Neurofeedback (NF) weckt derzeit erhöhtes Interesse vonseiten der Wissenschaft und klinischen Anwendung. Dies liegt v. a. an zwei Trends: dem Technikfortschritt sowie dem Zuwachs des Wissens über Zusammenhänge von neuronalen Funktionen und pathologischer Manifestation. Letzteres ermöglicht die Entwicklung neuer Protokolle für die klinische Praxis im Sinne einer individualisierten, am klinischen Bedarf orientierten Therapie. Nur wenn es in der Forschung zum verstärkten Einsatz von methodisch hochwertigen Studien kommt, kann die klinische Anwendung zukünftig von diesen Entwicklungen profitieren.

Definition, Mechanismen und Einsatzbereiche der Neurofeedbackmethode

Es sieht zunächst wie ein futuristisches Computerspiel aus: Ohne Joystick oder Tastatur sitzen Personen vor einem Bildschirm und bewegen Raketen oder Autos. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass das Computerspiel Teil einer Therapie ist, dem sog. Neurofeedback. Auf den Köpfen der Patienten sind Elektroden mithilfe einer Kappe angebracht, die Gehirnströme messen. Bestimmte Aspekte der Gehirnaktivität werden in Echtzeit analysiert und dem Patienten rückgemeldet. Dieses Feedback in Form von Figuren auf dem Bildschirm hilft, die sonst nicht direkt wahrnehmbare und steuerbare Gehirnaktivität zugänglich zu machen. Je nachdem, ob die aktuelle Gehirnaktivität erwünscht ist oder nicht, bewegen sich die Figuren auf dem Bildschirm weiter oder erstarren. Dadurch erlernt der Patient mentale Strategien und setzt sie ein, um neuronale Merkmale zu regulieren, die mit bestimmten kognitiven Funktionen oder der Reduzierung von Symptomen zusammenhängen (Infobox 1).

Infobox 1 Empfohlene Literatur I

  • Strehl S (Hrsg) (2013) Neurofeedback. Theoretische Grundlagen, praktisches Vorgehen, wissenschaftliche Evidenz. Kohlhammer, Stuttgart

  • Haus K‑M, Held C, Kowalski A et al (Hrsg) (2016) Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio

Neurofeedback informiert den Patienten durchgehend über seine aktuelle Gehirnaktivität, damit er bestimmte neuronale Aspekte selbst regulieren lernt. Die hierfür benötigte Gehirn-Computer-Schnittstelle wird durch eine Rückmeldeschleife mit 5 Elementen gebildet (Abb. 1):

  1. 1.

    Messung der Gehirnaktivität durch bildgebende Verfahren wie Elektroenzephalographie (EEG), Magnetenzephalographie, Magnetresonanztomographie oder Nahinfrarotspektroskopie;

  2. 2.

    Echtzeitanalyse der gemessenen Aktivität (einschließlich Herausfiltern von Messartefakten);

  3. 3.

    Extraktion eines bestimmten neuronalen Merkmals, das trainiert werden soll (z. B. ein bestimmtes Frequenzband);

  4. 4.

    Übertragung dieses Merkmals in ein Feedbacksignal sowie

  5. 5.

    der Patient, der versucht seine Gehirnaktivität zu beeinflussen, die dann wiederum gemessen, analysiert, extrahiert und rückgemeldet wird.

Merke.

Obwohl NF potenziell mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden kann und andere Modalitäten als EEG vielversprechende Resultate zeigen, hat derzeit die EEG die größte Bedeutung in der klinischen Praxis: Neurofeedback-Software und -Hardware sind mobil und kostengünstig.

