Kohäsion bezeichnet das Gefühl, zu einer Gruppe zugehören und sich in der Gruppe unterstützt zu fühlen. Die genaue Rolle, die Kohäsion im gruppentherapeutischen Prozess einnimmt, ist bislang unklar. Kohäsion wird als Ursache der Symptomverbesserung diskutiert, könnte aber auch das Produkt vorangegangener Symptomveränderung sein. Es fehlen longitudinale Studien zur gegenseitigen Wechselwirkung von Kohäsion und Symptomveränderung.

Hintergrund und Fragestellung

Therapeutische Beziehungen gelten als einer der Hauptwirkfaktoren der erfolgreichen Psychotherapie. Für die Einzeltherapie ist dies insbesondere am Beispiel der therapeutischen Allianz untersucht worden (Flückiger et al. 2018); die Forschung in der Gruppentherapie zentriert sich v. a. um das Konstrukt der Kohäsion. Kohäsion wird teilweise auch als „die Allianz der Gruppentherapie“ bezeichnet (Burlingame et al. 2018) und soll ebenso wie die therapeutische Allianz kurativ in Form einer Symptomverbesserung wirken (z. B. Yalom und Leszcz 2005). Kohäsion bezeichnet das Gefühl, zu einer Gruppe dazuzugehören und sich in der Gruppe unterstützt zu fühlen (lateinisch: cohaerere: verbunden sein, zusammenhängen). Arbeiten von Johnson et al. (2005), Bormann und Strauß (2007) sowie anderen konnten zeigen, dass Kohäsion zum zugrunde liegenden Beziehungsfaktor Verbundenheit („positive bonding“) gehört und von anderen Aspekten wie der Arbeitsbeziehung („positive working“) oder negative Beziehungsaspekten („negative relationship“) abgegrenzt werden kann (Bakali et al. 2009).

Zur Frage, ob Kohäsion tatsächlich ein Wirkfaktor ist und somit kurativen Einfluss auf die Symptomveränderung nimmt, stellt die aktuelle Metaanalyse von Burlingame et al. (2018) einen wichtigen Ausgangspunkt dar. In dieser Metaanalyse wurden 55 Studien zur Kohäsion-Outcome-Korrelation zusammengefasst. Über alle Studien hinweg fanden die Autoren einen Zusammenhang von r = 0,26, der sehr ähnlich wie die für die Einzeltherapie berichtete Effektstärke der Allianz-Outcome-Korrelation von r = 0,28 ist (Flückiger et al. 2018). Dieses Ergebnis ist ein wichtiger und notwendiger erster Schritt, um die Bedeutung der Kohäsion mit der Gruppe für den Therapieerfolg zu belegen. Allerdings ist unstrittig, dass ein solcher metaanalytischer Zusammenhangsbefund nicht hinreichend sein kann, um Kohäsion als Wirkfaktor zu belegen. Dazu ist es nötig, die zeitliche Abfolge von Kohäsion und Symptomveränderung zu untersuchen, also der „Henne-und-Ei Frage“ nachzugehen: Was kommt zuerst, was folgt? Obwohl sowohl klinische als auch theoretische Erfahrung und Literatur den Schluss nahelegen, dass Kohäsion die Ursache für eine Symptomverbesserung ist, wäre es grundsätzlich denkbar, dass, wie dies für den Fall der therapeutischen Allianz in der Einzelpsychotherapie kritisch diskutiert worden ist (z. B. Strunk et al. 2010), auch die Kohäsion eher ein Produkt vorangegangener Symptomveränderung ist als umgekehrt. Zur Klärung dieser Frage sind longitudinale Studien nötig, in denen sowohl Kohäsion als auch das Ausmaß der Symptome mehrfach erfasst und ihr wechselseitiger Einfluss aufeinander geprüft werden können.

