund einer COVID-19-Infektion (n = 23) wiesen keine unterschiedliche Inzidenz der CIPNM in dieser neurophysiologisch gut aufgearbeiteten Kohorte auf [23]. In einer anderen Studie wurden neurophysiologische Untersuchungen und Serumbiomarker verglichen zwischen COVID-Patienten, die keine oder eine CIPNM entwickelten [8]. Von den untersuchten 111 Patienten entwickelten 11 eine CIPNM, was dann wiederum assoziiert war mit einer schweren Erkrankung, längerem Intensivaufenthalt und einer höheren Rate invasiver Beatmung. Als Frühmarker für eine CIPNM zeigten sich erhöhte Serumwerte für NfL („neurofilament lightchain“) und GFAP („glial fibrillary acidic protein“).

Infobox 6 Critical-illness-Neuropathie-Myopathie bei COVID-19-Erkrankung

Die Inzidenz der Critical-illness-Neuropathie bei COVID entspricht der bei vergleichbar schweren respiratorischen Erkrankungen und ist assoziiert mit Krankheitsschwere, Intensivaufenthaltsdauer und invasiver Beatmung.

Fazit

Unsere Übersichtsarbeit referiert wichtige Ergebnisse aus der neurologischen Notfall- und Intensivmedizin der letzten Monate im Hinblick auf Akuttherapie, aber auch Prognostizierung (Infobox 16).