Hintergrund

Als Nanomaterialien werden Materialien verstanden, die in mindestens einer Dimension Ausmaße von unter 100 nm (10−9 m) aufweisen. Viele Lebensmittel enthalten organische oder anorganische Partikel, deren Dimensionen mindestens teilweise im Nanometerbereich liegen. Diese Nanopartikel können natürlich in Lebensmitteln vorkommen, absichtlich zugesetzt sein, unabsichtlich durch Kontamination und Zutaten in das Lebensmittel gelangen oder durch Verpackungs- und Herstellungsschritte entstanden sein.

Natürliche organische Nanostrukturen in unserem Essen sind beispielsweise in der Milch zu finden. Die Caseinmizellen der Milch haben eine typische Größe im Bereich von wenigen Zehnteln eines Nanometers bis hin zu einigen hundert Nanometern [1, 2]. Ein weiteres Beispiel ist das sowohl in Nahrungsmitteln als auch im menschlichen Körper vorkommende Ferritin, ein Protein, das v. a. zum Speichern von Eisen dient. Es hat eine Größe von etwa 12 nm im Durchmesser und enthält einen Kern aus Eisen(III)-hydroxidoxid (FeO[OH]) [3]. Neben den organischen treten auch anorganische Nanopartikel natürlich und unbeabsichtigt auf. So ist etwa bekannt, dass entsprechend dimensionierte Partikel bei explosiven Vulkanausbrüchen, Staubstürmen oder Waldbränden freigesetzt werden und Teil des Feinstaubes sind [4]. Aber auch bei der Lebensmittelherstellung können nanoskalige Metallpartikel, etwa durch Maschinenabrieb, entstehen und in den Lebensmitteln verbleiben [5]. Auch einige Lebensmittelzusatzstoffe können Anteile von Partikeln im Nanomaßstab enthalten: beispielsweise Titandioxid (E171) und Siliziumdioxid (E551) [6,7,8]. Zur Exposition liegen nur für wenige Partikelspezies Daten vor. Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat in ihrer jüngsten Bewertung von E171 für das Szenario der maximalen Exposition mittlere Expositionshöhen von 0,4 mg/kg Körpergewicht/Tag Titandioxid (nanoskalig und nichtnanoskalig) für Erwachsene errechnet, während die korrespondierenden Werte für Kinder mit 10,4 mg/kg Körpergewicht/Tag deutlich höher liegen [9]. Dabei liegt je nach Bestimmungsmethode in E171 bis zu ungefähr ein Drittel der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung nanoskalig vor. Bezogen auf die Masseanteilverteilung beträgt der Anteil nanoskaliger Partikel in E171 maximal 3,2 % [9]. Metallische Nanopartikel können aber prinzipiell auch aus ionischen, gelösten Metallverbindungen entstehen. Dies konnte z. B. für Silber gezeigt werden [10, 11]. Daher kann das Auftreten von Nanopartikeln in Lebensmitteln, welche gelöste ionische Metallverbindungen enthalten, nicht ausgeschlossen werden.

