FormalPara Hintergrund

Die Arbeit ist die abschließende Publikation der Studie NCIC PR.3/MRC PR07/Intergoup T94-0110, die bei der Erstpublikation im Jahr 2011 [1] in der geplanten Interimsanalyse nach zwei Drittel der erwarteten Ereignisse bereits einen Überlebensvorteil für die zusätzlich zur Hormontherapie bestrahlten Prostatakarzinompatienten gezeigt hatte.

FormalPara Methode

Die Studie NCIC PR.3/MRC PR07/Intergoup T94-0110 war eine prospektive, randomisierte Phase-III-Studie für Patienten mit einem Hochrisiko-Prostatakarzinom. Einschlusskriterien waren T3/4N0/XM0-Karzinome oder T1-2-Tumoren mit einem PSA von über 40 ng/ml oder einem PSA von 20–40 ng/ml und einem Gleason-Score von 8–10. Die Patienten wurden randomisiert in eine lebenslange Androgendeprivation (ADT) mit einem LHRH-Agonisten als Depotpräparat oder durch bilaterale Orchiektomie im Vergleich mit derselben endokrinen Therapie, jedoch mit einer zusätzlichen Bestrahlung (ADT + RT). Diese erfolgte in klassischer 4-Felder-Technik. Sofern eine Mitbehandlung der pelvinen Lymphabflusswege erfolgte, wurden dort eine Gesamtdosis (GD) von 45 Gymit einer Einzeldosis (ED) von 1,8 Gy appliziert und anschließend das Zielvolumen auf die Prostataregion verkleinert; die übrigen bestrahlten Patienten erhielten nur eine Bestrahlung der Prostataregion bis zu einer GD von 65–69 Gy. Die Auswertung des Gesamtüberlebens erfolgte im stratifizierten Log-rank-Test nach präspezifizierten Variablen.

FormalPara Ergebnisse

Zwischen 1995 und 2005 wurden 1205 Patienten randomisiert, 602 in den ADT-Arm und 603 in den ADT+RT-Arm. Nach einem medianen Follow-up von 8 Jahren waren 465 Patienten verstorben, davon 199 am Prostatakarzinom. Das Gesamtüberleben war in der ADT+RT-Gruppe hochsignifikant besser (HR 0,70; 95 %-KI 0,57–0,85; p < 0,001). Durch die zusätzliche Strahlentherapie starben signifikant weniger Patienten am Prostatakarzinom als nach alleiniger ADT (HR 0,46; 95 %-KI 0,34–0,61; p < 0,001). Zwar war im ADT+RT-Arm die Rate an gastrointestinalen Nebenwirkungen höher, aber nur 2 von 589 Patienten hatten 2 Jahre nach der Strahlentherapie eine Diarrhoe vom Grad ≥ 3.

FormalPara Schlussfolgerung der Autoren

Der Überlebensvorteil durch die zusätzliche Bestrahlung bleibt auch nach einen Follow-up von 8 Jahren erhalten und verankert die Strahlentherapie in der Behandlung von Männern mit lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom.

Kommentar

Die finale Auswertung der NCIC-PR.3/MRC-PR07-Studie [2] bringt für die Radioonkologie eine bedeutsame weitere Absicherung des Stellenwerts unserer Therapie in der Behandlung nicht nur des Hochrisiko-Prostatakarzinoms, die gerade im Kontext einiger weiterer aktuell publizierter Arbeiten interessant ist. Von den drei bisher publizierten Phase-III-Studien zum Thema endokrine Therapie mit oder ohne Radiotherapie beim Prostatakarzinom ist die hier besprochene Studie NCIC PR.3/MRC PR07die bedeutendste, und zwar nicht allein wegen der größten Patientenzahl.

Die 2009 als erstes publizierte skandinavische SPCG-7/SFUO-3-Studie [3] mit 875 Patienten hatte bereits einen Überlebensvorteil von absolut 9,8 % nach 10 Jahren für die zusätzlich bestrahlten Männer gezeigt, war jedoch vor allem wegen der nicht dem etablierten Standard entsprechenden Hormontherapie (3 Monate maximale Androgenblockade, dann nur noch ein orales Antiandrogen) nicht generell als strategieentscheidend akzeptiert worden. Auch die dritte, kleinere Studie aus Frankreich mit 264 Patienten [4] zeigte für den primären Studienendpunkt progressionsfreies Überleben ein signifikant positives Ergebnis (p < 0,0001) für die zusätzlich zur Androgendeprivation bestrahlte Gruppe. Ein Unterschied im Gesamtüberleben ließ sich allerdings nicht aufzeigen, denn diese Studie war für eine Analyse der Auswirkung auf das Gesamtüberleben weder dimensioniert, noch konzipiert.