Abb. 1
figure 1

Fünf Elemente der Neurofeedback-Rückmeldeschleife

Die Ausgestaltung dieser Elemente ist Grundlage eines NF-Protokolls. Diese betrifft u. a. die Festlegung auf ein bestimmtes Messverfahren, ein aus einer bestimmten Region extrahiertes, neuronales Aktivitätsmerkmal und die Art des Feedbacks. Unterscheidet sich zwischen sonst identischen Protokollen allein die Auswahl der Elektrodenposition (z. B. frontale vs. parietale Regionen), können dadurch unterschiedliche neuronale Netzwerke angesprochen werden, die unterschiedlichen kognitiven Funktionen unterliegen. Zudem kann sich die Effizienz von Protokollen trotz Auswahl eines gleichen und aus derselben Region extrahierten neuronalen Merkmals unterscheiden, wenn z. B. die Sitzungsanzahl abweichend ist.

Derzeit wird NF hauptsächlich in folgenden 3 Bereichen genutzt: als (i) therapeutisches Verfahren bei Patienten, (ii) Training zur Leistungsoptimierung gesunder Personen, (iii) experimentelle Methode zur Untersuchung eines möglichen kausalen Zusammenhangs eines neuronalen Merkmals und einer kognitiven Funktion (Enriquez-Geppert et al. 2017; Abb. 2; Infobox 2).

Abb. 2
figure 2

Einsatzbereiche des Neurofeedbacks (NF)

Infobox 2  Neurofeedback in der praktischen Anwendung

Die wichtigste Fachgesellschaft für Neurofeedback (NF) ist die Deutsche Gesellschaft für Biofeedback e. V. (DGBFB, https://www.dgbfb.de/index.php/de):

Finanzierung der NF-Therapie:

  • Neurofeedback wird durch einen psychologischen Psychotherapeuten mit Kassenzulassung als Bestandteil der von der gesetzlichen Krankenkasse finanzierten Verhaltenstherapie gerechnet

  • Andernfalls übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer NF-Behandlung nur in Ausnahmen oder auf ärztliches Rezept in der Ergotherapie. Die Abrechnung erfolgt als individuelle Gesundheitsleistung („IGeL“) und wird daher als privatärztliche Leistung abgerechnet

Bei NF werden unterschiedliche Lernmechanismen diskutiert. (i) operantes und klassisches Konditionieren gehören zu den wichtigsten und werden von Ros et al. (2014) basierend auf der NF-Rückmeldeschleife beschrieben. Frühe NF-Phasen sind zunächst besonders durch fluktuierende Feedback-Signale charakterisiert, die stochastische und unkonditionierte neuronale Variabilität widerspiegeln. Nachfolgend erreicht die neuronale Aktivität sporadisch und zufällig den Bereich der erwünschten Aktivität, bei dem der Proband entsprechendes Feedback erhält. Dadurch ist das Gehirn in der Lage, einen bestimmten neuronalen Zustand als internen Sollwert zu speichern, und schüttet belohnungsmodulierende Signale wie Dopamin aus, die auch für die neuronale Plastizität wichtig sind. Bei nachfolgenden Rückmeldeschleifen versucht der Proband, die erwünschte Gehirnaktivität durch Anwendung mentaler Strategien zu reproduzieren, verwendet idealerweise immer effizientere Strategien, trifft den Sollwert besser und verändert somit leichter seine Gehirnaktivität. (ii) Einen weiteren Mechanismus stellt die Zwei-Prozess-Theorie von Lacroix (1986) dar, die von Wood et al. (2014) um 3, im NF-Kontext wesentliche, neuronale Netzwerke erweitert wurde. (iii) Letztendlich spielt auch der Erwerb von Fertigkeiten (hierbei das Erlernen der Selbstregulation der Gehirnaktivität) eine Rolle.