Nanopartikel können auch absichtlich hergestellt werden, um sie bewusst Lebensmitteln zuzusetzen. So werden etwa synthetisierte oder isolierte Vitamine (z. B. Vitamin D und E), Mineralstoffe (z. B. Eisen und Calcium) oder sekundäre Pflanzenstoffe (z. B. Curcumin und Quercetin) in nanoskaliger Form oder an nanoskalige Strukturen gebunden in Lebensmitteln angereichert [12]. Diese Nahrungsergänzungsmittel und funktionelle Lebensmittel („Nutraceuticals“) werden mit diversen Gesundheitsversprechen beworben. Die Nano- oder Mikroformulierung soll dabei etwa die Löslichkeit von bioaktiven Stoffen erhöhen, sich auf das Verhalten der Substanz während des Produktionsprozesses oder auf die Haltbarkeit auswirken, unerwünschte sensorische Eigenschaften reduzieren oder die Bioverfügbarkeit erhöhen. Diese Thematik wird im Detail beispielsweise in den Übersichtsarbeiten von Oehlke et al. [12] oder von Livney [13] behandelt. Es gibt bislang jedoch kaum In-vivo-Daten, die mögliche positive Gesundheitseffekte solcher Nanoformulierungen von Vitaminen, Mineralstoffen oder sekundäre Pflanzenstoffen belegen. Auch die Möglichkeit von nachteiligen Wirkungen infolge einer Überdosierung aufgrund der erhöhten Bioverfügbarkeit von bioaktiven Substanzen kann nicht ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich ist es auch möglich, dass Nanomaterialien als Bestandteil von Lebensmittelkontaktmaterialien in Lebensmittel übergehen und so zu einer Exposition des Verbrauchers führen. Der Einsatz von Nanomaterialien in Lebensmittelkontaktmaterialien erfolgt u. a. zur Verbesserung der Barrierefunktion und der mechanischen Stabilität oder auch, um antimikrobielle Eigenschaften zu erreichen [14, 15]. So kann z. B. das Tonmineral Montmorillonit als nanoskaliger Füllstoff in Lebensmittelverpackungen verwendet werden [16]. Durch die sich in der Kunststoffmatrix überlappenden Tonplättchen wird der Gasaustausch verlangsamt, wodurch etwa die Abgabe von CO2 aus Erfrischungsgetränken eingeschränkt werden kann. Zu den in Europa für den Einsatz in Lebensmittelkontaktmaterialien akzeptierten Materialien zählt z. B. Titannitrid [17], welches die Barriere-Eigenschaften gegenüber Gasen verbessert. Weiterhin sind verschiedene nanoskalige Copolymere unter definierten Bedingungen für den Zusatz zu PVC zulässig [18]. Gegenwärtig wird die Entwicklung neuer nanotechnologisch ausgerüsteter Lebensmittelkontaktmaterialien v. a. durch das Defizit an robusten Analyseverfahren begrenzt. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat Kriterien für die Risikobewertung von Nanomaterialien in Lebens- und Futtermitteln veröffentlicht, welche Anforderungen bezüglich physikalisch-chemischer Daten und der Herangehensweise bei der Untersuchung möglicher, aufgrund der Nanoeigenschaften entstehender Gefahren enthalten [19]. Sofern mittels solcher Verfahren ein Übergang in das Lebensmittel ausgeschlossen werden kann, sind keine zusätzlichen toxikologischen Studien erforderlich.

Rechtliche Situation

In Abhängigkeit von der Art der Anwendung von Nanomaterialien existieren leicht voneinander abweichende juristische Definitionen. Einige legen dabei Schwellenwerte für die Anzahlgrößenverteilung der nanopartikulären Stoffe fest, andere grenzen absichtlich hergestellte Nanomaterialien von natürlich vorkommenden Stoffen ähnlicher Größenordnung ab. Relevante Definitionen von Nanomaterialien enthalten etwa die DIN-CEN-ISO/TS-Norm 27687 2008 [20], die Europäische Kosmetik-Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 [21], die Europäische Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 [22] und die Empfehlung 2011/696/EU der Europäischen Kommission [23]. Gemäß letztgenannter Empfehlung der Europäischen Kommission müssen mindestens 50 % der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung in einer oder mehreren Dimensionen Ausmaße im Bereich von 1–100 nm aufweisen. Eine detaillierte Zusammenfassung der verschiedenen regulatorischen Definitionen von Nanopartikeln inner- und außerhalb der EU findet sich in der Übersichtsarbeit von Amenta et al. [24]. Keine der genannten Definitionen orientiert sich dabei an nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken der jeweils von der Definition erfassten oder ausgeschlossenen Partikel.

Die für den Verbraucher im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung relevante Definition ist in der Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 zu finden und wurde kürzlich mit der neuen Novel-Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 angepasst [22, 25]. Demnach ist ein „technisch hergestelltes Nanomaterial“ ein absichtlich hergestelltes Material, das in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Größenordnung von 100 nm oder weniger aufweist oder dessen innere Struktur oder Oberfläche aus einzelnen funktionellen Teilen besteht, von denen viele in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Größenordnung von 100 nm oder weniger haben, einschließlich Strukturen, Agglomeraten und Aggregaten, die zwar größer als 100 nm sein können, deren durch die Nanoskaligkeit bedingte Eigenschaften jedoch erhalten bleiben. Zu den durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften gehören diejenigen Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der großen spezifischen Oberfläche des jeweiligen Materials stehen, und/oder besondere physikalisch-chemische Eigenschaften, die sich von denen desselben Materials in nichtnanoskaliger Form unterscheiden.