Darüber hinaus ist unklar, ob Kohäsion selbst kurativ ist (z. B. indem die Verbundenheit mit der Gruppe eine positive, heilsame Beziehungserfahrung darstellt) oder ob Kohäsion eher eine Basis dafür darstellt, dass andere hilfreiche therapeutische Prozesse stattfinden können (z. B. indem die höhere Verbundenheit die Anwesenheit und Teilnahmerate erhöht). Auch dies ist für die therapeutische Allianz in der Einzeltherapie diskutiert worden (Zilcha-Mano 2017). Hier hilft die Differenzierung der „Within-“ von den „Between-person“-Effekten in longitudinalen Studien: Ein Between-Effekt bedeutet, dass Unterschiede in der Kohäsion zwischen Personen bedeutsam mit Outcome zusammenhängen, dass also z. B. Personen mit größerem Kohäsionserleben im Mittel auch bessere symptomatische Therapieergebnisse erleben. Dies wäre z. B. vereinbar mit der Idee, dass in Therapien von Patienten, die über alle Stunden hinweg eine höhere Kohäsion als andere Patienten erleben, insgesamt auch produktiver gearbeitet werden kann, oder dass diese Personen auch pünktlicher und regelmäßiger zur Therapie kommen. Ein Within-Effekt bezieht sich dagegen auf die Unterschiede innerhalb einer Person über die verschiedenen Messzeitpunkte. Wenn also z. B. einzelne Stunden eines Patienten mit höherem Kohäsionserleben von einer Symptomverbesserung gefolgt sind, während dies nach anderen Stunden nicht oder weniger der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Kohäsionsveränderung selbst zum Outcome beiträgt (Curran und Bauer 2011; Zilcha-Mano 2017). Auch für die Differenzierung der Effekte zwischen und innerhalb der Personen sind somit longitudinale Studiendesigns mit mehrfacher Messung der Kohäsion notwendig.

Ziel der Arbeit

Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang von erlebter Gruppenkohäsion und Symptomveränderung in einer Stichprobe depressiver Patienten in stationärer bzw. tagesklinischer Psychotherapie. Ziele der Studie sind:

  • die Beschreibung der korrekten zeitlichen Abfolge in der angenommenen wechselseitigen Beeinflussung von Kohäsion und Symptomen („Was folgt auf was?“) sowie

  • die Differenzierung von Within- und Between-person-Effekten, um der Frage nachzugehen, ob allein die Veränderung der Kohäsion kurativ wirken kann.

Es handelt sich um die retrospektive Auswertung von Patienten, die an einer randomisierten kontrollierten Pilotstudie zum Vergleich tagesklinischer und stationärer Psychotherapie teilgenommen hatten (Dinger et al. 2014, 2015a). Die depressive Symptomatik besserte sich in beiden Gruppen signifikant, es gab jedoch keine Hinweise auf systematische Unterschiede zwischen den Gruppen. Für die vorliegende sekundäre Auswertung werden wöchentlich ausgefüllte Fragebogen zum Erleben der therapeutischen Beziehungen auf der Station und zum Verlauf der Symptome ausgewertet.

Material und Methoden

Teilnehmende Patienten

Einschlusskriterium für die randomisierte kontrollierte Pilotstudie zum Vergleich tagesklinischer und stationärer Psychotherapie waren eine depressive Episode oder Dysthymie gemäß dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-IV (SKID), Alter zwischen 18 und 60 Jahren und ein Wohnort im Radius von 60 km um das Krankenhaus. Ausschlusskriterien waren eine akute psychotische oder bipolare Störung, eine Substanzabhängigkeit mit derzeitigem Substanzkonsum, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, Anorexia nervosa oder Essstörung mit „Binge“-Häufigkeit von mehr als 3‑mal täglich sowie eine klinische Indikation für eine ambulante Psychotherapie.

In die randomisierte kontrollierte Studie wurden insgesamt 44 Patienten aufgenommen; von 40 dieser Personen liegen ausreichende Daten für diese Sekundärauswertung vor. Zur Teilnahme an der Sekundäranalyse war das Vorliegen mindestens 3 aufeinanderfolgender, vollständig ausgefüllter wöchentlicher Fragebogensätze notwendig. Von den 40 Patienten, die dieses Kriterium erfüllen, waren 19 in die Bedingung Tagesklinik und 21 in die Bedingung vollstationäre Therapie randomisiert worden. Die Teilnehmenden hatten ein mittleres Alter von 35,4 Jahren (Standardabweichung [SD] ± 11,78 Jahre; Range 18 bis 55 Jahre); es waren 47,5 % der Teilnehmenden weiblich. Bis auf eine Person (97,5 %) war allen eine „major depressive episode“, der verbleibenden Person eine Dysthymie als Hauptdiagnose gestellt worden. Komorbide Achse-I-Störungen nach dem SKID‑I umfassten Angststörungen (42,5 % der Patienten), somatoforme Störungen (15 %), Dysthymien (12,5 %), Essstörungen (10 %) und Zwangsstörungen (5 %). Zusätzlich erfüllten 30 % der Patienten die Kriterien für eine komorbide Persönlichkeitsstörung. Von den 40 Patienten beendeten 35 die Behandlung, wie vorgesehen, nach 8 Wochen. Die übrigen 5 Patienten brachen die Therapie vorzeitig ab, konnten aber gemäß dem oben genannten Einschlusskriterium dennoch in die Auswertung einbezogen werden.

