1. Vorbemerkung

Dies ist die zweite Aktualisierung dieser Leitlinie vom 21.07.2020. Die erste Version wurde in der Zeitschrift Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin publiziert [1, 2]. Ergänzt wurden in der dritten Version die im Volltext publizierte RECOVERY-Studie zum Dexamethason, die ausgesprochene Zulassung für Remdesivir, Details zu den Beatmungsfiltern (HME versus HEPA) sowie einzelne Aspekte zu pädiatrischen Patienten.

Diese Empfehlung soll Ärzten auf Intensivstationen, die Patienten mit COVID-19 betreuen, eine Hilfestellung geben. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem aktuellen COVID-19 Ausbruchsgeschehen um eine sich sehr dynamisch entwickelnde Situation handelt. Umfangreiche Informationen zum Erreger und zum Ausbruchsgeschehen finden sich auf der Homepage des Robert Koch Instituts (www.rki.de). Grundsätzlich empfehlen wir sich in einem multidisziplinären Team im Krankenhaus mit der Thematik zu befassen. Dazu sollten in jedem Fall Intensivmediziner, Pflegekräfte, Infektiologen, und Krankenhaushygieniker gehören.

2. Einleitung

Im Dezember 2019 wurden erstmals in China Erkrankungen mit dem bis dato nicht bekannten Coronavirus SARS-CoV‑2 beschrieben. Die Infektion breitete sich schließlich als Pandemie weltweit aus. Das neuartige Coronavirus erhielt den offiziellen Namen „SARS-CoV-2“, klinisches Bild und Erkrankung werden als „COVID-19“ bezeichnet. Eine Infektionsübertragung durch infizierte Personen erfolgt in der Regel über Tröpfcheninfektion, Aerosole und bei engen Kontakten. Daher ist eine konsequente Umsetzung der Basishygiene (einschließlich der Händehygiene) sowie der Personalschutzmaßnahmen essentiell.

3. Diagnostik

3.1. Mikrobiologische Diagnostik

Der Nachweis des SARS-CoV‑2 erfolgt aus einem Nasopharynx-Abstrich oder Oropharynx-Abstrich mittels PCR. Bei negativem Testergebnis und dringendem klinischem Verdacht sollte eine zweite Probe getestet werden. Bei Patienten im späteren Verlauf der Erkrankung (Pneumonie, ARDS) kann der Rachenabstrich bereits wieder virenfrei sein, während noch infektiöse Viruslast in den unteren Atemwegen besteht, sodass die Gewinnung von Tracheobronchialsekret hilfreich ist.

Antikörpernachweise dienen aktuell primär infektionsepidemiologischen Fragestellungen. Nach derzeitigem Kenntnisstand zeigt ein serologischer Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern eine Exposition mit SARS-CoV‑2 an, lässt derzeit jedoch noch keine eindeutige Aussage zur Infektiosität für andere oder einem Immunstatus des Patienten zu [3].

3.2. Krankheitsbild

Der Altersmedian der Erkrankten in Deutschland liegt bei 49 Jahre [4], bei Intensivpatienten um 63 Jahre [5]. Insgesamt sind Frauen (52 %) und Männer (48 %) annähernd gleich häufig betroffen, allerdings erkranken Männer etwa 2mal häufiger schwer an COVID-19 – und haben insgesamt ein höheres Sterberisiko [4]. Bei notwendiger stationärer Aufnahme liegen oft Komorbiditäten vor. Die häufigsten sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (insbesondere arterielle Hypertonie), Diabetes mellitus, chronische Lungenerkrankungen und Adipositas [6,7,8].

Die Erkrankung manifestiert sich meist als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Das einzige annähernd pathognomonische Symptom für COVID-19 ist die Anosmie, die bei etwa 10–20 % der Patienten auftritt. Bei 81 % der Patienten ist der Verlauf mild, bei 14 % schwer und 5 % der Patienten sind kritisch krank [9]. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (>30/Min); dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Oft zeigen sich zu diesem Zeitpunkt in der Bildgebung bereits pulmonale Infiltrate/Konsolidierungen [10].

Eine Aufnahme auf die Intensivstation von COVID-19 Patienten ist sinnvoll, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • Hypoxämie SpO2 <90 % (unter 2–4 l Sauerstoff/Min bei nicht vorbestehender Therapie) und Dyspnoe

  • Atemfrequenz >25–30/Min

  • systolischer Blutdruck ≤100 mm Hg

  • erhöhte Laktatwerte

Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines ARDS sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Co-Infektion mit septischem Schock. Viele der Intensivpatienten benötigten eine invasive Beatmung [5, 11]. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung, Lungenembolien sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens oder Multiorganversagens. Die Zeitdauer vom Beginn der Symptome bis zur Aufnahme auf die Intensivstation beträgt ca. 10 Tage [12], die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation liegt im Mittel (Median) bei ca. 9 Tagen [5], bei invasiver Beatmung im Mittel (Median) bei ca. 18 Tagen [7].

3.3. Labor

Laborchemisch zeigt sich häufig (ca. 80 %) eine Lymphopenie, bei einem Drittel der Patienten mit Leukopenie. Die meisten Patienten haben einen erhöhten CRP- und einen normalen Procalcitoninwert, bei deutlich erhöhten Werten muss an eine bakterielle Superinfektion gedacht werden [13]. Eine Thrombozytopenie, LDH-Wert Erhöhung oder D‑Dimer-Wert Erhöhung findet sich bei ca. 40 % der Patienten. Nach den bisherigen Erfahrungen deuten erhöhte D‑Dimer-Werte, eine persistierende Lymphopenie und hohe LDH-Werte auf eine schlechte Prognose hin [7]. Bei einem kleineren Teil der Patienten finden sich Troponinerhöhungen, die Relevanz ist unklar.