Seit Mitte Dezember 2014 müssen alle unter diese Definition [22, 25] fallenden Nanopartikel in Lebensmitteln durch das Wort „nano“ gekennzeichnet werden, um den Verbraucher über die Nanoskaligkeit von Zutaten zu informieren. Die Vorgabe der „absichtlichen Herstellung“ der enthaltenen Partikel [22, 25] sowie die Anforderungen an die Anzahlgrößenverteilung [23] und die Kombination von Größenobergrenzen in der gültigen Partikeldefinition mit der verwendeten Methode zur Partikelgrößenbestimmung schränkt hierbei jedoch die in der Praxis kennzeichnungspflichtigen Partikelspezies stark ein: In der Regel liegt der Anteil der Nanopartikel in einem Lebensmittel bzw. einer Lebensmittelzutat deutlich unterhalb des gesetzlich vorgegebenen Schwellenwerts der Anzahlgrößenverteilung von 50 % [23]. Außerdem werden natürliche Nanopartikel von der gültigen Definition ausdrücklich nicht erfasst und unterliegen somit keiner Kennzeichnungspflicht. Geeignete Nachweismethoden für die Verwendung von Nanomaterialien in komplexen Matrizes wie Lebensmitteln befinden sich aktuell in der Entwicklung. Zudem hat auch der Zeitpunkt im Lebenszyklus des Nanomaterials, zu dem die Analyse durchgeführt wird, erheblichen Einfluss auf das Ergebnis [26]. Die Zulassung von neuartigen Lebensmitteln, die aus technisch hergestellten Nanomaterialien im Sinne der oben genannten Definition bestehen und vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden, erfolgt ab 2018 nach den Vorgaben der neuen Novel-Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 [25].

Gastrointestinale Aufnahme von Nanopartikeln

Das Darmepithel spielt eine entscheidende Rolle für eine mögliche Aufnahme von Nanopartikeln in den Körper und stellt gleichzeitig ein primäres Ziel potenziell toxischer Wirkungen der Partikel dar. Unabhängig von ihrem natürlichen Vorkommen oder ihrer bewussten Herstellung und Verwendung nehmen wir täglich Nanopartikel mit der Nahrung auf. Diese Partikel müssen vor einer möglichen Resorption im Darm und dem Kontakt mit den Zellen der Darmschleimhaut zunächst das menschliche Verdauungssystem aus Mundhöhle, Speiseröhre, Magen und Darm passieren. Auf ihrem Weg durch den Magen-Darm-Trakt sind die Nanopartikel wechselnden Bedingungen ausgesetzt, welche durch die Veränderung von Eigenschaften wie Größe, Form und Ladung das Verhalten der Partikel beeinflussen können. Dies wiederum beeinflusst deren Verbleib im Körper: So können sich Partikel beispielsweise auflösen, im Dünndarm resorbiert werden oder den Dickdarm erreichen, mit der mikrobiellen Darmbiota wechselwirken oder unverdaut wieder ausgeschieden werden.

In den verschiedenen Abschnitten des Verdauungssystems liegen unterschiedlich zusammengesetzte Verdauungssäfte vor – so wechseln etwa der pH-Wert und die Ionenstärke teilweise deutlich. Zusätzlich unterstützen oberflächenaktive Stoffe wie Gallensäuren, Phospholipide, Fettsäuren und Proteine die Zersetzung der Nahrung und, abhängig von der jeweiligen Materialbeschaffenheit, potenziell auch die von nanoskaligen Strukturen. Je nach individueller physikochemischer Natur des betrachteten Nanopartikels kann infolge der chemischen Umgebung des Magen-Darm-Trakts unter Umständen eine vollständige Auflösung anorganischer Nanopartikel oder eine Aggregation zu größeren Partikeln erfolgen [27,28,29]. Umgekehrt konnte gleichzeitig eine Neubildung von nanoskaligen Strukturen aus gelösten Verbindungen im Magen-Darm-Trakt gezeigt werden [30]. Die Verdauungssäfte enthalten zudem unterschiedliche Enzyme wie Glycosidasen, Proteinasen und Lipasen, die insbesondere zu Veränderungen von organischen Nanopartikeln führen können.

Biopolymere aus Proteinen und Mucinen sorgen für einen reibungsarmen Transport der Nahrung durch den Gastrointestinaltrakt und für den Schutz der Epithelien vor mechanischen Einflüssen, die von den komplexen Fließ- und Scherkräften durch die Peristaltik ausgehen. Nanopartikel bilden in komplexen organischen Matrizes eine sog. Corona, d. h. sie umgeben sich mit einer Schicht aus Proteinen und anderen Biomolekülen. Abhängig von Veränderungen oder einer Neubildung solch einer Proteincorona können sich die Stabilität und das Agglomerationsverhalten der Nanopartikel substanziell ändern [31]. Die Natur der Proteincorona eines Partikels stellt einen wichtigen Parameter bei der Interaktion von Partikeln mit Epithelien der Darmwand dar.