Folgende 3 neuroplastische Mechanismen stehen bei NF im Fokus. (i) Gemäß der Hebb-Plastizität konditioniert NF ein bestimmtes neuronales Aktivitätsmuster. Wenn Neurone vermehrt gemeinsam feuern, werden ihre Verbindungen gestärkt; dies vereinfacht das zukünftige Entstehen desselben Aktivitätsmusters (Ros et al. 2014). (ii) Homöostatische Plastizität bezeichnet einen intrinsischen Regulationsmechanismus, der das Erreichen von pathologischen Extremzuständen neuronaler Aktivität bei Gesunden verhindert. Wenn dieser Mechanismus beeinträchtigt ist, kann NF ihn normalisieren. Homöostatische Plastizität äußert sich durch einen „paradoxen Rebound“ und führt in eine gegensätzliche Richtung als trainiert. Zum Beispiel zeigen Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung übermäßig reduzierte Alpha(α)-Aktivität. Reguliert man die α‑Aktivität durch NF weiter herunter, kommt es direkt nach dem NF zur sofortigen Erhöhung in Richtung normalisierte α‑Aktivität (Jokić-Begić und Begić 2003). (iii) Da strukturelle neuronale Verbindungen von der Aktivität des Netzwerks abhängen, kann NF auch zu plastischen Veränderungen der grauen und weißen neuronalen Masse führen (Ros et al. 2014). Werden neuroplastische Mechanismen ausgelöst, können theoretisch Langzeiteffekte erwartet werden.

Neurofeedback als evidenzbasiertes Verfahren in der Therapie

Die Wirksamkeit von NF wird derzeit im Bereich der hyperkinetischen Störungen (HKS) kritisch untersucht. In einer Metaanalyse der entsprechenden europäischen Arbeitsgemeinschaft wurden verschiedene NF-Protokolle im Vergleich zu aktiven Kontrollgruppen auf die Reduzierung der Symptomatik bei HKS untersucht (Cortese et al. 2016). Effekte auf Hyperaktivität- und Impulsivitäts-Symptomatik wurden über alle verschiedenen NF-Protokolle im Vergleich zu unterschiedliche Kontrollgruppen (inbegriffen waren Standardbehandlungen, Wartelisten-Kontrollgruppen, Placebo Neurofeedback bei dem Probanden nur scheinbares Feedback über die eigene Gehirnaktivität erhalten und aktive Kontrollgruppen) untersucht. Es ergaben sich signifikante Ergebnisse nur auf nicht-verblindet erhobene Erfolgsmaße, aber nicht auf verblindet erhobene Erfolgsmaße.

Allerdings müsste, methodisch streng genommen, die Wirksamkeit für verschiedene NF-Protokolle gesondert berechnet werden, wie auch in der Pharmakologie die Wirksamkeit unterschiedlicher Wirkstoffe getrennt nachgeprüft wird. Wird dies missachtet, kann es zu verzerrten Einschätzungen und falschen Schlussfolgerungen kommen. Diese gesonderte Betrachtung ist gegenwärtig durch die geringe Anzahl methodisch robuster Studien (noch) nicht möglich.

Es liegen allerdings Metaanalysen vor, die sich zumindest auf 3 Standardprotokolle, das Theta(θ)/Beta(β)-Ratio, sensorisch motorischer Rhythmus (SMR) und das Training langsamer kortikaler Potenziale (LP), beschränken. Schätzt man die kombinierte Wirksamkeit für diese 3 Protokolle, zeigen sich signifikante Ergebnisse auf verblindet erhobene Erfolgsmaße im Vergleich zu (semi)aktiven Kontrollgruppen (z. B. Micoulaud-Franchi et al. 2014; Cortese et al. 2016). Obwohl nach derzeitigem Kenntnisstand bislang nicht zu beurteilen ist, wie wirksam die einzelnen Standardprotokolle für sich genommen sind, werden diese Protokolle als evidenzbasierte Behandlungsmethoden im Bereich HKS angesehen (Tab. 1). Eine jüngste Metaanalyse überprüfte zudem langfristige Effekte dieser Standardprotokolle nach 6 Monaten im Vergleich zu einer Gruppe mit herkömmlicher Standardbehandlung (Methylphenidat oder Selbstmanagement) und einer nichtaktiven Kontrollgruppe, zu der alle anderen Bedingungen gezählt wurden (van Doren et al. 2018). Die herkömmliche Standardbehandlung führte direkt nach Abschluss zu stärkeren Effekten auf Unaufmerksamkeit als NF. Im Vergleich zum Behandlungsabschluss erfolgten nach 6 Monaten keine weiteren signifikanten Effekte. Bezüglich Hyperaktivität und Impulsivität zeigte NF die gleichwertige Wirkung zur herkömmlichen Standardbehandlung direkt nach Behandlungsabschluss. Nach 6 Monaten ergab sich zudem ein nennenswerter Trend zugunsten stabiler Effekte von NF gegenüber beiden Kontrollgruppen, was bezüglich dieser Symptome für einen nachhaltigen Behandlungseffekt sprechen könnte.