Behandlung

Die Behandlungen wurden in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg als multimodale Therapie durchgeführt. Fallkonzeption, Behandlungsziele und die Mehrzahl der Interventionen folgen einem psychodynamischen Modell, jedoch werden Elemente aus anderen Therapieschulen (kognitiv, verhaltensbezogen, systemisch) einbezogen. Das Behandlungsprogramm ist nach dem Grundsatz „slow open“ organisiert; neue Patienten wurden regelhaft einmal pro Woche aufgenommen. Patienten in dieser Studie erhielten psychoanalytisch-interaktionelle Gruppenpsychotherapie (2/Woche), psychodynamische Einzeltherapie (eine/Woche), Gestaltungstherapie (2/Woche in der Gruppe), Musik- und Körpertherapie, ein soziales Kompetenztraining und eine systemische Skulpturgruppe/Familienaufstellung (alle jeweils eine/Woche in der Gruppe). Dazu kamen tägliche Morgen- und Abendrunden sowie Bezugspflegegespräche und sozialarbeiterische Unterstützung nach Bedarf. Die Behandlungseinheit kombiniert vollstationäre und tagesklinische Plätze in einem integrierten Modell. Beide Behandlungsbedingungen wurden gemeinsam therapiert und erhielten die gleiche „Dosis“ an geplanten therapeutischen Kontakten. Die Hälfte der Gruppe bestand aus tagesklinischen, die andere Hälfte aus vollstationären Patienten. Stationäre Patienten konnten die Station außerhalb der Therapiezeiten und Mahlzeiten während des Tages verlassen und verbrachten üblicherweise 6 Wochenenden als Belastungserprobung zu Hause. Tagesklinische Patienten wurden an Werktagen von 8 bis 16 Uhr behandelt, verbrachten jedoch die Abende und Wochenenden zu Hause. In Notfällen konnten sie die Klinik jederzeit telefonisch erreichen. Die Dauer der Studienbehandlungen war vorab auf 8 Wochen festgelegt.

Die Gruppentherapie folgt dem psychoanalytisch-interaktionellen Modell von Heigl-Evers und Heigl (1973, 1994). Sie fand 2‑mal wöchentlich für jeweils 75 min statt. Die Gruppengröße bewegte sich üblicherweise zwischen 10 und 12 Patienten. Es handelt sich um eine fortlaufende Gruppe; alle Patienten wurden (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) in derselben Gruppe behandelt. Die Gruppe wurde von 2 Therapeuten geleitet (Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für psychosomatische Medizin). Einmal wöchentlich fand eine Supervision durch einen Gruppenlehranalytiker (Deutscher Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, DAGG) statt. Im Laufe des Studienzeitraums gab es 2‑mal einen Wechsel bei den Therapeuten, sodass im Studienzeitraum insgesamt 4 Therapeuten (jeweils zu zweit in wechselnder Konstellation) aktiv waren.

Instrumente

Symptome.

Der Symptomverlauf wurde mithilfe der Kurzform der Hopkins Symptom-Checkliste erhoben (HSCL-11; Lutz et al. 2006). Die HSCL-11 wurde auf der Basis des Item-Pools der originalen Hopkins Symptom-Checkliste (Derogatis 1977) entwickelt, mit dem Ziel der Etablierung eines frei verfügbaren Kurzinstruments für den wiederholten Einsatz in der Psychotherapie. Die 11 Items werden auf einer 5‑stufigen Skala beantwortet und decken v. a. Symptome aus dem Bereich von Depression und Angst ab. Höhere Werte stehen für mehr Symptome. Der Gesamt-Score aus den 11 Items wird in Analogie zum Ursprungsinstrument als Global Severity Index (GSI) bezeichnet. Psychometrische Evaluationen zeigten eine gute Reliabilität und Validität des Fragebogens und demonstrierten darüber hinaus seine Veränderungssensitivität (Lutz et al. 2006). In der vorliegenden Stichprobe war das Cronbachs α 0,98 in der ersten Woche.