Umgekehrt werden nicht nur die Eigenschaften von Partikeln durch den Verdauungsprozess verändert und beeinflusst, sondern es ist prinzipiell auch eine Veränderung der Verdauung durch die Partikel denkbar. Dies könnte durch eine Hemmung von Verdauungsenzymen, durch eine Absorption von Nahrungsbestandteilen an die Partikel oder auch durch eine Beeinflussung der mikrobiellen Darmbiota geschehen.

Die genaue Form, in welcher nanoskalige Partikel im Darm auf das dortige Epithel treffen, kann sich demnach substanziell von der chemischen Natur der Partikel, wie sie ursprünglich im Nahrungsmittel enthalten waren, unterscheiden. Es ist nur schwer möglich, alleine auf der Basis von physikochemischen Daten der ursprünglich dem Nahrungsmittel zugesetzten Partikel Rückschlüsse über eine mögliche gastrointestinale Aufnahme von Nanopartikeln oder über deren mögliche toxische Wirkungen im Darm zu ziehen.

Die oben beschriebenen Veränderungen der Partikelstruktur, also eine teilweise oder vollständige Auflösung, Neubildung, Aggregation oder die Bildung einer Proteincorona, lassen sich im lebenden Organismus nur schwer direkt untersuchen. Stattdessen kommen zum Studium dieser Phänomene zumeist artifizielle Modelle des Verdauungstrakts zur Anwendung, welche die verschiedenen Abschnitte der gastrointestinalen Passage und ihre chemischen Gegebenheiten, wie etwa den Speichel in der Mundhöhle, den Magensaft oder die intestinale Flüssigkeit, nachstellen. Dies ermöglicht eine Untersuchung der Partikeleigenschaften entlang der Teilschritte der Verdauung auch unter der Berücksichtigung der gleichzeitigen Präsenz verschiedener Nahrungsmittelbestandteile [27, 28, 30, 32, 33].

Toxikologie von Nanopartikeln

Nanopartikel sind aufgrund ihrer im Vergleich zu demselben Material in größerer Form veränderten Eigenschaften nicht nur von Interesse für diverse technische Anwendungen, sondern stehen auch seit Jahren im Fokus toxikologischer Untersuchungen. Diese veränderten Eigenschaften können z. B. durch das aus ihrer geringen Größe resultierende vergrößerte Oberfläche-Volumen-Verhältnis bedingt sein. Letzteres führt zu einer stärkeren chemischen Reaktivität der Nanopartikel im Vergleich zu größeren Partikeln aus vergleichbarem Material [34]. Dieses veränderte Verhalten im Nanomaßstab kann bei technischen und anderen Anwendungen von Vorteil sein, ist gleichzeitig aber auch Basis der Vermutung, dass Nanopartikel ein im Vergleich zu gelösten Substanzen oder größeren Partikeln verändertes und ggf. erhöhtes toxikologisches Potenzial aufweisen.

In diesem Zusammenhang wird diskutiert und untersucht, inwieweit Nanopartikel aufgrund ihrer geringen Größe möglicherweise bevorzugt physiologische Barrieren überwinden und somit in Zellen oder Gewebe aufgenommen werden können. Dies würde es den Partikeln ermöglichen, toxische Mengen eines Materials in Zellen und Gewebe einzuschleusen, welches in anderer Form nur in geringerem Maße aufgenommenen werden würde. Solch ein Mechanismus wäre z. B. bei der Aufnahme von potenziell toxischen Metallionen möglich: Während die Aufnahme der gelösten Metallionen in die Zelle mittels Transport- bzw. Kanalproteinen in der Zellmembran nur sehr gering ist, könnte sie in partikulärer Form auf anderen Wegen deutlicher effizienter in die Zellen gelangen. Dort könnten vermehrt Metallionen aufgrund der herrschenden chemischen Bedingungen aus den Nanopartikeln freigesetzt werden, beispielsweise wegen eines sauren pH-Werts oder des Vorhandenseins reaktiver Sauerstoffspezies in den Lysosomen. Vermutet wird dies etwa für Silbernanopartikel in murinen Mikrogliazellen und Astrozyten [35]. Aufgrund der Analogie zum historischen Vorbild wird solch ein Mechanismus auch als „Trojanisches Pferd“ bezeichnet. Derartige Effekte scheinen jedoch nicht den Regelfall für Nanopartikel beliebiger chemischer Zusammensetzung darzustellen. Vielmehr scheinen die Effekte nur in bestimmten Fällen aufzutreten, in denen mehrerer Faktoren zusammenspielen, welche die chemische Natur der Nanopartikel und deren individuelle Fähigkeit zur Ionenabgabe sowie die spezifische Bereitschaft der jeweils untersuchten Zellpopulation zur Aufnahme der relevanten Nanopartikel umfassen. Allein aus der Möglichkeit der Ionenfreisetzung durch einen Partikel kann daher noch nicht auf einen Toxizitätsmechanismus nach der Art des „Trojanischen Pferds“ geschlossen werden.