3.4. Bildgebung

Im konventionellen Röntgenbild zeigen sich bei intensivpflichtigen Patienten oft bilaterale Infiltrate. In der CT finden sich bereits sehr früh im Laufe der Erkrankung bilaterale, subpleural imponierende Milchglastrübungen und eine Konsolidierung von Lungenabschnitten, Pleuraergüsse und Lymphadenopathie finden sich nur selten [14, 15]. Die Befunde im CT sind dabei nicht spezifisch für COVID-19, sondern können auch bei anderen viralen Pneumonien vorliegen. Aufgrund des Risikos für Mitarbeiter und Patienten sollte eine CT bei Intensivpatienten nur bei therapeutischer Konsequenz (wie z. B. bei V. a. Lungenembolie) durchgeführt werden [16]. Bettseitige Untersuchungen (Ultraschall), insbesondere als Verlaufsuntersuchungen, werden bevorzugt.

4. Unterbringung/Hygienemaßnahmen

Die Unterbringung erfolgt vorzugsweise einzeln in einem Isolierzimmer, idealerweise mit Schleuse/Vorraum. Im Falle einer ausgeprägten Epidemie/Pandemie sollte eine Kohorten-Isolation angestrebt werden.

Die strikte räumliche Trennung von SARS-CoV-2-Infizierten und anderen Patienten sollte im stationären Sektor durchgeführt werden. Dies in drei nach Möglichkeit räumlich und personell voneinander getrennten Bereichen:

  • COVID-Bereich (alle Patienten SARS-CoV‑2 positiv)

  • Verdachtsfall-Bereich

  • Nicht-COVID-Bereich (alle Patienten SARS-CoV‑2 negativ und asymptomatisch)

Raumlufttechnische Anlagen mit aktiver Entlüftung sollten nicht abgestellt werden, ggf. sollte eine zusätzliche regelmäßige Fensterlüftung erfolgen, die eine wesentliche protektive Maßnahme zur aerosolbedingten Übertragung darstellt. Dabei sollte eine Luftzirkulation zwischen verschiedenen Räumen vermieden werden.

Zugang zum Patienten erfolgt nur durch Personal, das für die Versorgung von COVID-19-Patienten geschult ist und von der Versorgung anderer Patienten freigestellt sein sollte. Dabei ist die Zahl der Personen, die das Zimmer betreten auf ein Minimum zu reduzieren. Besuche durch Angehörige sollten auf ein Minimum beschränkt und zeitlich begrenzt sein. Der Personaleinsatz sollte bedarfsgerecht sein. Bei der Betreuung der Patienten ist unbedingt auf eine konsequente Umsetzung der Basishygiene (einschließlich Händehygiene) sowie auf die korrekte Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zu achten. Laut Empfehlungen des RKI besteht die persönliche Schutzausrüstung aus Schutzkittel, Einweghandschuhen, dicht anliegender Atemschutzmaske (FFP2 bzw. FFP3, z. B. bei Intubation, Bronchoskopie oder anderen Tätigkeiten, bei denen Aerosole entstehen können) und Schutzbrille. Wichtig ist die korrekte Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung, dies beinhaltet das kontrollierte Anlegen (insbesondere Dichtsitz der Maske) und das korrekte Ablegen (mit mehrfachen Händedesinfektionen), die Mitarbeiter sollten diesbezüglich geschult sein.

Konkrete Empfehlungen zu den notwendigen Hygienemaßnahmen (räumliche Unterbringung, Personalschutzmaßnahmen, Desinfektion, Reinigung, Abfallentsorgung, Krankentransport und Besucherregelungen) finden sich auf der Homepage des RKI [17]. Die Festlegung von Maßnahmenbündeln sollte für jede medizinische Einrichtung lageangepasst durch ein Expertengremium erfolgen.

Eine Entisolierung von intensivpflichtigen Patienten nach COVID-19 Erkrankung erscheint bei folgenden Konstellationen möglich:

  1. 1.

    Patient ist intubiert/tracheotomiert

    • Krankheitsbeginn liegt mehr als 14 Tage zurück und

    • 2 × negative SARS-CoV-2-PCR Testung aus zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen: ein Nasopharynx-Abstrich oder Oropharynx-Abstrich und eine Testung aus Tracheobronchialsekret

  2. 2.

    Patient ist extubiert bzw. nicht-invasiv beatmet

    • Krankheitsbeginn liegt mehr als 14 Tage zurück und

    • 2 × negative SARS-CoV-2-PCR Testung aus zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen: ein Nasopharynx-Abstrich und ein Oropharynx-Abstrich

5. Maßnahmen bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz

5.1. Sauerstoffgabe, High-Flow-Sauerstofftherapie, nichtinvasive Beatmung

Therapeutisch stehen bei Vorliegen einer Hypoxämie bzw. einer respiratorischen Insuffizienz zunächst die Gabe von Sauerstoff über Nasensonde, Venturi-Maske, und High-Flow-Sauerstofftherapie (HFNC) im Vordergrund (Abb. 1; [18]). Bei progredienter Verschlechterung des Gasaustausches und vermehrtem Sauerstoffbedarf ist die Indikation zur CPAP-Therapie oder nichtinvasiven Beatmung (NIV) bzw. invasiven Beatmung zu überprüfen. Ziel ist es eine adäquate Oxygenierung sicherzustellen, empfohlen wird eine SpO2 ≥90 % bzw. ein paO2 >55 mmgHg [19, 20].