Tab. 1 Standardprotokolle bei der Behandlung zu hyperkinetischen Störungen

Zum Gebiet der pharmakoresistenten Epilepsie liegt ferner eine Metaanalyse vor, die die Wirkung von NF auf die Reduktion der Anfallsfrequenz belegt (SMR und LP; Tan et al. 2009).

Gegenwärtig werden Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit durch methodische Schwächen wie Fehlen von adäquaten Kontrollgruppen, Randomisierung und angemessenen Stichprobengrößen erschwert. Dies wird anhand einer Metaanalyse bei psychischen Störungen deutlich (Begemann et al. 2016). Den Aufnahmekriterien entsprachen bei Autismus-Spektrum-Störungen 5, bei Zwangsstörungen 3, bei generalisierter Angststörung 2 und bei Depression nur eine Studie. Die Verwendung adäquater Kontrollgruppen spielt besonders in Bezug auf die Einschätzung der Ursachen zum Therapieerfolg eine wichtige Rolle (Abb. 3). Bezüglich NF sind 5 zu unterscheiden: (i) spezifische neurophysiologische Effekte, die durch das Training eines bestimmten Gehirnsignals entstehen, (ii) nichtspezifische Effekte, die NF-kontextspezifisch sind (z. B. Therapeut-Patient-Interaktion in einem neurotechnologischen Kontext), (iii) nichtspezifische Effekte, die generell bei Interventionen entstehen (z. B. Teilnahme an einer Form von kognitivem Training, psychosoziale Effekte, Placebo-Mechanismen usw.), (iv) Wiederholungseffekte und (v) natürliche Effekte, die positiv (z. B. Spontanremission), aber auch negativ (z. B. kognitive Verminderung durch Alterung) ausfallen können (Ros et al. im Druck). Derzeit wird eine wissenschaftliche Debatte über die Größe der verschiedenen Anteile dieser Effekte geführt. Einschätzungen reichen von „ausschließlich Placebo getrieben“ zu „v. a. NF-spezifisch begründet“ (Thibault et al. 2017; Fovet et al. 2017).

Abb. 3
figure 3

Hypothetisches Modell der multiplen Effekte bei Neurofeedback (NF)

Neurowissenschaftlich inspirierte NF-Protokolle

Die neurowissenschaftliche Forschung hat in den letzten Jahren zu neuen NF-Protokollen (Infobox 3) geführt, die sich eher auf neurobiologische und verhaltensbezogene Komponenten als auf komplexe Symptome psychischer Störungen konzentrieren. Exemplarisch ist die Forschung zu neuronalen Oszillationen.

Infobox 3 Beispiele neurowissenschaftlich inspirierter NF-Protokolle

  • Hohes α‑Band-Training und Arbeitsgedächtnis (z. B. Zoefel et al. 2011, Escolano et al. 2011)

  • α-Lateralisierung und verdeckte Aufmerksamkeit (Okazaki et al. 2015)

  • Sensorisch motorischer Rhythmus und Motorik (McFarland et al. 2015)

  • Frontomediales θ und exekutive Funktionen (Enriquez-Geppert et al. 2014)

Merke.

Als neuronale Oszillationen wird die rhythmische neuronale Aktivität bezeichnet, die sich in verschiedenen Frequenzen (δ, θ, α, β, γ) im EEG zeigt. Neuronale Oszillationen kommen auf unterschiedlichen neuronalen Organisationsstrukturen vor, z. B. bei Membranpotenzialen, neuronalem Feuern einzelner Neurone, aber auch bei synchronisierten neuronalen Netzwerken.