Einen weiteren Fall eines „Trojanischen Pferds“ würden Partikel darstellen, die nicht selbst toxisch sind oder toxische Bestandteile freisetzen, die aber andere Stoffe, wie etwa bestimmte Umweltkontaminanten, binden und nach der Aufnahme der Partikel in den Körper bzw. in die Zelle diese Kontaminanten dort wieder abgeben. Die Art der jeweiligen Schadwirkung würde in solch einem Fall prinzipiell dem toxikologischen Profil der jeweiligen Kontaminante entsprechen, wobei die in die Zelle aufgenommene Menge dieses Stoffes oder die Geschwindigkeit der Aufnahme durch die Anwesenheit der Partikel verändert sein könnten.

Abgesehen von möglichen nanospezifischen toxikologischen Eigenschaften, die – wie oben beschrieben – in Einzelfällen belegt werden konnten, scheint in vielen Fällen die toxische Wirkung von nanoskaligen metallischen Nanopartikeln im Wesentlichen durch die aus ihnen freigesetzten Ionen vermittelt zu sein. Dabei könnte, soweit Unterschiede zwischen den Effekten von Partikeln und Ionen festgestellt wurden, die spezifische Kinetik der Ionenfreisetzung aus den Partikeln zumindest einen Teil der Unterschiede erklären. Zudem ist es bei diesen Vergleichen von großer Relevanz, auf Basis welcher Dosis die beobachtete Wirkung und deren Unterschiede miteinander verglichen werden: Bisher wird häufig die Konzentration, Masse oder Oberfläche als Basis für die Dosis verwendet [36, 37]. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Beschaffenheit der Nanopartikel sie v. a. in In-vitro-Experimenten deutlich langsamer diffundieren lässt als gelöste Ionen, jedoch auch deutlich langsamer sedimentieren lässt als größere Partikel. Zur Bestimmung der Menge an Nanopartikeln, die in vitro tatsächlich mit dem verwendeten zellulären Testsystem Kontakt hat (der sogenannten effektiven Dosis), existieren verschiedene Berechnungsmodelle [38,39,40,41], die jedoch noch nicht durchgehend Anwendung finden.

Für die Risikobewertung spielen neben In-vitro-Experimenten traditionell v. a. in vivo durchgeführte Studien die entscheidende Rolle. Die EFSA empfiehlt in ihrem Leitliniendokument zur Risikobewertung von Nanotechnologieanwendungen in der Futter- und Lebensmittelkette u. a. folgendes Vorgehen, um eine Risikobewertung von Nanomaterialien zu ermöglichen: Im ersten Schritt ist eine umfangreiche physikochemische Charakterisierung der verwendeten Nanomaterialien erforderlich. Da sich die Eigenschaften der Nanomaterialien in unterschiedlichen Umgebungen verändern können, empfiehlt die EFSA, folgende Bedingungen zu untersuchen: den Zustand, in dem das Nanomaterial hergestellt wurde; den Zustand in dem das Nanomaterial im Lebens- und Futtermittel verwendet wird oder vorliegt; den Zustand, in dem das Nanomaterial in den toxikologischen Untersuchungen vorliegt sowie den Zustand der Nanomaterialien in biologischen Flüssigkeiten und Geweben. Wenn die Eigenschaften und das Verhalten der Nanomaterialien bekannt sind und eine Exposition zu erwarten ist, sollen mögliche Gefahren identifiziert werden. Dafür sollten mindestens In-vitro-Genotoxizitätsuntersuchungen, toxikokinetische Analysen sowie eine 90-Tage-Studie an Nagern mit wiederholter oraler Gabe Anwendung finden [19].