Kohäsion.

Der Verlauf der individuell erlebten Gruppenkohäsion wurde mithilfe der Skala Kohäsion des Tagesklinik- und Stationserfahrungsbogens (TSEB; Dinger et al. 2015b) ermittelt. Der TSEB erfasst Kohäsion mit 4 Items auf einer 6‑stufigen Skala; höhere Werte stehen für mehr Kohäsion. Die Items erfragen das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gruppe ebenso wie Aspekte der emotionalen Verbindung (Tab. 1). Die Items beziehen sich auf alle derzeit anwesenden Patienten auf der Station; alle Patienten nehmen an denselben Gruppentherapien teil. Der TSEB ist eine Weiterentwicklung des Stationserfahrungsbogen von Sammet und Schauenburg (1999). In der Vorversion war die Kohäsionsskala ein relevanter Prädiktor für das Gesamtergebnis stationärer Psychotherapie (Dinger und Schauenburg 2010). Die ursprüngliche Kohäsionsskala baute auf dem Gruppenerfahrungsbogen von Strauß und Eckert (1994) auf. Die interne Konsistenz der TSEB-Kohäsionsskala in der vorliegenden Stichprobe, Cronbachs α, betrug 0,95 in der Woche 1.

Tab. 1 Items der Kohäsionsskala im Tagesklinik- und Stationserfahrungsbogen

Ablauf

Die Patienten wurden nach der Indikationsstellung zur multimodalen Psychotherapie im Krankenhaus vor Aufnahme für eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie rekrutiert und zufällig der Bedingung tagesklinische oder vollstationäre Therapie zugewiesen. Nach umfangreicher Diagnostik wurden sie in ihrer jeweiligen Bedingung aufgenommen und über 8 Wochen behandelt. Ihr Erleben des psychotherapeutischen Prozesses (Gruppenkohäsion im TSEB) und der Symptome (HSCL-11) wurde am Ende jeder Behandlungswoche per Fragebogen erhoben.

Statistische Analysen

Gemäß den Empfehlungen von Zhang et al. (2009) wurde die CWC(M) Methode für Multileveldaten von Kreft und de Leeuw (1998) für die statistische Analyse verwendet (Centering Within Context with reintroduction of the substracted mean). Bei dieser Methode werden die Prädiktoren zentriert (Gruppenmittelwertzentrierung für das Individuum ≙ niedrigstes Level der Analyse), und der abgezogene Mittelwert wird auf dem höheren Level (Gruppenlevel) wieder eingeführt. Die CWC(M)-Methode liefert unabhängige Koeffizienten für die Effekte innerhalb (within) und zwischen (between) Personen. Ein Within-person-Effekt beschreibt den Zusammenhang zwischen der individuellen Veränderung der Prädiktorvariable (Kohäsion) eines Patienten über die Zeit und der Veränderung in der Outcome-Variable (Symptome) dieses Patienten. Ein Between-person-Effekt drückt den Zusammenhang zwischen dem Patientenmittelwert der Prädiktorvariable und der Outcome-Variable zu den verschiedenen Messzeitpunkten aus.

Um die gegenseitigen Wechselwirkungen von Kohäsion (KOH) und Symptomen (GSI) über die Zeit zu betrachten, wurde ein autoregressives „Cross-lagged-panel“-Modell genutzt, bei dem eine Outcome-Variable zu einem gegebenen Zeitpunkt (GSIt) sowohl durch dieselbe Variable zu einem früheren Zeitpunkt (autoregressiver Effekt, GSIt−1) als auch durch eine weitere Prädiktorvariable zum früheren Zeitpunkt (Cross-lagged-Effekt, KOHt−1) vorhergesagt wird (Collins und Sayer 2001). Dadurch kann geprüft werden, ob Kohäsion die nachfolgenden Symptome beeinflusst, wenn für den Einfluss der derzeitigen Symptome kontrolliert wird. Das finale Modell zur Vorhersage der Symptome (SCLt) enthielt sowohl einen autoregressiven Effekt (SCLt−1), den Between-person-Effekt der Kohäsion, als auch den Within-person-Effekt der Kohäsion (KOHt−1). Zur Prüfung des wechselseitigen Einflusses wurde das Modell zur Vorhersage der Symptome mit einem Modell zur Vorhersage der Kohäsion (umgekehrte Vorgehensweise: KOHt vorhergesagt durch KOHt−1, Between-GSI und GSIt−1) wiederholt. Für beide Modelle wurde zudem geprüft, ob die Aufnahme der Interaktion der Prädiktoren mit der Behandlungsbedingung (Tagesklink vs. vollstationär) statistisch bedeutsam war (Wald-Test). Für die Berechnung wurden fehlende Werte nicht ersetzt, die festen Effekte basieren daher auf den jeweiligen zur Berechnung vorhandenen Beobachtungspunkten. Die sonst in der Gruppenforschung häufig notwendige Berücksichtigung abhängiger Daten aufgrund von parallelen Gruppen entfällt hier, da alle Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in derselben fortlaufenden Gruppe behandelt wurden.