Neuronale Oszillationen wirken als Koordinationsmechanismus innerhalb und zwischen Gehirnarealen und sind funktional relevant für Kognition (Herrmann und Knight 2001). So sind etwa die erhöhte Aktivität im oberen α‑Band mit guter Leistung in mentaler Rotation und γ‑Oszillationen mit Merkmalsintegration, neuronalen Bindungsprozessen und bewusster Wahrnehmung assoziiert (Engel und Singer 2001). Die Zusammenhänge zwischen neuronalen Aspekten von Kognition und Verhalten sind Ansatzpunkte für die Forschung und dienen als Basis für die Entwicklung neuer NF-Protokolle, die somit einen direkten neuromodulatorischen Zugang ermöglicht.

Ein kognitiv-oszillatorischer Zusammenhang besteht auch für exekutive Funktionen (Infobox 4), die von einem breit verteilten neuronalen, sog. frontozingulär-parietalen Netzwerk implementiert werden (Niendam et al. 2012). Forschungsergebnisse unterstreichen die Relevanz von θ‑Oszillationen (4–8 Hz) für die Kommunikation innerhalb dieser Gehirnareale und des gesamten Netzwerks (Sauseng et al. 2007). Während gesteigerter kognitiver Verarbeitung durch exekutive Funktionen wird eine erhöhte θ‑Aktivität beobachtet, die im EEG typischerweise an frontomedialen (fm) Elektrodenpositionen gemessen wird (Cavanagh und Frank 2014).

Infobox 4 Exekutive Funktionen

Exekutive Funktionen sind ein Sammelbegriff für zusammenhängende höhere kognitive Funktionen, die primäre kognitive Funktionen wie z. B. Aufmerksamkeit und Gedächtnis kontrollieren, um flexibles, zielgerichtetes Verhalten und Denken in einer komplexen Umwelt zu ermöglichen. Exekutive Funktionen sind für die erfolgreiche Funktionsfähigkeit im Alltag bedeutsam und stehen beispielsweise im Zusammenhang mit:

  • Lernprozessen

  • sozialen Fähigkeiten

  • akademischer und beruflicher Leistung

Verminderte exekutive Funktionsleistung hängen mit psychischen Störungen zusammen, beispielsweise mit:

  • depressiven Episoden

  • Angststörungen

  • leichten kognitiven Störungen

  • hyperkinetischen Störungen

  • primärem Parkinson-Syndrom

  • Schizophrenie

Merke.

Das fm θ gilt als neuronale Arbeitssprache von exekutiven Funktionen (Cavanagh und Frank 2014).

Implikationen für die klinische Erforschung resultieren aus folgenden Ergebnissen. Exekutive Dysfunktionen (i) finden sich in einer Reihe von psychischen Störungsbildern wieder, (ii) stehen im Zusammenhang mit einem Funktionsverlust im Alltag und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität (Stern et al. 2016; Nguyen et al. 2019) und (iii) gehen mit veränderter θ‑Aktivität einher.

Für die klinische Anwendung ist ausschlaggebend, ob exekutive Funktionen durch fm-θ-NF verbessert werden können. Diese Fragestellung wurde bereits in unterschiedlichen Laboren untersucht (Wang und Hsie 2014; Enriquez-Geppert et al. 2014). In den Studien der eigenen Arbeitsgruppe wurde ein individualisiertes Protokoll entwickelt, das die θ‑Aktivität hochtrainiert und mit einem Pseudo-NF als aktive Kontrollgruppe vergleicht. Die Individualisierung betrifft den genauen Frequenzbereich, der für das NF verwendet wird, und basiert auf der probandenspezifischen maximalen θ‑Frequenz. Bezüglich der Operationalisierung des Pseudo-NF wurde in eigenen Studien das Feedback eines Probanden der Experimentalgruppe aufgenommen und einem anderen der aktiven Kontrollgruppe gegeben. Des Weiteren wurden exekutive Funktionen anhand von 4 Komponenten (Handlungsüberwachung, Inhibition, Aktualisierung des Arbeitsgedächtnisses und dem Aufgabenwechsel) vor und nach dem NF-Training untersucht. Die Ergebnisse zeigen (i) im Verlauf des Trainings eine signifikant stärkere Erhöhung der θ‑Aktivität in der NF-Gruppe im Vergleich zum Pseudo-NF. Der Vergleich der Prä-post-Messungen ergab auch hier signifikante Transfereffekte, (ii) eine verbesserte Performanz der Aktualisierung des Arbeitsgedächtnisses und des Aufgabenwechsels sowie (iii) eine erhöhte fm-θ-Aktivität während der Aufgabendurchführung in der NF-Gruppe im Vergleich zur Pseudo-NF-Gruppe (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Studienergebnisse des frontomedialen Theta-Protokolls. EOG Elektrookulogramm, NF Neurofeedback