Abb. 1
figure 1

Mögliche apparative Therapieeskalation bei akuter respiratorischer Insuffizienz infolge COVID-19 [18] (NIV Nichtinvasive Beatmung, PEEP Positive Endexpiratory Pressure, CPAP Continuous Positive Airway Pressure). aAnwendung unter persönlichem Anwenderschutz gemäß RKI-Empfehlung

Die High-Flow-Sauerstofftherapie wird bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz häufig eingesetzt und kann die Notwendigkeit einer Intubation reduzieren ohne die Sterblichkeit signifikant zu beeinflussen [21]. Der Einsatz der NIV beim mittelschweren und schweren ARDS führt zu einem Therapieversagen in mehr als 50 % der Fälle. Dieses ist bei schwerem ARDS mit Mortalitätsraten von fast 50 % assoziiert [22, 23]. Dabei erweist sich neben der Schwere des aktuellen Krankheitsbildes das Ausmaß der Oxygenierungsstörung als Prädiktor für das NIV-Versagen; als kritische Grenze für eine erhöhte Mortalität wird ein PaO2/FiO2 <150 mm Hg beschrieben [24]. Auch hohe Tidalvolumen (>9,5 ml/kgKG) in den ersten vier Behandlungsstunden sind prädiktiv für ein NIV-Versagen [25]. Da es bei diesen Patienten zu einer raschen Verschlechterung kommen kann, soll ein kontinuierliches Monitoring unter ständiger Intubationsbereitschaft gewährleistet sein. Daher sollten High-Flow-Sauerstofftherapie und NIV bei akuter hypoxämischer Insuffizienz auf der Intensivstation durchgeführt werden. Kommt es unter den durchgeführten Maßnahmen zur weiteren Progression der akuten respiratorischen Insuffizienz, sollten ohne zeitliche Verzögerung die Intubation und eine nachfolgende invasive Beatmung erfolgen. Maßgeblich bei dieser Maßnahme ist ausdrücklich der Patientenwunsch.

5.1.1. Aerosolbildung

Sowohl bei Anwendung der High-Flow-Sauerstofftherapie als auch der NIV besteht – in Abhängigkeit von den applizierten Beatmungsdrucken bzw. zunehmenden Flow-Werten – eine vermehrte Aerosolbildung, die bei COVID-19-Infektion ein potenzielles Risiko für eine Viruskontamination darstellt [26, 27]. Jeder Atemzug erzeugt Aerosole, die abgegebene Menge korreliert dabei mit der Atemzugtiefe [28]. Eine vermehrte Abgabe infektiöser Partikel konnte bisher nur bei Patienten unter NIV mit Leckagesystem und erhöhter Sekretlast nachgewiesen werden [29]. Studien zur Charakterisierung der Exspirationswolke unter NIV und NHF zeigen keine vermehrten Luftströme jenseits von einem Meter Abstand zum Gesicht des Patienten [30,31,32].

Absolut notwendige Voraussetzung für diese Therapieformen bei dieser Patientengruppe ist daher, wie bei allen patientennahen Arbeiten, die korrekte Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung beim Personal (insbesondere korrekter Dichtsitz der FFP2-Maske) [16]. Ein adäquater Sitz der nasalen High-Flow-Brille bzw. der NIV-Maske beim Patienten ist wichtig, um die Aerosolbildung zu reduzieren [30]. Bei der High-Flow-Sauerstofftherapie sollten die Patienten einen Mund-Nasen-Schutz über der Kanüle tragen [33]. In Simulationsmodellen reduziert das die Exspirationswolke [34], ob hierdurch die Effektivität der High-Flow-Sauerstofftherapie kompromittiert wird ist bisher nicht untersucht. Bei Durchführung der NIV müssen Leckagen auf ein Minimum reduziert werden. Deshalb sollten bei COVID-19 Nasen-Mund-Masken, Vollgesichtsmasken oder Beatmungshelme zum Einsatz kommen. Zudem müssen Leckage-freie Masken (non-vented Masken) Verwendung finden. Die bei COVID-19 eingesetzten Beatmungsgeräte sollten bevorzugt mit Doppelschlauchsystemen betrieben werden, um das Risiko der Umgebungskontamination zu vermeiden. Bei der Verwendung von Einschlauchsystemen muss zwischen dem Interface und der intendierten Leckage (whisper-swivel) bzw. dem Ausatemventil ein virendichter Filter eingesetzt werden [18]. Hierdurch ist tendenziell die Aerosolabgabe verglichen mit der Spontanatmung sogar zu reduzieren [29].

Zusammenfassend erscheinen weder eine frühe Intubation, aus Angst des medizinischen Personals vor einer Infektion mit SARS-CoV‑2, noch eine Therapie mit HFNC/NIV bei schwerer Oxygenierungsstörung gerechtfertigt. Die HFNC/NIV bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz im Rahmen von COVID-19 sollte nur bei klarer Indikation mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden. Bei Patienten mit einer schwereren Hypoxämie (PaO2/FiO2 ≤150 mm Hg) und Atemfrequenzen >30/min ist vorzugsweise die Intubation und invasive Beatmung anzustreben. Eine kritische Verzögerung der Intubation bei Nichtansprechen einer NIV verschlechtert die Prognose. Eine notfallmäßige Intubation sollte aufgrund des dann erhöhten Übertragungsrisikos unbedingt vermieden werden.

5.2. Prozeduren an den Atemwegen

Prozeduren an den Atemwegen (Intubation, Bronchoskopie, offenes Absaugen, manuelle Beatmung, Tracheotomie) sollten aufgrund der Aerosolbildung zum Schutz des medizinischen Personals nur bei eindeutiger Indikation mit entsprechenden Schutzmaßnahmen (inkl. Schutzkittel, Einweghandschuhen, FFP2/FFP3-Maske und Schutzbrille) durchgeführt werden (Tab. 1). Ergänzt werden kann dies mit einem Schutzvisier [35, 36].

Tab. 1 Maßnahmen zur Minimierung von Aerosolbildung & Exposition (Modifiziert nach [38])

5.3. Intubation

Endotracheale Intubationen sind bei Patienten mit V. a. bzw. nachgewiesener COVID-19 Infektion Hochrisiko-Interventionen [37]. Diese Interventionen erfordern spezielle, kommunizierte und trainierte Protokolle bezüglich Vorbereitung, Durchführung und Hygiene [38, 39]. So weit wie möglich, soll die Intubation daher geplant und damit elektiv durchgeführt werden. Die Anzahl der im Raum befindlichen Personen ist auf das notwendige medizinische Personal zu begrenzen. Der Einsatz einer transparenten Schutzfolie oder einer „Intubationsbox“ zur Abdeckung des Patienten werden kontrovers diskutiert, können aber eine Möglichkeit zur Reduktion der Aerosolexposition des Intubierenden darstellen [40, 41].