Fazit

Allgemeine Aussagen in der Art, dass nanoskalige Partikel grundsätzlich als sicher oder grundsätzlich als unsicher im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes angesehen werden können, lassen sich auf Basis der verfügbaren Daten nicht treffen. Trotz einer Vielzahl an verfügbaren experimentellen Studien zu verschiedenen Aspekten der Toxikologie unterschiedlichster Nanopartikel liegen bislang nur wenige Risikobewertungen zu Nanomaterialien vor. Von der EFSA wurden bzw. werden im Rahmen der Reevaluierung zugelassener Lebensmittelzusatzstoffe in ihren wissenschaftlichen Stellungnahmen auch in einigen Fällen nanopartikuläre Anteile mit betrachtet [42,43,44], teilweise mit dem Ergebnis einer für eine abschließende Risikobewertung noch unzureichenden Datenlage, wie z. B. im Fall von E 172 (gelbes und rotes Eisenoxid) [43]. Insgesamt basiert die derzeitige Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken durch oral aufgenommene Nanopartikel, bedingt durch die Unterschiedlichkeit der Eigenschaften verschiedenster Partikeltypen, im Wesentlichen auf Einzelfallbetrachtungen. Ein Übergang der Risikobewertung hin zu einer möglichen Gruppierung ähnlicher und gemeinsam zu bewertender Nanomaterialien erscheint für die Zukunft erstrebenswert und ist Gegenstand aktueller Forschungsprojekte.

Während bislang die Schwerpunkte der nanotoxikologischen Forschung im Bereich der Lebensmittelsicherheit auf anorganischen Nanopartikeln lagen, ist zu erwarten, dass dem Feld der organischen Nanopartikel in Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen wird. Neben Fragen zu den toxikologischen Eigenschaften von oral aufgenommenen Nanopartikeln haben in jüngster Zeit auch Funde von Plastikmikropartikeln, einem zuvor insbesondere im Bereich der Umwelttoxikologie und mariner Lebewesen diskutierten Thema, in Lebensmitteln wie Bier und Honig öffentliche Resonanz erfahren [45, 46]. Da nicht zu erwarten ist, dass die zur Entstehung von Plastikmikropartikeln führende Verwitterung von Plastik in der Umwelt im Mikrometerbereich endet, erscheint es denkbar, dass auch mögliche Effekte nanoskaliger Plastikpartikel, die aus der Umwelt über die Nahrungskette auch in den menschlichen Körper gelangen könnten, ins Zentrum des Interesses rücken. Zudem erscheint aufgrund der vielfältigen technischen Verwendung von Nanopartikeln ein Auftauchen solcher Nanomaterialien als Kontaminanten in Lebensmitteln nur als eine Frage der Zeit. Großer Forschungsbedarf besteht zudem in der Entwicklung empfindlicher analytischer Methoden zum Nachweis gerade von organischen Nanopartikeln in komplexen Matrizes, wie Lebensmittel sie darstellen.

Nanotechnologie und Nanomaterialien finden außer in Lebensmitteln v. a. in vielen anderen Bereichen wie Elektronik, Werkstofftechnik und Medizin eine Anwendung. Neben den technischen Vorteilen, die Materialien in diesen kleinen Dimensionen mit sich bringen können, ist jedoch besonders auch deren Akzeptanz in der Bevölkerung ein wichtiger Faktor, der über zukünftige Anwendung und Verbreitung einer Technologie entscheidet. Während technische Anwendungen von Nanomaterialien auf zumeist positive Resonanz der Verbraucher stoßen, ist die Akzeptanz gegenüber Nanopartikeln in Lebensmitteln deutlich geringer [47]. Hier wird die Zukunft zeigen, ob und wie weit sich der Einsatz von bewusst hergestellten und zugesetzten Nanomaterialien im Lebensmittelbereich durchsetzen wird. Aus Sicht der Wissenschaft können sorgfältige Untersuchungen des möglichen toxikologischen Potenzials von nanoskaligen Materialien sowie eine verständliche und transparente Kommunikation der Ergebnisse helfen, die Sicherheit des Verbrauchers zu gewährleisten. Zusätzlich tragen nachvollziehbare Kennzeichnungsregelungen zur Sicherstellung der Wahlfreiheit des Verbrauchers bei.