Evidenzbasierte Neurofeedback-Forschung

Da die NF-Studienplanung und -Studiendurchführung allgemein Besonderheiten beinhalten, werden diese im folgenden Abschnitt hervorgehoben und ein erster Einblick gegeben. Insgesamt sind bei der Vorbereitung von NF-Studien 4 Domänen zu berücksichtigen (ausführliche Beschreibung: Enriquez-Geppert et al. 2017; Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Entscheidungsbaum zum Erstellen einer Neurofeedback-Studie

Vorbereitung und Durchführung klinischer NF-Studien erfolgen auf Basis randomisierter kontrollierter Studiendesigns mit den folgenden 3 Merkmalen: (i) Verwendung von Kontrollgruppen (mit zumindest einer aktiven Kontrollgruppe oder einer Kontrollbedingung), (ii) randomisierte Zuteilung der Probanden zu den Gruppen und (iii) Verblindung (der Patienten und der Untersucher).

Bezüglich der spezifischen NF-Charakteristiken sind 4 Aspekte zu beachten. (i) Zunächst geht es um die Festlegung der benötigen Sitzungsanzahl, bei der sich Untersucher an vergleichbaren Studien oder Erfahrungswerten orientieren. Allerdings kann auch bis zu einem Kriterium trainiert werden, wie z. B. bis zu einer bestimmten Symptomlinderung. (ii) Weiterhin ist die Verteilung der einzelnen Sitzungen über die gesamte Trainingsperiode wichtig, zu der es aber noch keine systematischen Untersuchungen gibt. Beispiele reichen von 2‑mal/Tag bis einmal/Woche. (iii) Der dritte Aspekt bezieht sich auf die Sitzungsdauer und das Einbringen von Pausen. (iv) Zudem stellt die Anleitung, wie ein Gehirnsignal verändert werden kann, einen wichtigen Gesichtspunkt dar und variiert von konkreten bis hin zur gänzlichen Vermeidung von Instruktionen. Im Fall des Wiedererlangens motorischer Fähigkeiten bei Patienten mit intrazerebraler Blutung werden die Patienten instruiert, sich bestimmte motorische Bewegungen vorzustellen, da bekannt ist, dass offene und vorgestellte Bewegungen auf zumindest ähnliche neuronale Ressourcen zurückgreifen. Bei einem θ‑β-Ratio-Training werden Probanden oft instruiert, sich lediglich zu entspannen, aber gleichzeitig aufmerksam zu sein. Bei wiederum anderen NF-Protokollen werden nur relativ grobe Instruktionen gegeben (einfach etwas ausprobieren, mentale Rotation von bekannten Gegenständen, mentales Navigieren durch bekannte Gebäude etc.). Generell werden interindividuelle Unterschiede bei der Verwendung von mentalen Strategien beobachtet und noch keine allgemein bewährten Strategien für die Selbstregulation identifiziert (Infobox 5).