Die Intubation sollte – so möglich – durch einen in der endotrachealen Intubation Erfahrenen durchgeführt werden, um die Anzahl der Intubationsversuche und die Instrumentationszeit zu minimieren [42]. Es wird empfohlen zur Erhöhung des Abstands zwischen Patient und Intubierendem ein Video-Laryngoskop zu benutzen, wenn dieses vorhanden ist und ausreichende Erfahrung mit der Methode besteht. Die Verwendung eines Führungsstabes bei der Intubation wird ausdrücklich empfohlen und ist ein Muss bei der Videolaryngoskopie. Auf fiberoptische Wachintubationen sollte aufgrund der damit verbundenen Aerosolexposition nach Möglichkeit verzichtet werden. Dieses Verfahren kommt nur in Betracht, wenn keine andere Möglichkeit (schwieriger Atemweg) besteht. Um eine Aerosolbildung bei Maskenbeatmung zu minimieren, sollte auf diese verzichtet und nach einer Präoxygenierung über eine bi-manuell fixierte, dicht sitzende Gesichtsmaske und bei einem PEEP (Positive Endexpiratory Pressure) von ≤5 cmH2O unter Spontanatmung eine Narkoseeinleitung als „rapid sequence induction“ (RSI) durchgeführt werden. Zur Vermeidung weiterer Aerosolbildung wird bei Sistieren der Atmung nach Applikation des Muskelrelaxans kurz vor dem Zeitpunkt der Abnahme der Gesichtsmaske zur Intubation die weitere Sauerstoffzufuhr unterbrochen („0“ Frischgasflow). Sofort nach Intubation (und noch vor Konnektion mit dem Respirator) wird ein HME-Filter auf den endotrachealen Tubus aufgesetzt. Prinzipiell sollen bei der Beatmung qualitativ hochwertige Virenfilter mit einer Filtrationseffizienz von mindestens >99,9 % eingesetzt werden [43]. Diese Vorgaben erfüllen zahlreiche etablierte Produkte am Markt. Der Einsatz von mechanischen HEPA-Filtern hat theoretisch hinsichtlich der geringeren permeablen Partikelgröße Vorteile. Spezifische Test oder Publikationen zum Einsatz von etablierten Beatmungs-Filtersystemen bei COVID-19 existieren allerdings nicht.

Bei einer erwarteten oder unerwarteten schwierigen Intubation sollte nach der S1-Leitlinie „Atemwegsmanagement“ vorgegangen werden [44]. Bei unmöglicher Intubation erfolgt als erste Rückfallebene der Einsatz eines supraglottischen Atemwegs (Larynxmaske). Führt diese nicht zur gewünschten Oxygenierung und liegt eine „cannot intubate, cannot oxygenate“ (CICO) Situation vor, wird die unmittelbare Koniotomie empfohlen.

5.4. Extubation

Idealerweise wird der Patient unter Vermeidung von Husten, Pressen und Blähmanövern extubiert. Die Verwendung eines geschlossenen Absaugsystems zur endotrachealen Absaugung unmittelbar vor der Extubation ist möglich. Zur Extubation verbleibt der HME-Filter auf dem Tubus und wird dann gemeinsam mit diesem entsorgt. Idealerweise gelingt nach der Extubation die Oxygenierung über Sauerstoffgesichtsmaske (Reservoir) [42, 43].

5.5. Invasive Beatmung und adjuvante Maßnahmen

Aufgrund fehlender randomisierter Studien zur Beatmungstherapie bei COVID-19, leiten sich die Empfehlungen von den zuletzt publizierten Leitlinien zur invasiven Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz ab [19, 45].

Die Lungenmechanik bei der pulmonalen COVID-19 Infektion zeigt in der Frühphase einige Besonderheiten und Unterschiede zum klassischen ARDS. So ist die Lungencompliance zu Beginn der Erkrankung weniger stark eingeschränkt. Die Hypoxämie scheint anfänglich nicht durch fehlendes Recruitment sondern durch ein ausgeprägtes Ventilations-Perfusions Mismatch verursacht zu sein [46, 47], aggraviert durch eine zusätzliche vaskuläre Komplikation mit einer Störung der Mikrozirkulation [48].

Bei COVID-19 und invasiver Beatmung sollte ein geschlossenes Absaugsystem verwendet werden. Bei Patienten mit ARDS wird grundsätzlich die Beatmung mit einem Tidalvolumen von 6 ml/kg Standard-KG und einem endinspiratorischen Atemwegsdruck ≤30 cm H2O empfohlen. Eine starre Empfehlung für die PEEP Einstellung kann bei derzeit fehlenden Daten gerade in der Frühphase der Erkrankung nicht gegeben werden und sollte nach dem klinischen Befunden und der individuellen Situation des Patienten angepasst werden. Aus pathophysiologischer Sicht sollte der PEEP unter Einhaltung der protektiven Beatmung nicht zu hoch gewählt werden. Bei der Entwicklung eines klassischen ARDS gilt weiterhin die PEEP Anpassung nach der ARDS-Network Tabelle (FiO2/PEEP-Tabelle) [45]. Bei ARDS und einem PaO2/FiO2 <150 mm Hg soll konsequent eine Bauchlagerung durchgeführt werden, das Bauchlagerungsintervall beträgt dabei mind. 16 h. Im Einzelfall können zur Überbrückung einer schweren Hypoxämie die Applikation von inhalativem NO, eine Muskelrelaxierung oder ein Rekrutierungsmanöver erwogen werden. Bei Patienten mit schwerem ARDS und therapierefraktärer Hypoxämie (PaO2/FiO2-Quotient <80 bzw. 60 mm Hg) ist der Einsatz der veno-venösen ECMO eine therapeutische Option um den Gasaustausch zu stabilisieren. Allerdings müssen vor ECMO-Anlage alle sonstigen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft sein. Kontraindikationen müssen ausgeschlossen und der Patientenwille evaluiert werden.