Ergebnisse

Für 34 der 40 teilnehmenden Patienten liegen vollständige Daten zu allen 8 Messzeitpunkten vor. Von den verbleibenden 6 Patienten fließen weniger Datenpunkte ein; hier bewegt sich die Anzahl der vorhandenen Messzeitpunkte zwischen 3 und 7/Person (Mittelwert 4,8).

Die Pearson-Korrelationen der Kohäsion mit dem GSI für die verschiedenen Erhebungszeitpunkte sind in Tab. 2 abgebildet.

Tab. 2 Korrelationen von Kohäsion und Symptomen für alle wöchentlichen Messzeitpunkte

Da der Wald-Test zeigte, dass die Interaktionen der Prädiktoren mit der Behandlungsbedingung nicht signifikant bedeutsam waren, wurden im Weiteren Modelle ohne diese Interaktionsterme für die Vorhersage des Verlaufs der Symptome und der Kohäsion angewendet.

Kohäsion als Prädiktor für nachfolgende Symptome

Die Analyse zeigte, dass Patienten mit einem hohen GSI-Wert zu einem gegebenen Zeitpunkt auch hohe GSI-Werte zur jeweils nächsten Messung aufwiesen (autoregressiver Effekt: β = 0,88, S.E. = 0,03, t(220) = 27,76, p > 0,001). Weiter sagten höhere Kohäsionswerte zu einem Zeitpunkt niedrigere GSI-Werte zur jeweils nächsten Messung vorher (β = −0,17, S.E. = 0,06, t(220) = −2,54, p = 0,01), dies stellt den sog. Within-person-Effekt dar. Dagegen war die mittlere Kohäsion nicht signifikant mit dem Ausmaß der Symptome verknüpft (kein Between-person-Effekt; β = −0,035, SE = 0,024, t(38) = −1,45, p = 0,15).

Symptome als Prädiktor für nachfolgendes Kohäsionserleben

Hier zeigte die Analyse des autoregressiven Effekts, dass ein hoher Kohäsionswert zu einem gegebenen Zeitpunkt von ebenfalls hohen Kohäsionswerten bei der nächsten Messung gefolgt war (β = 0,47, SE = 0,05, t(220) = 9,47, p < 0,0001). Weiter war hohe Symptombelastung gefolgt von geringerem Kohäsionserleben in der Folgewoche (Within-person-Effekt; β = −0,29, SE = 0,07, t(220) = −4,18, p < 0,0001). Patienten mit hoher Symptombelastung berichteten insgesamt niedrigeres Kohäsionserleben (Between-person-Effekt; β = −0,36, SE = 0,11, t(38) = −3,19, p < 0,003).