Im Vergleich zur ersten Auswertung ist mit dem längeren Follow-up von NCIC PR.3/MRC PR07 der Effekt der Strahlentherapie sogar noch deutlicher geworden, die Hazard Ratio für das Gesamtüberleben betrug bei der ersten Publikation noch 0,77 und verbesserte sich aktuell auf 0,70. Das Patientenkollektiv in der Studie NCIC PR.3/MRC PR07 hatte ein höheres Progressionsrisiko als in der SPCG-7/SFUO-3-Studie. Möglicherweise ist dies ein Grund für den etwas geringeren Benefit von 6 % im Gesamtüberleben nach 10 Jahren. Entscheidend für die Argumentation wird die sehr gute Verträglichkeit der Strahlentherapie in der Studie sein. Nahezu alle bestimmten Nebenwirkungsparameter zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Einzig bei der gastrointestinalen Spättoxizität nach 24 Monaten fand sich ein Unterschied bei den Grad-1- und -2-Nebenwirkungen: Die GI-Toxizität ≥ 3° lag – identisch in beiden Armen – bei 0,33 %. Insbesondere wenn man die in der Studie noch verwendeten konventionellen Therapietechniken bedenkt, ist dies ein erstaunliches Ergebnis. In der Studie wurde mit dem FACT-P- oder dem EORTC-QLQ-C30-P13-Modul auch die Lebensqualität untersucht. Die Publikation der Daten ist bereits angekündigt.

Etwas schwieriger wird es, einige Detailergebnisse zu kommentieren, z. B. der Trend zu besseren Ergebnissen mit größeren Feldern. Bei unauffälligen Lymphknoten im operativen Staging oder aber auch aufgrund der individuellen Entscheidung des behandelnden Arztes war auf eine Mitbestrahlung der pelvinen Lymphknoten verzichtet worden. Dies könnte zu einer Ungleichverteilung der Patientenstadien innerhalb der Strahlentherapiegruppen geführt haben.

Ungeklärt ist ferner die Bedeutung der Dosiseskalation in dem beschriebenen Setting. Die in den zitierten Phase-III-Studien applizierten Dosen betrugen 65–69 Gy bei NCIC PR.3/MRC PR07, 66–74 Gy in der französischen Studie und mindestens 70 Gy in der SPCG-7/SFUO-3-Studie (nur 6 % erhielten ≥ 74 Gy). Für das hier behandelte Patientenkollektiv entspricht diese Dosierung nicht mehr dem heutigen Standard. Und dass eine mit modernen Techniken und adäquater Dosis durchgeführte Radiotherapie die Ergebnisse weiter verbessern könnte, darf man doch wohl unter dem Eindruck der inzwischen vorliegenden Daten zur Dosiseskalation unter Androgendeprivation getrost postulieren [5].

Fazit

Die Studie NCIC PR.3/MRC PR07[2] sichert den positiven Stellenwert der Radiotherapie bei der Behandlung von Patienten mit Prostatakarzinom unter Androgendepriviation weiter ab, und zwar nicht nur bei solchen mit Hochrisiko-Karzinomen. Alle drei bisher publizierten Phase-III-Studien zum Thema endokrine Therapie mit oder ohne Radiotherapie beim Prostatakarzinom zeigen in dieselbe Richtung.

Wie lassen sich nun die Ergebnisse von NCIC PR.3/MRC PR07 auf andere Patientengruppen übertragen? Immer wieder wird ja durchaus zu Recht argumentiert, dass Patienten aus Phase-III-Studien nicht den Alltag repräsentierten. Dem widerspricht aber die nahezu zeitgleich veröffentlichte retrospektive SEER-Medicare-Auswertung von 31.451 Patienten, die zwischen 1995 und 2007 behandelt worden waren. Hier konnten Bekelman und Mitarbeiter zeigen, dass der Effekt der zusätzlichen Strahlentherapie auf die krankheitsspezifische Letalität und Gesamtletalität in einer ähnlichen Größenordnung liegt und auch für betagte Patienten von 75–85 Jahren und für im Screening entdeckte Tumoren vorhanden ist [6].

Stefan Höcht, Saarlouis