5.6. Tracheotomie

Im Rahmen einer invasiven Beatmung kann die Tracheotomie das Weaning vom Respirator beschleunigen und somit Intensivkapazitäten schaffen [49,50,51]. Die Tracheotomie ermöglicht in jedem Fall eine Reduktion bzw. einen Verzicht auf Sedativa und somit die mögliche Konversion in ein Spontanatmungsverfahren mit Reduktion des Risikos für die Entwicklung einer Critical-illness-Myopathie oder -Polyneuropathie nach Langzeitbeatmung [52]. Dennoch sollten bei Patienten mit verbesserten Organfunktionen, insbesondere bezogen auf die Lungenfunktion, die Kriterien zur Extubation überprüft und diese gegebenenfalls durchgeführt werden [53]. Jedoch ist gerade bei Covid-19 bedingter Viruspneumonie die Gefahr eines Extubationsversagens hoch, dann notwendige Maßnahmen zur Vermeidung einer Re-Intubation gehen mit vermehrter Aerosolbildung einher [37]. Die Entscheidung zur Tracheotomie bleibt trotz Vorliegen einiger Empfehlungen z. B. bei Traumapatienten eine Einzelfallentscheidung [54, 55]. Laut den aktuellen Empfehlungen für den Zeitpunkt der Tracheotomie wird eine Frühtracheotomie bei beatmeten Intensivpatienten aber nicht empfohlen [45]. Zu beachten ist, dass bei COVID-19 die Viruslast mit zunehmender Beatmungsdauer abnimmt. Laryngeale Schäden/Dysfunktionen, eine Ventilator-assoziierte Atrophie der Atemhilfsmuskulatur und die Kommunikationsfähigkeit der Patienten sprechen eher für eine frühere Tracheotomie, das Vorliegen eines Multiorganversagens eher für eine spätere Tracheotomie [50]. Der Patient sollte vor der Tracheotomie respiratorisch so stabil sein, dass er notwendige Apnoephasen für die sichere Durchführung der Tracheotomie toleriert. Mögliche Verfahren sind die perkutane Dilatationstracheotomie, die chirurgisch plastische Tracheotomie oder Hybridverfahren. Für die perkutane Dilatationstracheotomie sprechen eine schnellere und unkomplizierte Durchführung durch das intensivmedizinische Personal selbst ohne Einbindung operativen Personals sowie der Leckage-freie Verschluss der Trachea nach Platzierung der Trachealkanüle. Für ein chirurgisches Verfahren sprechen die kontrollierte Durchführung mit geringerem Risiko der Kontamination durch chirurgische Präparation der Trachea im Vergleich zur Punktion, ein gesicherter Atemweg auch bei akzidenteller Dislokation der Kanüle während Bauchlagerungen, der mögliche Verzicht auf eine Bronchoskopie mit zusätzlicher Aerosolbildung sowie das häufige Vorhandensein von Adipositas bei Covid-19 Patienten als relative Kontraindikation für ein dilatatives Verfahren. Analog zur Intubation sollte die Anzahl des vorhandenen Personals auf das Notwendigste beschränkt werden und erfahrenes Personal den Eingriff durchführen. Risikofaktoren seitens des Patienten sowie seitens des Personals sollten in jedem Fall bedacht werden und die lokalen Gegebenheiten und Expertisen mit in die Entscheidung zur Tracheotomie und dem jeweiligen Verfahren einfließen.

6. Kreislaufstillstand und kardiopulmonale Reanimation

Chinesische Daten zeigen respiratorische Ursachen als Hauptgrund eines Kreislaufstillstandes bei COVID-19. Der initiale Rhythmus ist dabei meist eine Asystolie [56]. Da wahrscheinlich sowohl Thoraxkompressionen als auch das Atemwegsmanagement Aerosole freisetzen können, ist eine entsprechende persönliche Schutzausrüstung bei kardiopulmonaler Reanimation unabdingbar [57]. Eine Defibrillation generiert wahrscheinlich keine Aerosole. Bei der Feststellung des Kreislaufstillstandes wird empfohlen, nicht auf Atemzüge zu hören und nicht die eigene Wange in die Nähe des Gesichts des Patienten zu bringen. Wenn ein Defibrillator sofort verfügbar ist soll zunächst geprüft werden, ob ein defibrillierbarer Rhythmus vorliegt. In diesem Falle können bis zu drei Schocks in Folge abgegeben werden, bis jemand eine persönliche Schutzausrüstung angelegt hat. Wichtig ist die strikte Beschränkung der Anzahl der Mitarbeiter im Zimmer [57]. Das Atemwegsmanagement soll immer durch die erfahrenste Person und letztlich mittels endotrachealer Intubation erfolgen. Bei der manuellen Beatmung ist die Zwei-Helfer-Methode empfehlenswert: Ein Helfer hält die Maske dicht mit beiden Händen, der andere macht die Thoraxkompressionen und drückt im Intervall den Beatmungsbeutel. Auch bei supraglottischen Atemwegshilfen soll ein Kompressions-Ventilations-Verhältnis von 30:2 angewandt werden. Für manuelle und maschinelle Beatmung sollen Virenfilter eingesetzt werden. Bei längerer kardiopulmonaler Reanimation kann ein mechanisches Thoraxkompressionsgerät zum Einsatz kommen [57]. Bei einem Kreislaufstillstand in Bauchlage sollen nicht intubierte Patienten auf den Rücken gedreht werden. Bei intubierten Patienten ist die kardiopulmonale Reanimation auch in Bauchlage möglich, gedrückt werden muss dann zwischen den Schulterblättern [57]. Sollten der diastolische Druck dabei nicht mehr als 25 mm Hg betragen oder andere Gründe dafür sprechen, den Patienten auf den Rücken zu drehen, soll dies erfolgen. In Bauchlage können Defi-Pads anterior-posterior oder bi-axillär angebracht werden. Patienten mit COVID-19 zeigen eine hohe Inzidenz von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien. Hier ist – wie immer bei kardiopulmonaler Reanimation und Verdacht auf oder nachgewiesener Lungenembolie – der Einsatz eines Thrombolytikums während der kardiopulmonalen Reanimation zu erwägen [58].