Infobox 5 Empfohlene Literatur II

  • Enriquez-Geppert S, Huster RJ, Herrmann CS (2017) EEG-neurofeedback as a tool to modulate cognition and behavior: a review tutorial. Front Hum Neurosci 11:51

  • Ros T, Baars B, Lanius RA, Vuilleumier P (2014) Tuning pathological brain oscillations with neurofeedback: a systems neuroscience framework. Front Hum Neurosci 8:1008

Die Merkmalsextraktion betrifft die (i) Auswahl des zu trainierenden neuronalen Merkmals und (ii) die Anzahl und Position der Elektroden. Die Entscheidung für ein bestimmtes zu trainierendes neuronales Merkmal sowie die Frage, wie dieses Merkmal am besten gemessen und trainiert werden kann, sollte sich am aktuellsten Erkenntnisstand ausrichten. Zu beachten ist, dass interindividuelle Unterschiede der Gehirnanatomie und -funktion zu topografischen Unterschieden der EEG-Aktivität führen und zur Kompensation die Verwendung mehrerer Elektroden hilfreich ist. Ein weiterer Vorteil ist das verbesserte Signal-Rausch-Verhältnis.

Betreffend feedbackbezogener Spezifikationen geht es um die (i) Festlegung einer kritischen Schwelle, die die Gehirnaktivität für ein bestimmtes Feedback-Signal überschreiten muss, und um die Bestimmung des genauen Verstärkerplans. Das Feedback-Signal indiziert die relative Veränderung der Gehirnaktivität zur Ruhemessung vor der jeweiligen aktuellen Sitzung, der Durchschnittsaktivität einer vorherigen Sitzung oder im Vergleich zu normativen Daten. (ii) Bei der genauen Gestaltung des Feedbacks spielen lerntheoretische Überlegungen eine Rolle und betreffen z. B. die Auswahl eines kontinuierlichen oder festen Quotenplans. (iii) Die Entscheidung, welche Feedback-Modalität (auditiv, taktil, visuell etc.) und Komplexität (einfache Figuren, bewegte Bilder etc.) gewählt werden, beruht derzeit auf praktischen Erfahrungen und patientenspezifischen Charakteristiken oder ist durch die Verwendung einer spezifischen NF-Software vorgegeben. (iv) Letztendlich hat die Wahl der NF-Software einen bedeutsamen Einfluss auf die Wahlfreiheit der genannten Spezifikationen.

Neue Impulse, zukunftsweisende Entwicklungen und laufende Studien

Derzeitig werden Konsensusrichtlinien und Checklisten für experimentelle Designs und des Berichtens von Forschungsergebnissen entwickelt, die auf methodische Genauigkeit abzielen (Ros et al. im Druck, Vordruck abrufbar unter: https://psyarxiv.com/nyx84). Dabei haben führende NF-Wissenschaftler eine sog. CRED-NF(Consensus on the reporting and experimental design of clinical and cognitive-behavioural neurofeedback studies)-Checkliste ausgearbeitet, die vorexperimentelle Schritte wie die Vorregistrierung einer Studie, die Spezifikation von Kontrollgruppen, weiteren Kontrollmaßen, Feedbackspezifikationen, Ergebnismaßen und der Speicherung der Forschungsdaten beschreibt. Die CRED-NF-Checkliste soll einerseits dazu beitragen, Untersucher bei qualitätssichernden Maßnahmen zu unterstützen und andererseits die Einschätzung einzelner Wirkmechanismen zu verbessern.

Des Weiteren ist auf die sog. International Collaborative ADHD Neurofeedback Study hinzuweisen, die als große doppelblinde Multizenterstudie durchgeführt wird (Arnold et al. 2013). Als eine der Besonderheiten dieser Studie ist hervorzuheben, dass sowohl NF-Skeptiker als auch NF-Forscher beteiligt sind.

Das fm-θ-Protokoll ist derzeit als therapeutische Intervention aktueller Forschungsgegenstand in subklinischen und klinischen Gruppen an mehreren Universitäten.

Fazit für die Praxis

  • Zur Behandlung der hyperkinetischen Störungen (HKS) existieren 3 evidenzbasierte Neurofeedback(NF)-Protokolle.

  • Materialien zur Planung von NF-Studien und zur Einschätzung der Studienqualität stehen zur Verfügung.

  • Das Potenzial neurowissenschaftlich inspirierter NF-Protokolle liegt in der verbesserten Konstruktvalidität als Voraussetzung für die Behandlungswirksamkeit.