Diskussion

Untersuchung der korrekten zeitlichen Sequenz in der Abfolge

Die vorgestellte Studie untersuchte den wechselseitigen Effekt von erlebter Gruppenkohäsion und Symptomen. Das erste Ziel war die Untersuchung der korrekten zeitlichen Sequenz in der Abfolge, also die Beantwortung der „Henne-und-Ei Frage“: Was kommt zuerst, was folgt? Dazu diente im longitudinalen Forschungsdesign die Kontrolle des vorherigen, autoregressiven Outcome-Werts gleichzeitig zum Prädiktor aus der Vorwoche bei der Analyse der Within-person-Effekte. Für die Vorhersage der Symptomentwicklung über die Zeit kann das angewandte Design die Möglichkeit ausschließen, dass die erwartete Kohäsion-Outcome-Assoziation durch frühere Symptomverbesserung erklärt wird (umgekehrte Kausalität). Die Befunde bestätigen den vermuteten Wirkzusammenhang und zeigen, dass in der untersuchten Stichprobe Kohäsion einen eigenen Beitrag zur Aufklärung nachfolgender Symptomatik leistet, auch wenn für die vorherige Symptombelastung kontrolliert wird. Dies ist eine notwendige Voraussetzung der empirischen Prüfung von Kohäsion als Wirkfaktor und ergänzt die metaanalytischen Befunde von Burlingame et al. (2018) zur positiven und bedeutsamen Kohäsion-Outcome-Korrelation. Unabhängig davon zeigen die Ergebnisse aber auch, dass der im Vorfeld als möglich erachtete umgekehrte Wirkungszusammenhang (frühere Symptome sagen nachfolgendes Kohäsionserleben voraus) in dieser Stichprobe ebenfalls besteht. Dies verdeutlicht umso mehr, wie wichtig die Kontrolle des autoregressiven Effekts in longitudinalen Modellen ist.

Differenzierung von Within- und Between-person-Effekten

Das zweite Ziel der Studie war die Differenzierung von Within- und Between-person-Effekten, um der Frage nachzugehen, ob allein die Veränderung der Kohäsion kurativ wirkt oder ob sie eher als Basis zu verstehen ist, aufgrund derer andere kurative Prozesse wirksam werden können (vgl. die Argumentation von Zilcha-Mano 2017 für die therapeutische Allianz). Der gefundene signifikante Within-person-Effekt von Kohäsion auf nachfolgende Symptome ist mit der Idee eines eigenen kurativen Effekts von Kohäsion vereinbar. Wie z. B. Falkenström et al. (2013) herausstellten, sind die Within-person-Effekte letztlich diejenigen, die für therapeutisches Handeln leitend sein können. Nur wenn eine Veränderung innerhalb des Patienten auch auf nachfolgende Symptome wirkt, ist es sinnvoll, mit einem Patienten auf eine Verbesserung des Kohäsionserleben hinzuarbeiten. Interessanterweise gab es keinen signifikanten Between-person-Effekt für die Vorhersage der Symptome. Das bedeutet, dass Patienten, die über alle Stunden hinweg eine hohe Kohäsion erlebten (=durchschnittlich höhere Kohäsionswerte dieser Person im Vergleich zu anderen Personen der Stichprobe), nicht notwendigerweise auch niedrigere Symptombelastungen berichteten. Dagegen war es umgekehrt so, dass der Between-person-Effekt für die Vorhersage der Kohäsion bedeutsam war: je höher die durchschnittliche Symptombelastung über alle Stunden hinweg war, desto niedriger war die nachfolgende Kohäsion über alle Zeitpunkte hinweg. Dies könnte so zu versehen sein, dass eine hohe Symptombelastung die Entwicklung einer positiven Gruppenkohäsion erschwert, und kann als Warnhinweis dienen, dass sich bei stark belasteten Patienten ein positives Kohäsionserleben weniger leicht einstellt.

Between-Effekte lenken die Aufmerksamkeit auf interindividuelle Unterschiede zwischen Patienten. Es ist selbstverständlich davon auszugehen und bereits bekannt, dass bestehende Unterschiede in grundsätzlichen Fähigkeiten und Tendenzen, wie Patienten Beziehungen gestalten, auch auf therapeutische Beziehungen zutreffen. Dazu passt der Befund aus der Einzelpsychotherapie, dass etwa 50 % der Varianz in der therapeutischen Allianz über den Therapieverlauf hinweg durch die bereits vor der Therapie bestehende Allianzerwartung erklärt werden (Barber et al. 2014; Dinger et al. 2013; Zilcha-Mano et al. 2014). So ist auch zu erwarten, dass die Beziehungserfahrungen in der Gruppe durch die individuelle Persönlichkeit und die Beziehungsgeschichte der Einzelnen geprägt sein werden, wie es z. B. Arbeiten aus Kanada mit essgestörten Patienten zeigen (Tasca et al. 2006). Darüber hinaus ist ebenfalls wahrscheinlich, dass ein verbessertes Kohäsionserleben nicht für alle Patienten gleich hilfreich ist. So zeigten z. B. Dinger und Schauenburg (2010), dass ein Anstieg der Kohäsion im Verlauf stationärer Psychotherapie v. a. für solche Patienten positiv war, die vorab interpersonelle Probleme im Bereich von Kälte, Feindseligkeit oder großer Distanz zu anderen beschrieben hatten (geringe Affiliation). Gallagher et al. (2014) fanden, dass ein Kohäsionsanstieg v. a. für bindungsängstliche Patienten mit besseren Therapieergebnissen verknüpft war. Die Autoren des vorliegenden Beitrags sind davon überzeugt, dass weitere Studien zu differenziellen Effekten dazu beitragen, die z. T. heterogene Literatur der Prozess-Outcome-Forschung in der (Gruppen‑)Psychotherapie einzuordnen. Dazu sind allerdings ausreichend große Stichproben nötig.