7. Thromboseprophylaxe/Antikoagulation

Thromboembolische Ereignisse sind eine häufige Komplikation bei COVID-19 und betreffen vorwiegend das venöse, jedoch auch das arterielle Gefäßsystem [59, 60]. Alle stationär behandelten Patienten sollten daher zur Prophylaxe einer venösen Thromboembolie (VTE) niedermolekulares Heparin (NMH) in einer für den Hochrisikobereich zugelassenen Dosierung erhalten. Alternativ, z. B. bei Heparinunverträglichkeit oder stattgehabter HIT, ist die Gabe von Fondaparinux möglich. Beobachtungsstudien legen jedoch nahe, dass insbesondere bei Intensivpatienten eine standarddosierte NMH-Prophylaxe nicht ausreichend wirksam ist, sodass unter Berücksichtigung von Blutungsrisiko und Nierenfunktion eine intensivierte Antikoagulation, z. B. mit einer intermediären, halbtherapeutischen NMH-Dosis, erwogen werden sollte. In Abwesenheit einer gesicherten VTE oder ECMO-Therapie kann eine therapeutisch dosierte Antikoagulation aktuell zwar nicht routinemäßig empfohlen werden; diese erscheint aber im Einzelfall vertretbar, wenn z. B. bei rasch ansteigenden D‑Dimeren und/oder akuter Verschlechterung des Gasaustausches eine zeitnahe bildgebende Diagnostik nicht zur Verfügung steht. Da die Ausbildung von Mikrothromben in der pulmonalen Endstrombahn als charakteristischer Befund des COVID-19-assoziierten ARDS angesehen werden kann [48], ist die therapeutische Antikoagulation unter individueller Abwägung von Nutzen und Risiko (z. B. pulmonale Hämorrhagien) zudem auch bei beatmeten Intensivpatienten eine mögliche Therapieoption [61]. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR <30 ml/min) ist eine Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin (UFH) zu bevorzugen. Im Falle einer therapeutischen Antikoagulation sollte bei Nichtansprechen der aPTT das Monitoring über eine Bestimmung der Anti-X-Aktivität für UFH erfolgen. Die Entwicklung einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) mit Hyperfibrinolyse oder Verbrauchskoagulopathie ist selten und allenfalls im fortgeschrittenen Krankheitsstadium zu beobachten. Zur Beschreibung der hämostaseologischen Laborveränderungen wurden unter Berücksichtigung der spezifischen Pathophysiologie die Begriffe COVID-19-assoziierte Koagulopathie (CAC) [62] und pulmonale intravaskuläre Koagulopathie (PIC) [63] eingeführt. Bei COVID-19-Patienten mit komplexer Koagulopathie ist ein Monitoring relevanter Laborparameter (Thrombozytenzahl, Quick/INR, Fibrinogen, D‑Dimere, Antithrombin) sinnvoll.

8. Therapie

8.1. Antibiotische Therapie und allgemeine Therapieprinzipien

Grundsätzlich sollte bei Beginn der Behandlung auf der Intensivstation und bei einer Verschlechterung des Patienten im Verlauf, die Abnahme von mindestens zwei (sowohl aeroben als auch anaeroben) Blutkultur-Sets erfolgen [64]. Bei Patienten mit Verdacht auf eine Co-Infektion sollte eine kalkulierte antibiotische Therapie frühzeitig initiiert werden. Eine prophylaktische Antibiotika-Gabe bei schon gesicherter Infektion mit SARS-CoV‑2 wird nicht empfohlen. Eine Flüssigkeitstherapie sollte, insbesondere bei Fehlen von Schock oder Gewebeminderperfusion, zurückhaltend erfolgen. Bei einer Flüssigkeitsüberladung kommt es zu einer Verschlechterung der Oxygenierung.

8.2. Spezifische medikamentöse Therapie

Die nachfolgenden Beurteilungen sind aufgrund der raschen Generierung neuer Studienergebnisse als vorläufig anzusehen und müssen in kurzem Abstand reevaluiert bzw. korrigiert oder ergänzt werden.

Für die medikamentöse Therapie schwerer Verlaufsformen von COVID-19 (hospitalisierte Patienten) gibt es zwei Ansätze: antiviral und immunmodulatorisch. Im Folgenden sind Therapien aufgeführt, die mindestens in einer publizierten Fallserie bzw. Kohorte untersucht worden sind. Eine Zulassung für die Therapie von COVID-19 ist bisher in Europa nur für Remdesivir erteilt worden.

Antivirale Therapien

Chloroquin/Hydroxychloroquin +/− Azithromycin.

Potential für positive Wirkung: In-vitro Wirksamkeit, in vivo bisher keine sichere antivirale Wirkung, klinische Wirksamkeit nicht für hospitalisierte Patienten nachgewiesen (nur eine bisher ohne Peer-Review Verfahren veröffentlichte Studie weist auf einen potentiellen Vorteil einer Behandlung von Chloroquin bei milder bis mäßiger Erkrankungsschwere hin) [65,66,67,68].

Potential für schädliche Wirkung: Hydroxychloroquin: Kardiotoxizität, Retinaschädigung (höhere Dosierung, längerer Gebrauch), höhere Mortalität bei kritisch kranken Patienten mit Chloroquin-Diphosphat und Dosierung 2 × 600 mg/d; Azithromycin: Medikamenteninteraktionen, QT-Zeit-Verlängerung, Herzrhythmusstörungen.

Bewertung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Interferon β-1b.

Potential für positive Wirkung: In-vitro Wirksamkeit (MERS-CoV), antivirale Wirksamkeit in Kombination mit Lopinavir/Ritonavir vs. Lopinavir/Ritonavir in randomisierter Studie gezeigt. Bisher kein Nachweis klinischer Wirksamkeit [69].

