Im Jahr 2006 wurde das „Weißbuch Schwerverletztenversorgung“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) unter der Koautorenschaft zahlreicher renommierter Unfallchirurgen unseres Landes publiziert mit dem Ziel, die Grundlagen einer optimalen Schwerverletztenversorgung möglichst evidenzbasiert zu beschreiben.

Um sicherzustellen, dass die beschriebenen Anforderungen an eine flächendeckende Vernetzung adäquat ausgestatteter Kliniken tatsächlich allgemein umgesetzt werden, wurde im Auftrag der DGU durch den Arbeitskreis zur Umsetzung des Weißbuchs/Traumanetzwerks (AKUT) ein Prozess der Netzwerkgestaltung und Zertifizierung definiert.

Obwohl bereits Erkenntnisse zu Traumasystemen und deren Effizienz aus den USA bekannt waren und bei der Planung für Traumazentren in Deutschland berücksichtigt wurden, gibt es aktuell kein Beispiel für ein derart umfassendes, ein ganzes Land überspannendes Netzwerk. Als Besonderheit ist dabei die Einbindung aller mit der Schwerverletztenversorgung betrauten Kliniken unter Berücksichtigung allgemeingültiger Vorgaben zu Personal, Strukturen, Kommunikation, Ausbildung, Entgeltsystem und Qualitätsmanagement hervorzuheben.

Die Unfallchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover (Leitung: Prof. Dr. Christian Krettek) und des Klinikums Frederikenstift in Hannover (Leitung: Prof. Dr. Helmut Lill) gehören zu den Ersten in unserem Land, die reale Schritte zur praktischen Umsetzung der oben genannten theoretischen Vorgaben unternommen haben. Es ist das Verdienst der Autoren, dass sie unter Berücksichtigung bereits bestehender Kooperationen mit Kliniken in ganz Niedersachsen – entgegen des aufgrund der ökonomischen Entwicklungen häufig vorherrschenden Konkurrenzdenkens – die Etablierung von Traumanetzwerken in ihrem Bundesland partnerschaftlich vorangetrieben haben.

Bei den Ergebnissen der vorliegenden Publikation zu den „Anforderungen an Traumanetzwerke in Niedersachsen“ von Frank Hildebrand et al. handelt es sich um erste wissenschaftlich erhobene Daten zur realen Umsetzung von Traumanetzwerken. Die Autoren konnten neben der allgemein sehr hohen Bereitschaft zur Teilnahme an solchen Einrichtungen die unterschiedlichen Erwartungen der Kliniken entsprechend der jeweiligen Versorgungsstufe aufzeigen.

Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse zur Situation in Niedersachsen und die Einbindung der Leiter der zukünftigen regionalen und überregionalen Traumazentren des Bundeslandes haben dazu geführt, dass sich mittlerweile klare Strukturen verschiedener regional konzentrierter Traumanetzwerke nach den Kriterien der DGU etabliert haben. Unter der Vermittlung des Moderators für Niedersachsen (Prof. Dr. Michael Stürmer, Göttingen), erfolgte gleichzeitig eine die Landesgrenzen überschreitende Absprache sowie eine Einbindung angrenzender Bundesländer (Bremen und Hamburg).

Abschließend soll die Bedeutung der vorliegenden Studie v. a. aus einem Grund hervorgehoben werden: Die Zukunft einer flächendeckenden Vernetzung zur Verbesserung der Schwerverletztenversorgung hängt u. a. entscheidend davon ab, ob die Erwartungen der Kliniken an ein Traumanetzwerk erfüllt werden können.

Der Artikel ist somit vor allem auch jenen Ärzten zu empfehlen, die derzeit zusammen mit etwa 600 Kliniken in Deutschland an der Einrichtung von 56 regionalen Traumanetzwerken arbeiten.