Schlussfolgerungen

Insgesamt sind die Befunde der untersuchten Stichprobe mit der Idee von Kohäsion als kurativem Wirkfaktor vereinbar. Was bedeutet das für die klinische Praxis? Wie können Therapeuten das Kohäsionserleben fördern? Hierzu gibt es bisher wenig empirische Literatur. Yalom empfiehlt, dass Therapeuten einerseits drohende Gefahren für eine gute Kohäsion erkennen und verhindern sollen (z. B. durch Wahrung des Rahmens bei beliebigem Erscheinen und Ausbleiben von Teilnehmern oder deren privaten Verabredungen außerhalb, bei Bildung von Untergruppen oder dem sozialen Ausschluss Einzelner; Yalom und Leszcz 2005). Weiter können Therapeuten wesentlich dazu beitragen, hilfreiche Gruppennormen wie Selbstöffnung, Empathie, gegenseitige Unterstützung, konstruktive Konfrontation und Verantwortungsübernahme zu etablieren, auf Basis derer sich ein positiver Gruppenzusammenhalt und Kohäsion entwickeln können. Dies gelingt u. a., indem der Therapeut selbst als „Vorbild“ fungiert und sich sowohl in seiner Rolle als Teilnehmer als auch als Experte empathisch, interessiert und authentisch zeigt. Weiter können explizite Interventionen, die auf gelungene Aspekte des Miteinanders in der Gruppe gerichtet sind, Kohäsionserleben fördern.

Zur Einordnung der berichteten Ergebnisse müssen die Limitationen der Studie berücksichtigt werden. Hierzu zählt die vergleichsweise kleine Stichprobe von 40 Patienten. Die statistische Power ist nicht ausreichend, um kleine Effekte aufzudecken. Dies betrifft weniger die Within-person-Effekte (durch die multiplen Messungen), sondern, v. a. die Interpretation des Between-person-Effekts, sodass der nichtsignifikante Between-Effekt von Kohäsion auf Symptome mit Vorsicht interpretiert werden sollte. Ein zusätzliches Manko ist die fehlende Möglichkeit, für Therapeuteneffekte zu kontrollieren, da die Wechsel im fortlaufenden Prozess stattfanden. Eine weitere Einschränkung ist die Erhebung von Kohäsion mit dem TSEB als allgemeines Maß in der stationären bzw. tagesklinischen Psychotherapie. Es ist davon auszugehen, dass sich das Kohäsionserleben von Patienten nicht nur auf die tatsächlichen Sitzungen der Gruppenpsychotherapie, sondern auf das insgesamte Miteinander von Patienten auf der Station bezieht. Zwar nahmen alle Patienten an der Gruppentherapie teil, die Befunde sind trotzdem vermutlich nur eingeschränkt mit reinen Gruppentherapiestudien, z. B. im ambulanten Kontext, vergleichbar. Die Autoren hoffen jedoch, dass die Studie beitragen kann, weitere Gruppentherapieprozessforschung im Rahmen stationärer und tagesklinischer Behandlungen anzuregen.

Fazit für die Praxis

  • Die Befunde der Studie zeigen die hohe Bedeutung des Kohäsionserlebens in der multimodalen Psychotherapie im Krankenhaus.

  • Insbesondere der bedeutsame Within-Person-Effekt von Kohäsion auf nachfolgende Symptomverbesserung kann als Ermutigung verstanden werden, das Kohäsionserleben von Patienten unabhängig vom Ausgangsniveau durch entsprechende Interventionen des Therapeuten zu fördern.