Potential für schädliche Wirkung: Grippeähnliche Symptomatik, Störung der Blutbildung.

Bewertung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Lopinavir/Ritonavir.

Potential für positive Wirkung: In-vitro Wirksamkeit. Klinische Wirksamkeit in randomisierter Studie untersucht, kein signifikanter klinischer Vorteil bei kleiner Gruppengröße [70].

Potential für schädliche Wirkung: Interaktion durch Hemmung von CYP 3A4, Einsatz nicht bei schwerer Leberfunktionsstörung, Übelkeit, Diarrhoe.

Bewertung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Remdesivir.

Potential für positive Wirkung: In-vitro Wirksamkeit, kein klinischer Vorteil bei mäßig schwerer Erkrankung, klinischer Vorteil für fortgeschrittene COVID-19 Erkrankung in qualitativ hochwertiger randomisierter Studie [71, 72].

Potential für schädliche Wirkung: Hepatotoxizität, Nebenwirkungs-Profil noch nicht gut charakterisiert.

Bewertung: Ein Einsatz bei schwerer COVID-Erkrankung (pulmonale Manifestation, Hospitalisierung) kann erwogen werden.

Immunmodulatorische Therapie

Steroide.

Potential für positive Wirkung: Eine Therapie mit Steroiden wurde bislang bei ARDS kontrovers diskutiert. Bei virusinduziertem ARDS (z. B. SARS und Influenza) zeigten sich nachteilige Effekte. In der am 17.07.2020 im New England Journal of Medicine publizierten RECOVERY-Studie aus Großbritannien wurden hospitalisierte Patienten mit COVID-19 mit Dexamethason (6 mg einmal täglich für 10 Tage) oder mit Standardtherapie behandelt [73]. Der primäre Endpunkt war die 28-Tage Sterblichkeit. 2104 Patienten erhielten Dexamethason und 4321 Patienten Standardtherapie. Insgesamt starben 482 Patienten, 22,9 % in der Dexamethasongruppe und 25,7 % in der Standardtherapiegruppe (p < 0,001). Der größte Vorteil fand sich bei beatmeten Intensivpatienten mit COVID-19 (Sterblichkeit 29,3 % versus 41,4 %), auch Patienten mit notwendiger Sauerstofftherapie (mit oder ohne NIV) ohne invasive Beatmung profitierten (Sterblichkeit 23,3 % versus 26,2 %). Bei Patienten ohne notwendige Sauerstofftherapie zeigte sich dagegen kein Vorteil, es bestand eher eine Tendenz zu nachteiligen Effekten.

Potential für schädliche Wirkung: Immunsuppressive Wirkung, erhöhtes Risiko bakterieller Infektionen.

Empfehlung: Ein Einsatz von Dexamethason (Dosis 6 mg/d einmal täglich für 10 Tage) bei beatmungspflichtigen Patienten mit COVID-19 wird empfohlen.

Tocilizumab.

Potential für positive Wirkung: Durch kompetitive Bindung an zellgebundene und lösliche IL-6-Rezeptoren Unterbrechung des IL‑6 Signalwegs, Hemmung der Inflammation. In Kohortenstudien wurden Reduktion von Fieber, Abfall von CRP und ein Anstieg der Lymphozytenzahl beobachtet. Klinische Wirksamkeit bisher nicht gezeigt [74, 75].

Potential für schädliche Wirkung: Immunsuppressive Wirkung, erhöhtes Risiko bakterieller Infektionen.

Empfehlung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Anakinra.

Potential für positive Wirkung: Durch kompetitive Bindung an den IL-Rezeptor wird der Signalweg über IL‑1 unterbrochen, Wirkung in Fallserien bei sekundärer Hämophagozytischer Lymphohistiozytose bzw. Makrophagenaktivierungssyndrom. Ein klinischer Vorteil ist bisher nicht nachgewiesen [76].

Potential für schädliche Wirkung: Immunsuppression, erhöhtes Risiko bakterieller Infektionen.

Empfehlung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Andere

Rekonvaleszentenplasma.

Potential für positive Wirkung: Analogie zu Studien bei anderen Infektionskrankheiten (z. B. Ebola), klinischer Vorteil bisher nicht nachgewiesen [77, 78].

Potential für schädliche Wirkung: Überempfindlichkeitsreaktionen (bisher selten beschrieben).

Empfehlung: Einsatz außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen.

Zusammenfassung

Eine klinische Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie bei schwerer COVID-Erkrankung (hospitalisierte Patienten) ist bisher für Remdesivir und Dexamethason nachgewiesen. Eine Zulassung von Remdesivir erfolgte am 03.07.2020 in Europa zur Behandlung von SARS-CoV‑2 bedingten Pneumonien mit Sauerstoffbedarf. Ein Benefit für Remdesivir ist am besten ersichtlich bei Patienten die Sauerstoff benötigen, für beatmete Patienten liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Demgegenüber zeigt eine Therapie mit Dexamethason einen Überlebensvorteil insbesondere bei beatmungspflichtigen Patienten mit COVID-19.

Andere Substanzen, sowohl mit antiviraler Wirksamkeit wie auch immunmodulatorische Therapien, können derzeit außerhalb klinischer Studien und entsprechend qualifizierter klinischer Einrichtungen nicht zum Einsatz empfohlen werden. Die Universität Liverpool hat eine Aufstellung wahrscheinlicher PK-Interaktionen mit experimentellen Therapien von COVID-19 veröffentlicht [79].

9. Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Mit weniger als 1 % der Fälle sind Kinder und Jugendliche insgesamt deutlich seltener als Erwachsene von COVID-19 betroffen [11, 80]. Im Vergleich zu Erwachsenen zeigt sich bei Kindern ein deutlich milderer Krankheitsverlauf und schwere Verläufe sind selten. Der Grund hierfür ist unklar. Insgesamt müssen pädiatrische Patienten nur sehr selten auf eine pädiatrische Intensivstation (PICU) aufgenommen werden [81]. Bisher wurde häufig beschrieben, dass schwere Verläufe insbesondere Säuglinge und Kleinkinder betreffen. Knapp 1/3 der auf die PICU aufgenommenen Patienten war <1 Jahr alt. Es sind bisher nur einzelne Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 im Kindesalter beschrieben. Die für das pädiatrische Kollektiv errechnete Mortalität ist mit 0,0018 % extrem niedrig [81], allerdings ist die Datengrundlage für diese Berechnung auch bei Kindern eventuell nicht ausreichend (u. a. wegen asymptomatischer bisher nicht gezählter COVID-19 Fälle). In Deutschland sind bisher nur 22 Kinder auf PICUs aufgenommen worden und bisher wurde nur 1 Todesfall gemeldet (https://dgpi.de/covid-19-survey-update-kw29/).

In einem Review von 2914 pädiatrischen Patienten hatten 47 % im Verlauf der Erkrankung Fieber. Die häufigsten sonstigen Symptome sind Husten (48 %) und Pharyngitis (29 %), in ca. 10 % der Fälle auch gastrointestinale Symptome mit Durchfall sowie Übelkeit und Erbrechen [81]. Bisher wurden bei Säuglingen und Kindern nur Einzelfallberichte über die bei Erwachsenen häufig auftretende COVID-19-Pneumonie oder ein akutes Lungenversagen berichtet [82, 83]. Therapeutisch gelten für die Applikation von Sauerstoff, High-Flow-Sauerstofftherapie, nicht-invasiver Beatmung oder endotrachealer Intubation dieselben Überlegungen und Einschränkungen hinsichtlich einer möglichen Ansteckung des Personals wie bei erwachsenen Patienten. Therapieversuche mit den bei Erwachsenen beschriebenen Substanzen zeigten auch für das Kindesalter bisher keine durchschlagenden Therapieeffekte, wobei bisher keine randomisierte Interventionsstudie für Kinder publiziert wurde.

Im Zusammenhang mit COVID-19 wurden bei Kindern in mehreren Fallserien von einem akuten hyperinflammatorischen Syndrom mit Multiorganbeteiligung (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome – PIMS) berichtet [84,85,86]. Neben Fieber, Exanthem, Konjunktivitis, Polyserositis, gastrointestinalen Symptomen und Ödemen zeigen diese Patienten häufig einen vasoplegischen Schock. Einige Patienten zeigten zusätzlich auch Kawasaki-Syndrom ähnliche Symptome mit Koronar-Anomalien oder schwerer linksventrikulärer Funktionseinschränkung [86]. In den meisten Fällen wurde neben einer antibiotischen Therapie, in Analogie zum klassischen Kawasaki-Syndrom, eine antiinflammatorische Therapie mit Steroiden (Prednison/Prednisolon/Methyprednisolon 2 mg/kg/d), Hochdosis-Immunglobulinen (2 g/kg) und teilweise mit Acetylsalicylsäure (50 mg/kg) durchgeführt [87]. Bei Therapieresistenz sollte als Rescue-Therapie der Einsatz von Biologika (TNF-alpha-Blocker Infliximab 5 mg/kg über 2 h 1 ×/Woche i.v. oder Anakinra 2 bis 6 mg/kgKG/d subkutan) diskutiert werden.

Die Schocksymptomatik wurde mit Volumenbolus-Gaben sowie Katecholamintherapie behandelt. Diese hyperinflammatorischen Syndrome waren zumeist innerhalb weniger Tage beherrschbar, es wurden nur Einzelfälle von ECMO-Behandlungen berichtet. Obwohl der Nachweis der direkten Kausalität nicht geführt werden kann, wird ergänzend zu der bisherigen COVID-19 Survey seit Ende Mai die Erfassung dieses Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) in Deutschland durch die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie durchgeführt (https://dgpi.de/pims-survey-anleitung/).

10. Ethik

Die Durchführung der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten mit COVID-19 folgt den wesentlichen ethischen Prinzipien wie Autonomie, Fürsorge, Nicht-Schaden, Gerechtigkeit und Menschenwürde. Eine zulässige Behandlungsmaßnahme muss zwei Voraussetzungen erfüllen: 1. Für den Beginn oder die Fortführung besteht nach Einschätzung der behandelnden Ärzte eine medizinische Indikation und 2. die Durchführung entspricht dem Patientenwillen. Erfüllt die jeweils geprüfte Behandlungsmaßnahme beide Voraussetzungen, muss die Behandlung eingeleitet oder fortgeführt werden. Liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, ist insoweit eine Therapiezieländerung und Begrenzung der Therapie nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten [88].

Die Handlungsempfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19 sollten auch die palliativmedizinische Perspektive einbeziehen und diese bei einer Entscheidung gegen eine Intensivtherapie oder nach einer Therapiezieländerung beachten [89].

Sollten in Deutschland, trotz optimaler Nutzung der erhöhten Intensivkapazitäten, die intensivmedizinischen Ressourcen nicht mehr für alle Patienten ausreichen, wurden für diesen Fall Empfehlungen zur Verteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19 Pandemie erarbeitet [90].

11. Verfügbarkeit von Intensivbetten:

Im DIVI-Intensivregister, konzipiert vom ARDS Netzwerk, der Sektion respiratorisches Versagen der DIVI und dem RKI, melden alle Krankenhaus-Standorte in Deutschland, die intensivmedizinische Behandlungskapazitäten vorhalten, differenziert in low-care, high-care und ECMO Versorgung. Durch die Verordnung zur Aufrechterhaltung und Sicherung intensivmedizinischer Krankenhauskapazitäten (DIVI-Intensivregister-Verordnung) des BMG vom 08. April 2020, wurde die tägliche Meldung im DIVI-Intensivregister verpflichtend.

Die Eingabe erfolgt unter www.intensivregister.de.